Kern bestätigt:

Sobotka stand kurz vor Rauswurf aus der Regierung

Österreich
14.05.2017 13:42

Neuwahlen, Sebastian Kurz und die ÖVP waren am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" die Themen von Bundeskanzler Christian Kern. Ein pikantes Detail ist dabei vom SPÖ-Chef bestätigt worden: Kern und der zurückgetretene ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner wollten Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) aus der Regierung entlassen. Sobotka, der Kern zuletzt "Versagen als Kanzler" vorgeworfen hatte, durfte allerdings aus Sorge vor "totalem Chaos" bleiben. Nicht spekulieren wollte Kern, was passieren würde, wenn Sobotka nun von der ÖVP zum Vizekanzler vorgeschlagen werden sollte. Mit Kurz habe er hingegen "gar kein Problem", versicherte Kern.

Kern bestätigte in der ORF-Sendung, dass er mit Mitterlehner darüber diskutiert habe, Innenminister Sobotka zu entlassen. Mitterlehner habe aber befürchtet, dass dies zu "totalem Chaos" und zum Ende der Regierung führen würde, deshalb habe man davon Abstand genommen. Mitterlehners Büro hatte Medienberichte über ein Absägen Sobotkas vor wenigen Tagen noch dementiert.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP)

Sobotka hatte Kern kurz vor Mitterlehners Rücktritt "Versagen als Kanzler" vorgeworfen und mit dem Sager "Für Kern ist der Zug abgefahren" provoziert. Über die scharfen Worte des ÖVP-Minister gegen den Bundeskanzler zeigten sich nicht nur die Roten verwundert, auch Mitterlehner bezeichnete die Aussagen seines Teammitglieds als "nicht hilfreich". Sobotka hatte schon beim Regierungs-Update Ende Jänner für Irritationen gesorgt. Damals drohte er, seine Unterschrift nicht unter das Verhandlungswerk setzen zu wollen. Nach seinen jüngsten Quertreibereien gelobte Sobotka öffentlich Besserung bei seiner Wortwahl.

Kern geht "mit Sicherheit" von Neuwahlen im Herbst aus
Was Neuwahlen betrifft geht der Bundeskanzler indessen "mit Sicherheit" davon aus, dass es einen Termin im Herbst geben wird. Nachdem der wahrscheinlich künftige ÖVP-Obmann Sebastian Kurz die Koalition beendet habe, sei die Beziehung zu Ende. Das müsse man zur Kenntnis nehmen. "Das Tischtuch ist zerschnitten", sagte der SPÖ-Chef in der ORF-"Pressestunde". Kern versicherte zugleich, dass er keine Ablöse der ÖVP-Minister vor der Wahl anstrebe, weil er "Österreich mit Sicherheit nicht ins Chaos stürzen" werde. Und er geht auch davon aus, dass die Volkspartei selbst nicht ihre Minister abberufen werde.

(Bild: AFP, APA/AFP/Robert Atanasovski, APA/Fabrice Coffrini)

Mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei er angesichts der "massiven Regierungskrise" im Gespräch, so Kern am Sonntag. Ob die SPÖ einem Neuwahlantrag der ÖVP zustimmen werde, hänge vom Verhalten der ÖVP in den nächsten Tagen ab. Auch wenn Kern von Neuwahlen im Herbst ausgeht, kann es seiner Ansicht nach noch einige Wochen oder Monate dauern, bis es so weit ist. Ein Argument gegen einen raschen Beschluss ist der gerade erst gestartete Eurofighter-Untersuchungsausschuss. Diesen jetzt abzudrehen, wäre eine "ganz schlechte Optik".

Kern will die nächsten Monate "sinnvoll gestalten"
Der Kanzler strebt bis zur Wahl nun einen "vernünftigen Übergang" an und will die nächsten Monate "sinnvoll gestalten". Ihm geht es darum, jetzt noch notwendige inhaltliche Projekte zu beschließen. Eine Minderheitsregierung strebt er nicht an, allerdings will er mit wechselnden Mehrheiten im Parlament Beschlüsse herbeiführen, wie er erneut erklärte. So will er etwa für die Job-"Aktion 20.000" Mehrheiten finden. Als weiteres Beispiel nannte er einen Vorschlag von NEOS-Chef Matthias Strolz für eine Gleichstellung Homosexueller im Eherecht.

An den ÖVP-Vorstand, der am Sonntagnachmittag Sebastian Kurz zum ÖVP-Obmann designieren soll, appellierte Kern erneut, sich nicht nur mit Personalfragen, sondern mit inhaltlicher Arbeit zu beschäftigen. Mit Kurz habe er "gar kein Problem", versicherte Kern. Er bot ihm erneut an, sich am Montag zusammenzusetzen und gemeinsam über wirkliche Reformen zu reden.

(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)

Eigenständige Liste reizt Kern nicht
Eine eigenständige Liste, wie sie Kurz fordert, reizt Kern nicht. Egal ob ÖVP oder Team Kurz auf der Liste stehe, "am Ende kommt es auf die Politik an." Er geniere sich nicht für die SPÖ und ihre Werte, "darauf bin ich stolz", sagte Kern. Und das von Kurz geforderte Reißverschlusssystem für Wahllisten habe die SPÖ schon seit 2010. Aber die SPÖ sei mit einer im Statut beschlossenen Frauenquote schon weiter.

Für die im Herbst anstehende Wahl erwartet Kern eine spannende Richtungsentscheidung, wer wofür in diesem Land steht. Die SPÖ erhebe den Führungsanspruch für eine progressive Politik der Zuversicht. Der Kriterienkatalog für mögliche Partner müsse jetzt beschleunigt werden. Ob er auch einer etwaigen rot-blauen Regierung angehören würde, wollte Kern noch nicht verraten, er bekräftigte aber, dass er "keine Affinität" zur FPÖ habe. Dass der FPÖ jetzt der "rote Teppich" ausgerollt werde, dafür machte er die ÖVP verantwortlich. Kern betonte, dass für ihn ÖVP, Grüne und NEOS erste Ansprechpartner sein werden. Der SPÖ-Vorsitzende bekräftigte, dass er auch in der Opposition zur Verfügung stünde.

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