EuGH-Urteil:
EU-Staaten müssen Flüchtlingen kein Visum erteilen
Haben Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern das Recht auf ein humanitäres Visum für die Einreise in die EU? Auf diese Frage hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Antwort gegeben - und die Regierungen der EU-Staaten dürften erleichtert sein. Nach dem EuGH-Urteil sind sie nämlich nicht verpflichtet, Asylwerbern ein Visum zur legalen Einreise auszustellen. Aus dem Unionsrecht ließen sich keine derartigen Verpflichtungen ableiten, argumentierte der EuGH am Dienstag in Luxemburg. Maßgeblich sei allein das nationale Recht.
Die Luxemburger Richter widersprachen damit überraschend der Ansicht von Generalanwalt Paolo Mengozzi, der seine Schlussanträge vor einem Monat vorgelegt hatte. In vielen Fällen schließen sich die Richter der Einschätzung des Generalanwalts an.
Die EU-Staaten hatten nach dem Antrag Mengozzis weitreichenden Konsequenzen für die gemeinsame Asylpolitik befürchtet. Denn wäre das Gericht der Einschätzung des Generalanwalts gefolgt, hätten Flüchtlinge bei den Auslandsvertretungen der 28 EU-Staaten einen Antrag für ein humanitäres Visum stellen können, damit ihr Asylantrag anschließend in dem EU-Staat selbst geprüft wird.
Ausgangspunkt: Syrische Familie wollte in Belgien Asyl beantragen
In dem vorliegenden Fall ging es um eine christlich-orthodoxe Familie aus Aleppo in Syrien mit drei kleinen Kindern, die im Oktober bei der belgischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut Visumanträge gestellt hatte, um in Belgien einen Asylantrag stellen zu können. Der Familienvater gab dazu an, er sei in Syrien bereits von einer bewaffneten Gruppe entführt und gefoltert worden, bis er gegen Lösegeld freikam. Wegen ihres Glaubens drohe der Familie weitere Verfolgung.
Belgien lehnte den Antrag unter anderem mit der Begründung ab, dass es nicht zur Aufnahme aller Personen verpflichtet sei, die katastrophale Situationen erlebt hätten. Es sei mit einer Flut von Anträgen zu rechnen, wenn Flüchtlingen gewöhnliche Touristenvisa gewährt würden.
Durchreise- und Touristenvisa für bis zu 90 Tage möglich
Wie nun der EuGH entschied, ist es Sache der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, ob sie in solchen Fällen Visa erteilen wollen. EU-Recht regle bisher nur Durchreise- und Touristenvisa für Aufenthalte bis zu 90 Tagen, bei einer Einreise für einen Asylantrag gehe es aber um einen längeren Aufenthalt. Ohne EU-rechtliche Grundlage sei aber auch die Grundrechtecharta der EU nicht anwendbar.
EU verschärft Kontrollen an den Außengrenzen
Die EU-Staaten beschlossen am Dienstag zudem, die Kontrollen an den Außengrenzen zu verschärfen und künftig die Daten von allen Reisenden elektronisch zu überprüfen. Ausnahmen soll nur dann möglich sein, wenn die Kontrollen den Verkehrsfluss an einer Grenze erheblich behindern und eine Risikoanalyse positiv verläuft. Mit den neuen Regeln reagiert die EU auf die erhöhte Terrorgefahr. Sie waren nach den Anschlägen von Paris im November 2015 von der EU-Kommission vorgeschlagen worden.
Bisher müssen an den EU-Außengrenzen lediglich die Daten von Nicht-EU-Bürgern systematisch mit allen Sicherheitsdatenbanken abgeglichen werden - und dies auch nur bei der Einreise. Die neuen Regeln werden nun auch für die Ausreise aus der EU sowie für alle EU-Bürger gelten.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.