Teuerungs-Paket

Experten warnen vor Halbierung der MwSt

Österreich
28.08.2008 13:18
Mehrere Steuerexperten haben am Dienstag die von der SPÖ geforderte Halbierung des Mehrwertsteuersatzes auf Lebensmittel – der teuerste Posten in Faymanns Fünf-Punkte-Paket (siehe Infobox) – unter die Lupe genommen. Zusammen zeichnen sie ein eher kritisches Bild. Neben rechtlichen Bedenken hinsichtlich einer EU-Richtlinie, sprechen sich mehrere Experten für Direktzahlungen als Alternative zur Senkung aus.

Skeptisch zeigt sich der Steuerexperte Karl Bruckner. „Ich glaube, dass die soziale Treffsicherheit nicht sehr groß ist, man hat enorme Mitnahmeeffekte“, gibt Bruckner von der BDO Auxilia Treuhand zu bedenken. Es wäre treffsicherer, den wirklich bedürftigen Bevölkerungsschichten wie Mindestpensionisten und Ausgleichszulagenbeziehern Direktzahlungen zu leisten, meint er.

Bei einer Steuersenkung auf Lebensmittel würden alle entlastet, die Lebensmittel kaufen - auch Kaviar und Lachs wären dann nur mehr mit fünf statt mit zehn Prozent versteuert, gibt Bruckner zu bedenken. Die Mitnahmeeffekte könnte man nur begrenzen, wenn „Luxuslebensmittel“ ausgenommen würden.

Sollte die MwSt auf Lebensmittel tatsächlich gesenkt werden, dann sollten parallel dazu Maßnahmen der Preisbeobachtung und Preiskontrolle gesetzt werden. Dadurch müsste sichergestellt werden, dass die Steuersenkung wirklich vom Handel weitergegeben werde, fordert Bruckner. Auch bei der Einführung der Mehrwertsteuer habe es derartige Maßnahmen gegeben.

Auch Linzer Studie für Direktzahlungen
Direktzahlungen für Bezieher unterer Einkommen wären sozial treffsicherer und wirkungsvoller als eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von 10 auf 5 Prozent, heißt es auch in einer Studie von Univ.-Prof. Friedrich Schneider und Assistent Michael Holzberger von der Johannes Kepler-Universität in Linz, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

In der Studie werden die Auswirkungen einer Direktzahlung für untere Einkommen als Kompensation für gestiegene Inflation berechnet. Angenommen wird eine Summe von 750 Mio. Euro - also jener Betrag, den eine MwSt-Senkung auf Lebensmittel (ohne Gastronomie) kosten würde. 25 Prozent (= 877.000) der rund 3,5 Mio. österreichischen Haushalte verfügten im Jahr 2006 über ein jährliches Haushaltseinkommen von weniger als 17.109 Euro. 10 Prozent (= 350.800) der Haushalte über ein jährliches Haushaltseinkommen von weniger als 11.230 Euro.

Verteilt man das Volumen der MwSt-Senkung auf Lebensmittel (ohne Restaurants), also 750 Mio. Euro auf das sozial schwächste Viertel der österreichischen Haushaltseinkommen, so ergibt sich eine jährliche Gutschrift pro Haushalt in Höhe von 855,2 Euro. Diese 855,2 Euro stehen diesen Haushalten pro Jahr zusätzlich zur Verfügung und fließen wiederum in den heimischen Konsum bzw. werden zu einem geringen Teil gespart. Diese 855,2 Euro würden rund 5 Prozent des gesamten verfügbaren Haushaltseinkommens der hier herangezogenen Haushalte entsprechen. Bei Haushalten mit einem Nettojahreseinkommen bis 11.230 Euro würde die Gutschrift sogar schon 7,6 Prozent des Jahresnettoeinkommen entsprechen.

Bei 100 Euro Einkauf würde man sich fünf Euro ersparen
Auch aus der Sicht des Wirtschaftsforschers Josef Baumgartner vom WIFO-Institut ist die Halbierung „keine sozial sehr treffsichere Maßnahme“. Bei einem Hundert-Euro-Einkauf von Lebensmitteln würde man sich dadurch fünf Euro ersparen. Der Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts zweifelt gegenüber dem Ö1-Radio aber daran, dass der Handel die Senkung des Steuersatzes voll an die Konsumenten weitergeben würde.

„Es ist von vornherein nicht gewährleistet, dass der Handel das eins zu eins weitergeben wird. Es ist daher nicht zwingend notwendig, dass das wirklich beim Konsumenten landet. Zumindest ein Teil davon kann auch beim Handel bleiben“, so Baumgartner. So könnten die Handelsketten die Preise vor der Steuersenkung erhöhen und dann de facto nur diese Erhöhung bei der Absenkung der MwSt wieder zurücknehmen. Da es keine regelmäßige Preiskontrolle in den Supermärkten gibt, sei das kaum auszuschließen.

Auch betreffend der sozialen Treffsicherheit der Maßnahme hegt Baumgartner Bedenken: „Absolut gesehen geben ja Haushalte mit hohem Einkommen mehr für die Nahrungsmittel aus - das heißt, in Euro gerechnet würden sie auch stärker von der Mehrwertsteuersenkung profitieren als Haushalte mit niedrigeren Einkommen. Die geben zwar anteilsmäßig mehr von ihrem Einkommen aus, aber von der absoluten Summe her ist es weniger“.

EU könnte Probleme bei Gesetzesumsetzung machen
Probleme sieht der Wirtschaftsforscher auch bei der gesetzlichen Umsetzung. Laut EU-Recht gibt es neben dem normalen Mehrwertsteuersatz - in Österreich 20 Prozent - nämlich nur zwei ermäßigte Mehrwertsteuersätze, und diese habe Österreich bereits jetzt ausgereizt: mit dem zehnprozentigen Steuersatz auf Lebensmittel, Mieten, Medikamente und einiges mehr und einem zwölfprozentigen Steuersatz auf den Ab-Hof-Verkauf von Wein. 

Will man die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auf fünf Prozent halbieren, gebe es nur zwei Möglichkeiten, meint Baumgartner: Entweder man schafft die Sonderstellung des Ab-Hof-Verkaufs von Wein ab. Da erwartet Baumgartner aber politischen Widerstand: Den Bauernvertretern müsse wohl etwas angeboten werden, dass sie auf diese Erhöhung bei der Mehrwertsteuer für Wein ab Hof einsteigen würden. Die zweite Möglichkeit wäre die Halbierung des Mehrwertsteuersatzes für alle Produkte, die zur Zeit mit zehn Prozent besteuert sind, also auch für Medikamente, Mieten oder Bücher - aber das würde 2,5 Milliarden Euro jährlich kosten.

FM: Totale Steuersenkung wegen Wein und Mieten unmöglich
Die Reduktion des Steuersatzes für „ab Hof verkauften Wein“ ist laut dem (ÖVP-geführten) Finanzministerium aber nicht möglich. Bei den derzeit gültigen 12 Prozent handle es sich um eine Ausnahme für Österreich. Grundsätzlich sei laut EU-Richtlinie bei alkoholischen Getränken überhaupt kein reduzierter Mehrwertsteuersatz zulässig, so Ministeriumssprecher Harald Waiglein. Wolle man die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel senken, seien steuerrechtliche Anpassungen notwendig, um die EU-Richtlinie nicht zu brechen. Den einzig dafür gangbare Weg ist nach Meinung Waigleins die Anhebung der Steuer für „ab Hof verkauften Wein“. 

Eine Reduktion für alle 10%-Steuer-Produkte auf fünf Prozent wäre ebenfalls nicht möglich, da es für Mieten eine Sonderregelung gebe. Demnach darf der entsprechende Steuersatz ein Minimum von zehn Prozent nicht unterschreiten, erklärte er. Außerdem verweist Waiglein auf die ungleich höheren Kosten, die im Falle einer Senkung der Steuersätze für die gesamte Produktgruppe entstehen würden.

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