45 Jahre waren sie verheiratet, 45 Jahre nebeneinander einschlafen und nebeneinander aufwachen, gemeinsam frühstücken, eine Familie gründen, Urlaube planen. Und dann hatte Elfriede K. ihren Ehemann von einem Tag auf den anderen satt. Seine Klagen, sein Alzheimer, seine Unfähigkeit. Mit einem Küchenmesser stach die 63-Jährige aus Mariazell den Mann nieder, ließ ihn im gemeinsamen Garten verbluten.
Krankhaft eifersüchtig, paranoid, brutal: Der 26-jährige Bosnier aus Kapfenberg überwachte seine Frau rund um die Uhr, kontrollierte ihr Handy, sperrte sie in der Wohnung ein. "Du hast einen anderen", brüllte er, nahm ein Elektrokabel, legte es ihr um den Hals und zog zu. Schwer verletzt konnte sie flüchten.
Er liebte sie, sie ihn nicht mehr. Also holte sich der 29-jährige Steirer, was sie ihm verweigerte, eben mit Gewalt. Er presste ihr den Polster ins Gesicht, vergewaltigte sie zweimal. "Wenn du etwas erzählst, schlitze ich dir die Kehle auf." Sie tat es trotzdem.
Wie im "Schöner wohnen"-Magazin
Drei Tragödien, drei Festnahmen, drei Verurteilungen - und die Gattenmörderin, der Paranoide und der Vergewaltiger haben eines gemeinsam. Sie leben derzeit an einem lichtdurchfluteten Ort mit Designersofas, begrünten Spazierhöfen und Fitnessräumen. Als hätte sie jemand aus der U-Haft entführt und in ein "Schöner wohnen"-Magazin eingesperrt. Denn die Justizanstalt Leoben in der Steiermark sieht nicht aus wie ein Gefängnis, sie sieht aus wie ein Vier-Sterne-Wellnesshotel mit Wohlfühlcharakter. Hier spielen Kinderschänder gegeneinander Tischfußball, hier borgen sich Drogendealer in der Bibliothek Bildbände aus, hier genießen Serienvergewaltiger auf der Sonnenterrasse ein bisschen die Frühlingsluft.
Man hat entweder viel richtig oder viel falsch gemacht, wenn die ganze Welt nach Leoben blickt. Wenn selbst Brasilien ein Fernsehteam in die Steiermark schickt. Wenn das "Time Magazine" die edle Architektur lobt. Wenn Georgier im Internet mit den Fotos Kriminelle anwerben: "In Leoben bleibt man freiwillig, da bricht man nicht aus." Und was für Aufnahmen das sind. Wie eine Diashow aus dem letzten Familienurlaub. Ein Schlafzimmer mit Panoramafenster und Glasdusche, ein Spazierhof mit einer grünen Wieseninsel in der Mitte, bunte Sitzkuben, Zierpflanzen, Fernsehapparate an den Wänden.
Gourmet-Paradies und Gratis-Ärzte
159 Kilometer entfernt geht ein Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte, durch das Gefängnis in der Wiener Josefstadt. Hier sieht es nicht aus wie in einem Katalog für Luxusimmobilien, hier ist alles ein bisschen dunkler und enger. "Der Luxus hier hat ein anderes Gesicht", sagt er. Im "Landl" landen alle: kleine Fische und Tiefseemonster, Kleinganoven und Bestien.
Die Männer und Frauen müssen auf die Freiheit verzichten, aber sonst auf nicht viel. Zu essen gibt es Normalkost, Diätkost, Moslemkost, Veganerkost, rituelle Kost. Für die Neuen stehen vom ersten Tag an Sozialarbeiter, Pflichtverteidiger, Psychologen, Seelsorger und alle Ärzte zur Verfügung. "Nach den Taten lassen sich viele hier grundsanieren", sagt der Insider. "Viele Opfer haben nicht so viel Hilfe."
Alfred Steinacher von der Vollzugsdirektion kann diese Luxusgeschichten nicht mehr hören. "Gerade Leoben ist modern und sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand. Jeder Gang ist einsehbar", erklärt er. Aber trotzdem hatten die Georgier auf ihrer Werbe-Homepage nicht ganz Unrecht. Ausbrechen wollte bis zum heutigen Tage niemand.
von Michael Pommer, Kronen Zeitung
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