Der Streit und die gegenseitigen Schuldzuweisungen in der Koalition gehen munter weiter: Nach den scharfen Attacken von ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka gegen Bundeskanzler Christian Kern orten die SPÖ-Regierungsmitglieder zwei Gruppierungen im ÖVP-Team - jene, die konstruktiv arbeiten wollten, und jene, die lediglich destruktiv seien. Am deutlichsten drückte es SP-Staatssekretärin Muna Duzdar aus, die beim Koalitionspartner einen "Intrigantenstadel" sieht.
Der "überwiegende" Teil im ÖVP-Regierungsteam arbeite konstruktiv und seriös, "andere glänzen durch Abwesenheit" und würden den "Intrigantenstadel" dirigieren, so Duzdar am Dienstag nach dem Ministerrat. Gefehlt haben bei der Sitzung Außenminister Sebastian Kurz und Innenminister Wolfgang Sobotka (beide ÖVP). Jene, die "nicht wollen" und kein Interesse an konstruktiver Regierungsarbeit hätten, sollten sich aber hinstellen und dies auch klar sagen, forderte Duzdar. Auch SPÖ-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner wies explizit darauf hin, dass Kurz bei der Regierungssitzung fehlte.
Schieder sieht "internen Konflikt" in der ÖVP
SPÖ-Klubchef Andreas Schieder findet, dass die Arbeitsstimmung in der Regierung zwar gut ist, es jedoch "Leute wie Kurz" gebe, die sich "in einem kleinen Dauerwahlkampf" befinden würden - und Innenminister Sobotka werde dabei "vorgeschickt". Dass auch SPÖ-Chef Kern Vorwahlkampf betreibe, stellte Schieder in Abrede: Dessen Social-Media-Aktivitäten - Stichwort "Pizza-Kanzler" - seien kein Wahlkampf. In der ÖVP hingegen gebe es einen "internen Konflikt", dessen "Epizentrum" Kurz sein dürfte.
Stöger: "ÖVP soll sagen, wenn sie nicht mehr will"
SPÖ-Infrastrukturminister Jörg Leichtfried hat ebenfalls das "Gefühl", dass es beim Koalitionspartner zwei Gruppierungen gibt. Er hofft, dass wieder "etwas Ruhe" in der ÖVP einkehrt, denn man habe "allerhand zu tun". Sein Parteikollege, Sozialminister Alois Stöger, sagte auf die Frage, ob ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner seine Mannschaft noch unter Kontrolle habe, dies sei nicht seine Angelegenheit. Die Konsequenzen müsse jedenfalls die ÖVP ziehen und "sagen, wenn sie nicht mehr will".
SPÖ-Parteimanager Georg Niedermühlbichler sagte, es sei wichtig, zu schauen, wer hinter den ständigen Attacken Sobotkas stehe. "Wahrscheinlich will Sebastian Kurz nicht länger warten." Das Problem müsse die ÖVP selbst lösen. Was nicht gehe, sei, dass der Innenminister den Kanzler austauscht, so Niedermühlbichler. Sobotka müsse sich überlegen, ob er noch Teil dieser Regierung sein möchte.
Mitterlehner: Sobotkas Äußerungen "nicht hilfreich"
Mitterlehner hatte vor dem Ministerrat erklärt, er halte Sobotkas Äußerungen für "nicht hilfreich" und "nicht zweckdienlich". Auf die Frage, ob ihm mit Sobotka schon der Geduldsfaden reiße, meinte der ÖVP-Parteiobmann: "Das ist eine gute Frage." Und weiter: "Ich bin Parteichef", somit gehöre es auch dazu, "mit diesen Dingen konfrontiert" zu werden. Es herrsche eine Vorwahlstimmung, die aber nicht von ihm inszeniert werde.
Video: Mitterlehner nennt Sobotkas Kritik an Kern "nicht hilfreich"
Die Emotionen sollten abgebaut werden - das gelte für beide Koalitionspartner, denn beide Seiten würden das Klima "nur aufschaukeln", da es vielleicht bei der inhaltlichen Arbeit nicht so weitergeht, wie gewünscht. Klar sei, dass die Regierung damit kein gutes Bild in der Bevölkerung abgebe. Der Vizekanzler forderte, dass zur Sacharbeit zurückgekehrt wird, und drängte auf gegenseitigen Respekt. "Ich sehe gute Chancen, das zu bereinigen", so Mitterlehner.
Kurz: "Beteilige mich nicht an diesem Theater"
Aus der Ferne, nämlich aus Vorarlberg, wo er an "politischen Terminen" teilnahm, meldete sich auch Kurz zu Wort und wies die Kritik der SPÖ zurück, wonach er der Urheber des Streits in der Koalition sei. "Ich beteilige mich nicht an diesem Theater, sowohl in der Regierung als auch in der ÖVP", sagte er. "Die ständigen Angriffe und falschen Unterstellungen werden mich in meiner Sacharbeit nicht behindern." Die SPÖ-Schelte bezüglich seiner oftmaligen Abwesenheit im Ministerrat ließ Kurz nicht auf sich sitzen und verwies auf seine Arbeit als Außen- und Integrationsminister sowie die zahlreichen terminlichen Verpflichtungen.
Rupprechter schäumt: "Unerträgliches Schauspiel"
Empört zeigte sich Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) über die SPÖ, die beim Ministerrat "nur scheinheiliges Kurz-Bashing" betrieben habe. Die SPÖ-Minister hätten ein "unerträgliches Schauspiel", eine "skurrile Show" abgeliefert. Der Außenminister werde, obwohl er "großartige Arbeit" leiste, jeden Tag von hochrangigen SPÖ-Politikern "verleumdet". Um die Frage, ob Kurz höhere Funktionen übernehmen sollte, gehe es jetzt nicht, meinte Rupprechter - aber "selbstverständlich" sehe er in ihm "die Zukunft unserer Partei".
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