Jetzt ist es fix: Die ÖVP hat ihren Hoffnungsträger Sebastian Kurz auf den Partei-Thron gehievt. Der Parteivorstand wählte den 30-Jährigen am Sonntag einstimmig zum neuen geschäftsführenden Obmann. Die eigenständige Liste, mit der Kurz nun bei Neuwahlen antreten will, wird "Liste Sebastian Kurz - die neue Volkspartei" heißen. Kurz will jetzt einen gemeinsamen Beschluss mit der SPÖ für Neuwahlen. Er will einen kurzen Wahlkampf, gewählt werden soll schon im September. Wer dem scheidenden Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in die Regierung folgen soll, stand hingegen noch nicht fest.
Kurz trat nach der über dreistündigen Sitzung des Bundesparteivorstandes in der Politischen Akademie der Volkspartei am Sonntagabend alleine vor die zahlreichen Medienvertreter. Der Schritt an die Parteispitze sei für ihn kein einfacher gewesen, betonte Kurz: "Es war kein Schritt, den ich mir leicht gemacht habe, denn die ÖVP hat in den letzten zehn Jahren vier Obleute gehabt." Bis zu seiner offiziellen Wahl am nächsten Parteitag der ÖVP ist Kurz nun interimistischer Parteichef.
Das Statement des neuen ÖVP-Chefs in voller Länge sehen Sie hier:
Die Bedingungen, die der Außenminister für die Übernahme der Obmannschaft schon im Vorfeld gestellt hatte und ihm unter anderem mehr Spielraum bei der Kandidatenauswahl zusichern, wurden wie angekündigt akzeptiert. Nachdem Landesparteichefs und Bündeobleute bereits vor den Gremien ihre Unterstützung für Kurz und seine Forderungen zugesagt hatten, wurde dies auch im Vorstand abgesegnet.
Von Kurz gefordert (und mit den Parteigranden offenbar bereits im Vorfeld der Sitzung akkordiert) waren unter anderem die alleinige Entscheidung des Bundesparteiobmannes über den Generalsekretär und das Regierungsteam der ÖVP sowie mehr Mitspracherecht bei der Kandidatenliste für Nationalratswahlen. Außerdem soll es ein parteiinternes Vorzugsstimmensystem geben.
ÖVP geht als "Liste Sebastian Kurz" in Neuwahlen
Die ÖVP wird bei der nächsten Wahl als "Liste Sebastian Kurz - die neue Volkspartei" antreten. Die eigenständige, von der ÖVP getragene Liste, auf der auch parteiunabhängige Personen kandidieren können, war ebenfalls eine der Bedingungen, die Kurz für die Übernahme der Obmannschaft gestellt hatte. Kleines Detail am Rande: Das Akronym LSK für die "Liste Sebastian Kurz" war in der Vergangenheit schon mal in Verwendung, nämlich als Abkürzung für die Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee der DDR.
Wer auf der "Liste Sebastian Kurz - die neue Volkspartei" künftig kandidieren wird, gab Kurz noch nicht bekannt. Zwar habe er in den vergangenen Jahren "viele tolle Menschen kennenlernen dürfen", die sich einbringen wollen. Auch habe er "konkrete Personen" im Kopf. Diese werde er aber erst präsentieren, wenn die Wahlen stattfinden.
Beschlossen wurde im Vorstand am Sonntag auch, dass Kurz' Bedingungen ins Statut kommen. Die geplanten Statutenänderungen begründete Kurz damit, dass in der Partei nicht nur Köpfe ausgetauscht werden dürften - auch die Partei müsse sich ändern. Fixiert werden soll das beim nächsten Parteitag. Für die Wahlbewegung werde die ÖVP sowohl auf "bewährte Kräfte" aus der Partei setzen, gleichzeitig aber neue Leute an Bord holen, kündigte Kurz an. Ein erstes Gespräch mit Kanzler Christian Kern und Bundespräsident Alexander Van der Bellen über die weitere Vorgehensweise will Kurz noch am Montag führen.
Appell an Kern: Weiterarbeiten, "sonst droht definitiv Chaos"
Das Angebot von Kern, der mit Kurz in einer "Reformpartnerschaft" weiterregieren wollte, hatte der Minister ausgeschlagen und sich für Neuwahlen ausgesprochen. Bei der Pressekonfernz appellierte Kurz nun allerdings an Kern, die Zeit zu nützen, um bis zum Sommer ausstehende Projekte umzusetzen.
"Sonst droht definitiv Chaos in Österreich." Eine derartige Situation sei nicht von Vorteil für das Land. Eine Minderheitsregierung könnte bis zum regulären Wahltermin im Herbst 2018 im Amt sein. "Mein Weg ist das nicht", stellte Kurz fest und verwies auf vorgezogene Neuwahlen: "Wir sind bereit, diesen Weg zu gehen."
Eine Entscheidung über einen neuen Vizekanzler und einen neuen Wirtschaftsminister hingegen gab es noch nicht. Dies sei nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner nur notwendig, wenn es keine Minderheitsregierung der SPÖ gibt. Sollte vom Koalitionspartner das Angebot für einen gemeinsamen Neuwahlantrag angenommen werden, werde jemand nominiert und eine Entscheidung getroffen, erklärte Kurz.
"Ich bin es gewohnt, dass es Kritik gibt"
Auf Kritik an der Machtfülle für den Obmann angesprochen, entgegnete Kurz: "Ich bin es gewohnt, dass es Kritik gibt, ganz gleich wie man agiert." Es habe früher "zurecht" Kritik daran gegeben, dass der Bundesparteiobmann keinen Entscheidungsspielraum habe, etwa weil ihm vorgeschrieben werde, wer in seinem engsten Team zu sein habe. Insofern sei er nicht verwundert über Kritik: "Unabhängig davon, welchen Weg man geht", gebe es diese.
Er betonte weiters, dass derjenige, der die Organisation führt, die Möglichkeit zum Gestalten brauche. Wenn man keine personellen und inhaltlichen Entscheidungen treffen kann, könne man auch nicht gestalten, so Kurz. Einleitend sprach der neue Obmann von turbulenten Zeiten und räumte auch ein, dass er der Partei "viel abverlangt". Heute sei jedenfalls eine "klare Entscheidung" getroffen worden.
Kern will sich erst am Montag zu Kurz-Wahl äußern
Auch die SPÖ hielt am Sonntag übrigens ein Treffen ab. Im Gartenhotel Altmannsdorf in Wien-Meidling sprach man am Muttertag über die schwierige innenpolitische Lage. Die Kür von Kurz zum ÖVP-Obmann und dessen Wunsch nach Neuwahlen beantworteten die Sozialdemokraten am Sonntagabend jedoch mit Schweigen. Weder Parteichef Kern noch Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler oder ein anderer Spitzenrepräsentant der Partei wolle sich derzeit äußern, hieß es aus verschiedenen Stellen. Frühestens am Montag will Kanzler Kern seine Position dazu kundtun.
Strolz über Kurz erbost: "Schamlos und intrigrant"
Der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz dürfte indessen schon damit begonnen haben, Kandidaten für seine Nationalratswahlliste zu rekrutieren. Zumindest wirft ihm NEOS-Chef Matthias Strolz vor, in den letzten Tagen intensiv versucht zu haben, NEOS-Mandatare abzuwerben.
Strache will "umgehend" über Wahltermin reden
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach indessen eine Einladung an die Spitzen der Oppositionsparteien aus. Er wolle "das Heft selbst in die Hand nehmen", da klar sei, dass sich die Regierungsparteien nicht auf einen Wahltermin einigen werden können, erklärte er am Sonntagabend in einer Presseaussendung. Der grüne Abgeordnete Peter Pilz reagierte bereits auf den Vorschlag Straches.
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