"Ich habe so einen Wahlkampf noch nicht erlebt", "Das ist keine Affäre Silberstein mehr, das ist eine Affäre Kern": Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist am Sonntagabend bei der "Elefantenrunde" auf ATV zur Nationalratswahl wegen der Causa Silberstein von den Spitzenvertretern der anderen Parteien ordentlich in die Mangel genommen worden. So standen die zahlreichen Turbulenzen im SPÖ-Wahlkampf wenig überraschend im Mittelpunkt der TV-Debatte. Kern zeigte zwar erneut "null Verständnis für den Vorgang", versuchte aber zugleich mit wenig Erfolg, auch seine Kontrahenten mit ins "Dirty Campaigning"-Boot zu holen.
Nach der schmutzigen Causa Silberstein und dem Rücktritt von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler zwei Wochen vor dem Wahltag hatte Kern erwartungsgemäß einige Fragen zu beantworten. Er gestand dann gleich zu Beginn der Sendung ein, dass "wir nicht gerade einen Lauf gehabt haben". "Das ist danebengegangen", so Kern. Die Konsequenz sei gewesen, dass Niedermühlbichler als Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter zurückgetreten ist.
Der durch die Turbulenzen sichtlich angeschlagene Parteichef warnte aber zugleich erneut vor Schwarz-Blau. "Ich werde mich bemühen, zu den Themen zu gelangen, die die Menschen interessieren", sagte Kern. Er wolle von den "Polit-Blasen-Themen" wegkommen und eine schwarz-blaue Regierung verhindern.
Kern: "Sind aus meiner Sicht die ganz wesentlich Geschädigten"
Der Frage, ob er von den Vorgängen im Wahlkampfteam gewusst habe, wich der SPÖ-Chef aus, betonte allerdings erneut, dass seine Partei alles aufklären werde. Kern wiederholte größtenteils seine Erklärung von der Pressekonferenz am Sonntagnachmittag: Er versprach Aufklärung, deutete aber auch die Beteiligung anderer Parteien an. "Wir sind aus meiner Sicht die ganz wesentlich Geschädigten", er habe dafür "genauso wenig Verständnis wie der Rest der Öffentlichkeit".
Video: Die Kern-Erklärung zur Causa Silberstein
Kurz: "SPÖ hat fragwürdige Wahlkampfmethoden importiert"
ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz, der als Nächster an der Reihe war, sagte, dass die SPÖ mit Silberstein fragwürdige Wahlkampfmethoden "importiert" habe. Es sei inakzeptabel, dass etwa in seinem Privatleben herumgeschnüffelt werde. Die SPÖ habe immer behauptet, dass Silberstein nur Daten analysiere - das sei offenbar unwahr.
Kurz sagte weiter, er habe bereits vor einem halben Jahr kritisiert, dass hier "Methoden stattfinden, die bei uns keinen Platz haben sollten". Die ÖVP sei sogar mit Facebook in Kontakt gewesen, um die Seite löschen zu lassen, was nicht möglich war. Dass Niedermühlbichler letztlich die Verantwortung übernommen hat, sei ein in Österreich seltener Fall, fand Kurz auch lobende Worte. Detail am Rande: Der ÖVP-Chef erklärte, dass er lange vermutet habe, dass eine der Seiten von der FPÖ stammt, "weil dort antisemitische Inhalte zu finden waren".
Kurz weicht "Maulwurf"-Frage wortreich aus
Der Frage, ob er ausschließen könne, dass der "Maulwurf" in der SPÖ von der ÖVP beauftragt wurde, wich Kurz in gewohnter Manier wortreich aus. Es müsse geklärt werden, wer 500.000 Euro für "Dirty Campaigning" ausgegeben habe, so Kurz. "Ich wüsste natürlich gern, wenn es der Herr Niedermühlbichler nicht war, wer war es?" Anmerkung der Redaktion zum "Maulwurf": In der SPÖ gibt es die These - zuletzt auch von Burgenlands Landeschef Hans Niessl geäußert - , dass die Volkspartei einen oder mehrere "Maulwürfe" ins Team Silberstein eingeschleust hat - und diese nun auspacken würden.
"Das ist keine Silberstein-Affäre mehr, das ist eine Kern-Affäre" - so reagierte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der ATV-"Elefantenrunde" auf die Causa Silberstein. Für ihn sei "der absolute Tiefpunkt politischer Unkultur" erreicht. Strache verwies auf das Frühjahr, als die SPÖ noch Zusammenhänge mit Silberstein vom Tisch gewischt habe. "Es gibt hier ganz klar, auf dem Tisch liegend, Facebook-Fake-Seiten, die Hass schüren", erklärte er nun.
Strache: "Das kauft dem Herrn Kern niemand ab"
Dass Kern nichts davon gewusst habe, glaubt der FPÖ-Chef nicht. Dass der SPÖ-Chef von "Hetze und Hass" im Netz nichts gewusst haben soll, "das kauft dem Herrn Kern niemand ab", so Strache. Einen Rücktritt Kerns, den Strache schon vor der Sendung am Sonntagabend im Zusammenhang mit der Causa Silberstein gefordert hatte, könne der SPÖ-Chef seiner Partei nicht antun, soweit sei er, Strache, "Realpolitiker". Methoden des "Dirty Campaigning" hätten in der politischen Kultur Österreichs aber nichts verloren, stellte Strache klar.
Kern versuchte im Verlauf der Sendung, mit Postings von der Facebook-Seite "Die Wahrheit über Christian Kern" das Thema "Dirty Campaigning" als parteienübergreifendes Problem zu diskutieren - wohl um die SPÖ aus dem Schussfeld zu nehmen. So habe er "null Verständnis für den Vorgang", merkte aber zugleich den "merkwürdige Umstand" an, dass die Seiten just dann rassistisch und antisemitisch wurden, als die Arbeit mit Silberstein beendet wurde. Ihn würde interessieren, wer dahintersteckt. Kurz legte der SPÖ-Chef dann einen Packen ausgedruckter Screenshots aufs Rednerpult.
Kern: "Geschichte erstunken und erlogen"
Konkret zeigte Kern Screenshots der Seite "Die Wahrheit über Christian Kern", die ebenfalls hetze. Der SPÖ-Chef nannte angebliche Schmutzkübelkampagnen gegen ihn und seine Familie - und wollte nicht glauben, dass seine Konkurrenten von solchen Methoden nichts wüssten. Ihn störe weniger, wenn Politiker mit langen Nasen abgebildet werden, sondern mehr, wenn Dossiers mit Korruptionsvorwürfen gegen seine Frau verschickt werden. Die ganze Geschichte (Firmenbeteiligungen seiner Frau, Anm.) sei "erstunken und erlogen", so Kern.
Lunacek hätte sich "massive Entschuldigung" von Kern erwartet
Als Nächste meldete sich die Spitzenkandidatin der Grünen, Ulrike Lunacek, zu den SPÖ-Turbulenzen zu Wort: "Herr Kern, ich habe von Ihnen heute schon erwartet, dass Sie sich massiv entschuldigen für das, was da passiert ist." Lunacek forderte noch vor der Wahl eine Bekanntmachung, woher das Geld für die Fake-Facebook-Seiten gekommen ist. Nicht nur Kern in die Kritik nehmend, wies Lunacek zudem darauf hin, dass Kurz nicht beantwortet habe, ob der "Maulwurf" aus der ÖVP gekommen sei.
Pilz: "Habe so einen Wahlkampf noch nicht erlebt"
Auch der Ex-Grüne Peter Pilz, der mit seiner neu gegründeten Liste Pilz bei der Nationalratswahl kandidiert, zeigte sich von den Vorgängen in der SPÖ erschüttert: "Ich habe so einen Wahlkampf noch nicht erlebt", sagte er in der ATV-Sendung. Es sei eine "absolute Schande" - nicht nur von einer Partei, wie er präzisierte. Er will sich aber lieber um die wichtigen Themen für die Bürger kümmern, so Pilz. Sein Vorschlag lautete deshalb: "Reden wir kurz darüber, aber je schneller wir zu den wesentlichen Themen dieser Republik kommen, desto besser ist es für uns".
Strolz hätte Silberstein nicht die Türe geöffnet
NEOS-Chef Matthias Strolz kam als Letzter der Spitzenkandidaten zu Wort. Auf Bundesebene habe Tal Silberstein bei den NEOS noch keinen Fuß über die Türschwelle gewagt, so Strolz. "Ich habe eine gute Menschenkenntnis", begründete er, warum Berater wie Silberstein bei ihm kein Gehör finden würden. Der NEOS-Chef habe eine bewusste Entscheidung getroffen, den Israeli nicht als Berater zu engagieren.
Abschließend noch ein heiteres Detail von der "Elefantenrunde": Während der Debatte um die SPÖ-Turbulenzen schlug FPÖ-Chef Strache den als Aufdecker gefürchteten Peter Pilz für die von Kern angekündigte Taskforce zur Causa Silberstein vor. Pilz werde wohl, so Strache scherzend, nach dem 15. Oktober viel Zeit haben ...
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