Die rot-schwarze Koalition ist einmal mehr in einer Existenzkrise - ausgelöst durch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), der in einem Zeitungsinterview am Montag Kanzler Christian Kern (SPÖ) unumwunden "Versagen" vorgeworfen hat. "Gezielte Provokation", sagt nun Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), der der zerstrittenen ÖVP als Ganzes die Leviten liest: Er ersuche, "dass man den Herrn Sobotka zur Ordnung ruft".
Häupl vermutet in ÖVP-Kreisen folgende Strategie hinter der jüngsten Eskalation: Man wolle die SPÖ dazu bringen, die Koalition aufzukündigen und zu sagen "Es reicht" - wie das 2008 ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer ausgedrückt hat, als er Rot-Schwarz unter Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) in die Wüste schickte. "Aber das ist nicht unsere Sprache", sagte Häupl am Mittwoch gegenüber Ö1. Es gebe noch keinen Grund für Neuwahlen, "nur weil das einige in der ÖVP nicht erwarten können".
Sobotka-Rauswurf? Regierungsspitze biss sich in NÖ die Zähne aus
Nicht nur in der Koalition, auch in der Volkspartei hängt der Haussegen derzeit gewaltig schief: Wie die "Krone" erfuhr, soll Parteichef Reinhold Mitterlehner mit Kanzler Kern Anfang der Woche bereits über eine Entlassung von Spaltpilz Sobotka aus der Regierung beraten haben. Gescheitert soll das Vorhaben an der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sein, die ihre schützende Hand über ihren engeren Landsmann gehalten habe, berichtet der "Kurier".
Mitterlehner im Video: Sobotkas Aussagen "nicht hilfreich"
Der Plan, Sobotka abzusägen, soll schon so weit fortgeschritten gewesen sein, dass darüber auch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen gesprochen worden sein soll. Aus der Hofburg hieß es dazu lediglich: "Vertraulich stattfindende Gespräche werden von uns nicht kommentiert." Van der Bellen rief die Regierung am Dienstag allerdings zur Sachlichkeit auf: "Sich wechselseitig Unfreundlichkeiten über die Medien auszurichten, wie das in diesen Tagen wieder besonders auffällig zu beobachten ist, das schadet dem Ansehen der Politik, bringt uns den Lösungen nicht näher und unser Land nicht weiter", so der Präsident (siehe Video unten).
Sobotka gelobt: "Will meine Wortwahl künftig verbessern"
Sobotka gelobte am Dienstag Besserung - wenigstens im Auftritt. "Ich will meine Wortwahl künftig verbessern, so wie ich das auch von der SPÖ erwarte", hieß es in einer Mitteilung. Im nächsten Atemzug ging es bereits wieder um das aktuelle Hickhack: "In den Materien des Sicherheitspolizeigesetzes und Fremdenrechts wird seit Monaten ständig blockiert, das muss nun aufhören", so der Innenminister.
Dass dadurch die Wogen in der ÖVP geglättet werden, ist kaum anzunehmen. So legte bereits am Mittwoch Sobotkas Parteifreund, Bauernbundobmann Jakob Auer, nach: "Sobotka ist lange genug in der Politik, um zu wissen, was er damit anrichtet", sagte er gegenüber den "Oberösterreichischen Nachrichten". "Es wäre besser, wenn manche öfter den Mund halten würden." Sein Bund stehe hinter Parteichef Mitterlehner, hinter den sich auch ÖAAB-Chef August Wöginger stellte.
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