"Ich komme vorbei"

Kern als “Pizza-Kanzler” – eine gelungene Aktion?

Österreich
19.04.2017 15:54

"Ich will für euch Politik machen" - so beginnt Christian Kern einen am Mittwoch ins Internet gestellten Werbefilm. Der Bundeskanzler spielt in dem Spot einen Pizza-Boten: "Ich komme einfach bei euch vorbei, zu Hause. Wird sicher ein großer Spaß." Das merkwürdige Video aus der SPÖ-Zentrale gilt als weiterer Hinweis, dass der Wahlkampf voll angelaufen ist.

Offiziell heißt es dazu von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler, dass es sich bei dem gefilmten Aktionismus um "den Auftakt einer neuen Zuhör-Kampagne" handelt. Kern selbst sagt in dem Werbespot: "Leider kommt ja selten einer von euch bei mir im Bundeskanzleramt vorbei." Daher komme jetzt er mit Pizza zu den Menschen in ihre Wohnungen.

(Bild: YouTube.com)
(Bild: YouTube.com)
(Bild: YouTube.com)
(Bild: YouTube.com)

"Migration, Ausländer: Ist das ein Thema hier?"
Das Interesse an den Sorgen der Menschen wollen die Drehbuchautoren des Kanzler-Videos unter anderem mit Fragen zu seit Jahren aktuellen Themen zeigen. In einer Szene des dreieinhalbminütigen Clips sagt Pizza-Kanzler Kern etwa: "Grüß Gott, neuer Pizzabote. Ich wollte Sie überraschen. Migration und Ausländer: Ist das ein Thema in der Gegend hier?"

Die Kanzler-Partei zeige mit dieser Werbebotschaft knapp vor dem 1. Mai, dass die SPÖ um die Mittelschicht kämpft, lautet die Erklärung aus der Parteizentrale. Allerdings streitet Niedermühlbichler nicht ab, dass man das auch als Wahlwerbung verstehen könne. "Bekanntlich ist der erste Tag nach einer Wahl auch schon der erste Wahlkampftag", so der Parteimanager. Bereits am kommenden Wochenende startet die SPÖ eine umfassende Werbekampagne im Internet.

Das Werbevideo mit Kern als Pizza-Kanzler trägt die Handschrift des israelischen Kanzler-Beraters Tal Silberstein. Denn von der Idee her ähnliche Kurzfilme gab es schon mit Israels Präsidenten-Legende Schimon Peres und Premierminister Benjamin Netanjahu.

Politischer Pizza-Bote nach Vorbild aus Israel
Das Peres-Video war allerdings nicht zu Wahlkampfzwecken gedacht, sondern wurde 2014 zu seinem politischen Abschied gedreht. Selbstironisch fragt sich der damals 91-jährige Peres, was er nach der Politik machen wolle. Und tritt als Tankwart, Supermarktverkäufer und eben auch als Pizza-Bote auf.

In Israel warb auch Premier Netanjahu mit lustigen Spots um Sympathiepunkte. Netanjahu spielt dabei einen Babysitter und nennt sich in Anlehnung der Kurzform seines Vornamens Benjamin "Bibi-Sitter".

Video erinnert an Haider und Grasser
Wie sehr sich diese Bilder, auf SPÖ-Chef Kern übertragen lassen, müssen erst die Reaktionen zeigen. Mit professionell inszenierten Spaßvideos von Spitzenpolitikern oder gar von Regierungschefs gibt es in Österreich kaum Erfahrungen. Frühere Kanzler wie Vranitzky, Schüssel oder Faymann hatten bei ihrem Rollenverständnis mehr auf nüchterne Sachpolitik und weniger auf coole Selbstdarstellung Wert gelegt.

In Erinnerung geblieben sind in diesem Genre in Österreich bisher nur Kärntens früherer Landeshauptmann Jörg Haider etwa beim Bungee-Springen oder Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit seiner Seepferdchen-Badehose.

Kanzler Kern als Pizza-Bote - weitere Screenshots:

(Bild: YouTube.com)
(Bild: YouTube.com)
(Bild: YouTube.com)
(Bild: YouTube.com)
Auszug aus Christian Kerns berüchtigtem Pizza-Spot (Bild: YouTube.com)
Auszug aus Christian Kerns berüchtigtem Pizza-Spot

Claus Pándi, Kronen Zeitung/krone.at

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