Der Widerstand gegen eine Koalition mit der FPÖ scheint innerhalb der SPÖ immer mehr zu bröckeln. Der Zulauf zur FPÖ auf dem Land habe gezeigt, dass die Partei "nicht mehr nur die Rassisten und Ewig-Gestrigen" anspreche, sagte etwa der langjährige Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten, Hans Sallmutter. "Der Abschied vom Dogma ,Niemals mit der FPÖ‘ wird so manchem wehtun - doch das ist Realismus", erklärte Kärntens SPÖ-Chef und Landeshauptmann Peter Kaiser dazu.
Wie das Nachrichtenmagazin "profil" in seiner Montag erscheinenden Ausgabe berichtet, können strikte Gegner einer Regierungsbeteiligung der FPÖ nicht mehr mit einer Absage der Sozialdemokraten rechnen. Sallmutter sieht die FPÖ von heute "zweifelsohne stark gewandelt", was wohl auch am "weniger radikalen und ideologischen Auftreten des Nachwuchses" liege. Im Sozialbereich sei Sallmutter "durchaus überrascht" über so manche Position der FPÖ: "Auch nach links tendierende Menschen empfinden die FPÖ nicht mehr als so unkonstruktiv wie einst."
Kaiser: "Wind bläst nicht links, sondern kommt von rechts"
Kaiser, der seit Monaten an einem "Kriterienkatalog" arbeitet, in dem die SPÖ die Voraussetzungen für eine Regierungszusammenarbeit festschreiben will, ergänzte: "Wir befinden uns in einer Situation, in der der Wind nicht links bläst, sondern von rechts kommt. Ein Bollwerk mit geringer Aussicht auf eine progressive Mehrheit wäre Flucht aus der Verantwortung." Auch ihm werde der Abschied vom Dogma ‚,Niemals mit der FPÖ‘ weh tun, doch das sei "Realismus". Dass es die SPÖ dabei zerreißt, glaubt Kaiser nicht, "wenn man den Kriterienkatalog anwendet und den Koalitionspakt einer Urabstimmung oder einem Parteikonvent unterwirft".
"SPÖ/FPÖ weniger unappetitlich als ÖVP/FPÖ"
Dass der Widerstand gegen Rot-Blau bröckelt, zeigen auch andere Stellungnahmen. Robert Misik, einer der Hauptorganisatoren der Proteste gegen Schwarz-Blau im Jahr 2000 und Biograf von SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern, sagt: "Rot-Blau darf nur die allerletzte Option sein." Im Vergleich zu einer schwarz-blauen Koalition wäre eine Zusammenarbeit der Sozialdemokratie mit den Freiheitlichen aber "weniger unappetitlich".
Werden Parteimitglieder über Rot-Blau befragt?
Der von Bundeskanzler Christian Kern eingesetzte Parteireformdenker Michael Schickhofer erntete unterdessen vorsichtige Zustimmung für seinen Plan, dass die Parteimitglieder über eine Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ abstimmen sollen. So erklärte Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl: "Ich begrüße eine Mitgliederbefragung auf Bundesebene." Zurückhaltender, aber nicht ablehnend die Stellungnahme der Tiroler SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik: "Ja, warum nicht?"
Was wird aus Kerns Wunschvariante Rot-Grün-NEOS?
Unklar ist die Haltung von Kern zu diesem Thema. Im Februar gab SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler bei einem Hintergrundgespräch zur strategischen Ausrichtung der SPÖ bekannt, dass Kern von links in Richtung Mitte rücken und dort Wähler von FPÖ und ÖVP holen solle. "Das Ziel ist eine Mehrheit Rot-Grün-NEOS, weil wenn man eine alternative Mehrheit hat, ist das Regieren viel einfacher", sagte Niedermühlbichler damals. Das war allerdings noch zu einem Zeitpunkt, wo Rot-Schwarz noch regierte und vorgezogene Neuwahlen noch kein Thema waren. Gut möglich, dass sich die Strategie Niedermühlbichlers mittlerweile völlig geändert hat.
NEOS-Chef Strolz wünscht sich Schwarz-Grün-Pink
Matthias Strolz kann sich unterdessen nach der Nationalratswahl im Herbst eine Dreier- Koalition seiner Partei mit der ÖVP und den Grünen vorstellen. Eine solche wäre "ein großer Fortschritt", so der NEOS-Chef am Samstag in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast". Rot-Grün-NEOS wäre für Strolz "auch okay". Mit der FPÖ ginge sich eine Koalition programmatisch nicht aus.
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