Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou überlässt die Entscheidung über das Heumarkt-Bauprojekt den Gemeinderäten ihrer grünen Partei. Diese sollen somit nach eigenem Gutdünken über die entsprechende Flächenwidmung abstimmen, wie Vassilakou am Dienstagvormittag - wenige Stunden nach einer vorerst ergebnislos zu Ende gegangenen grünen Krisensitzung - mitteilte. Damit drückt sich Vassilakou um ein klares Machtwort und setzt die rot-grüne Koalition in Wien aufs Spiel, auch wenn es aus dem grünen Klub erste Zeichen der Entspannung und des Einlenkens gab.
Vassilakou versicherte am Dienstag, dass die Vorgangsweise in Sachen freie Abstimmung zur Heumarkt-Flächenwidmung mit dem Koalitionspartner SPÖ akkordiert sei. Und sie sei zuversichtlich, "dass Rot-Grün das aus eigener Kraft schaffen kann und nicht auf die Hilfe der Opposition angewiesen ist". Gewissheit herrscht am 1. Juni, wenn die Flächenwidmung in den Gemeinderat kommt.
Sieben Stimmen von den Grünen notwendig
Von 100 Mandaten im Stadtparlament hat Rot-Grün derzeit 54 inne - 44 die SPÖ, zehn die Grünen. Um FPÖ, ÖVP und NEOS aus dem Spiel lassen zu können, braucht Vassilakou also mindestens sieben Projekt-Unterstützer aus den eigenen Reihen, um die Flächenwidmung durchzubringen - vorausgesetzt, die SPÖ stimmt geschlossen dafür. Davon geht die grüne Ressortchefin offenbar aus: Sie habe den Eindruck, dass der Koalitionspartner zu 100 Prozent hinter dem Heumarkt-Vorhaben steht, sagte sie.
Unterstützung durch die Wiener Opposition scheint es jedenfalls nicht zu geben: Neben der ÖVP wird auch die FPÖ fix nicht im Gemeinderat zustimmen. Die NEOS knüpfen ihre Unterstützung weiterhin an eine Bürgerbefragung über das UNESCO-Weltkulturerbe. Eine solche ist allerdings nicht angedacht.
Ellensohn: "Wird rot-grüne Mehrheit für Heumarkt-Areal geben"
Am Dienstag gab es erste Zeichen der Entspannung aus dem Rathausklub der Grünen. "Nach intensiven partei- und klubinternen Beratungen wird es im Gemeinderat eine rot-grüne Mehrheit für die Widmung auf dem Heumarkt-Areal geben", stellte Klubobmann David Ellensohn unmissverständlich fest. "Auch in schwierigen Situationen müssen Entscheidungen getroffen werden."
"Wir hatten abzuwägen: Sachargumente beim umstrittenen Widmungsakt wie etwa die Absicherung des Eislaufvereins, politische Argumente wie die wichtige Handlungsfähigkeit der rot-grünen Stadtregierung auf Landes-, aber auch auf Bezirksebene, Grün-Interna wie das Ergebnis der Urabstimmung sowie das verfassungsmäßig verankerte freie Mandat der Abgeordneten", erklärte Ellensohn seinen Standpunkt.
Reaktion auf Mitgliederbefragung zu Heumarkt-Projekt
Mit der Vorgangsweise einer freien Abstimmung reagiert Vassilakou auf die Mitgliederbefragung unter allen Wiener Grünen, die mit knapper Mehrheit gegen das Projekt ausgegangen war. "Ich habe Respekt vor diesem Ergebnis, ich habe Respekt vor den Gegnern des Projekts und ich habe Respekt für ihre Motive und Überlegungen", beteuerte die Stadträtin. Sie habe ihr Bestes gegeben, diese Befürchtungen und Sorgen in den vergangenen Wochen auszuräumen. "Das Ergebnis zeigt, dass es mir nicht gelungen ist", merkte sie selbstkritisch an: "Die grünen Mitglieder haben gesprochen."
krone.tv-Video vor dem Krisengipfel: Vassilakou kämpft ums Überleben
Vassilakou schickte allerdings ein deutliches "Aber" hinterher: "Die letzte Entscheidung in einer Demokratie haben hier die Mitglieder des Gemeinderats. Ich werde daher die Flächenwidmung dem Gemeinderat am 1. Juni vorlegen", so ihr Argument. Sie stehe weiterhin zu diesem Projekt und werbe daher für eine Mehrheit.
Sie sei sowohl dem Eislaufverein als auch der Öffentlichkeit und dem Projektbetreiber - der Wertinvest von Investor Michael Tojner - im Wort, betonte Vassilakou. Um eventuell manchem zweifelndem Grünen die Zustimmung zu erleichtern, verkündete die Ressortchefin am Dienstag, dass sie mit Tojner vereinbart habe, die Hälfte der Räumlichkeiten des umstrittenen Wohnhochhauses nicht als Luxuswohnungen zu entwickeln, sondern als "Räumlichkeiten für eine Institution im öffentlichen Interesse". Details dazu würden noch geklärt. Außerdem soll der städtebauliche Vertrag öffentlich gemacht werden.
Vassilakou befürchtet keinen Aufstand der Basis
Damit könne dann jeder überprüfen, was rechtlich rund um das Projekt verankert sei. "Etliche Bedenken" von Kritikern würden spätestens dann ausgeräumt, hofft Vassilakou. Einen Aufstand der Basis, da die Flächenwidmung nun trotz mehrheitlicher parteiinterner Ablehnung doch dem Gemeinderat vorgelegt wird, befürchtet die Spitzen-Grüne nicht. Es habe sich am Montag im Laufe der stundenlangen Krisensitzung gezeigt, dass die Vorgangsweise der freien Abstimmung "breitest" geteilt werde.
Vassilakou gestand aber auch ein, dass man Lehren aus der jüngsten Krise ziehen müsse. Welche das sein könnten - eventuell Statutenänderungen, um Urabstimmungen zu bestimmten Themen künftig unmöglich zu machen - ließ sie freilich offen. Es gelte jedenfalls, interne Strukturen so auf neue Beine zu stellen, dass man als Partei die rot-grüne Regierungsarbeit bestmöglich unterstützen könne.
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