Zum Abschluss der Regierungsklausur in Mauerbach haben sich ÖVP und FPÖ auf eine Reform der Mindestsicherung verständigt, die mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist. Für EU-Ausländer wird eine fünfjährige Wartefrist etabliert, Flüchtlinge müssen ausreichende Deutschkenntnisse (B1-Niveau) vorweisen, um die Leistung in der Höhe von 863 Euro von Anfang an in voller Höhe beziehen zu können. Sollten keine geeigneten Kenntnisse vorgewiesen werden, plant die Regierung 300 Euro weniger auszuzahlen. Eine Besserstellung soll es hingegen für Alleinerziehende geben, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Montag erläuterten.
Die Maximalhöhe der Mindestsicherung (für Familien) soll unter anderem durch eine Senkung der Kinderzuschläge erreicht werden. So gibt es künftig für das erste Kind nur 25 Prozent Leistung, für das zweite 15 und ab dem dritten gerade noch fünf Prozent. Bessergestellt werden Alleinerzieher, die neben der Basisleistung für das erste Kind einen Bonus von maximal 100 Euro, für das zweite 75 Euro, das dritte 50 Euro und für jedes weitere 25 Euro pro Monat erhalten.
Für volljährige im Haushalt lebende Personen gibt es 75 Prozent. Ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person, wenn diese einer anderen Person im Haushalt gegenüber unterhaltsberechtigt ist oder sein könnte, sind 45 Prozent vorgesehen. Eine österreichische Alleinerzieherin mit zwei Kindern soll in Zukunft 1383 Euro statt 1174 Euro bekommen, rechnete die Koalition vor, die davon ausgeht, dass diese degressiven Modelle auch vor dem Verfassungsgerichtshof halten.
Der Bundeskanzler betonte, dass das Ziel der Regierung, wie auch schon im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden sei, ein „gerechteres Sozialsystem“ sei. Das Ziel sei ganz klar, „die Zuwanderung in unser Sozialsystem einzudämmen“. Als Beispiel nannte Kurz den Fall eines anerkannten Flüchtlings, der schlechte Deutschkenntnisse habe. Dieser werde in Zukunft nicht gleich den vollen Betrag in der Höhe von 863 Euro, sondern um 300 Euro weniger kassieren. Vizekanzler Strache erklärte, dass die Sprachkenntnisse durch den Integrationsfonds überprüft würden. Ausgenommen sind Menschen mit psychischer oder physischer Beeinträchtigung oder Betreuungspflichten.
Deckel für Mindestsicherung kommt nicht
Bereits klar war, dass der ursprünglich geplante Deckel für die Mindestsicherung wegen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes - dieser hob im März eine entsprechende Regelung in Niederösterreich auf - nicht kommen wird.
Leistung soll bundesweit vereinheitlich werden
Ziel der Reform der Mindestsicherung ist es, die Leistung bundesweit möglichst zu vereinheitlichen. Man will weg vom derzeitigen System, bei dem jedes Bundesland seine eigenen Regeln aufstellt. Unterschiedliche Beträge soll es künftig nur noch für die Abgeltung der Wohnkosten geben. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sprach bei der Präsentation der Ergebnisse von einem Ende des „Wildwuchses bei den Sozialleistungen“. Angesprochen auf die Sprachkenntnisse meinte die Ministerin, dass es nun nicht mehr möglich sein werde, einen Sprachkurs nur wegen eines Zertifikats zu besuchen, der dann die Berechtigung zur Mindestsicherung sei. Die Ergebnisse der Sprachüberprüfungen sollen über die tatsächliche Berechtigung entscheiden.
Video: Regierungsklausur in Mauerbach
Mindestsicherungskosten in letzten Jahren „explodiert“
Die Notwendigkeit der Reform erklärte die Koalition mit „explodierenden“ Kosten, wie Strache ausführte. Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher sei in den vergangenen Jahren „massiv gestiegen“, verwies auch Kurz auf ein Plus von 60 Prozent seit 2012. „Erschreckend“ ist für den Kanzler auch die Verteilung, nämlich über 50 Prozent in Wien, und davon wiederum die Hälfte Ausländer. Ziel sei es, mehr Anreize zu schaffen, arbeiten zu gehen, aber auch „die Zuwanderung in unser Sozialsystem zu bekämpfen“. „Wer nach Österreich zuwandert, kann nicht vom ersten Tag die volle Mindestsicherung kassieren“, pflichtete Strache bei.
SPÖ: „Anhäufung von Widersprüchlichkeiten“
Kein gutes Haar an den Regierungsplänen ließen SPÖ, NEOS und Grüne. Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) bedauerte, dass die Länder in die Lösungsfindung nicht einbezogen worden seien. Dass die Mindestsicherung an den Spracherwerb gekoppelt werde, hält Kaiser zwar für „grundsätzlich sinnvoll“. Er kritisierte aber, dass gleichzeitig Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse und Integrationsjahr gestrichen würden.
Auch der Gewerkschaftsbund kritisierte, dass das Geld für Deutschkurse gekürzt werde, aber Mindestsicherung nur der bekommt, der gut Deutsch kann. „Die Reformen dieser Regierung sind nichts als eine Anhäufung von Widersprüchlichkeiten“, sagte Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB.
NEOS: „Lawine verfassungsrechtlich bedenklicher Ideen“
Licht und Schatten sieht NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker: „Der Fokus auf mehr Sachleistungen ist positiv, genauso wie die Bemühung, eine bundesweit einheitliche Regelung zu schaffen. Doch die Bundesregierung begräbt diese positiven Ansätze unter einer Lawine von verfassungsrechtlich bedenklichen Ideen, die das ganze Konzept problematisch machen. Mehr noch: Im Spiel mit Ressentiments treibt man Ausländerfeindlichkeit auf die Spitze und vergisst dabei, dass es um eine Verbesserung des Systems für alle in Österreich lebenden Menschen geht. Hier hat man eine riesige Chance vertan, evidenzbasierte Politik zu betreiben.“
Grüne: „Christlich-sozialer Gedanke in der ÖVP endgültig tot“
Grünen-Chef Werner Kogler meinte: „Die Pläne der schwarz-blauen Bundesregierung gefährden den sozialen Frieden in Österreich und sind der direkte Weg in die Armutsfalle. Das wird rechtlich nicht halten. Was übrig bleiben wird, sind Kürzungen bei den Schwächsten.“ Die Regierung gefährde die Zukunft von Tausenden Kindern. „Der christlich-soziale Gedanke in der ÖVP ist damit endgültig tot", schloss Kogler.
Hilfsorganisationen befürchten „Verschärfung der Kinderarmut“
Dass Kinder künftig deutlich weniger Sozialhilfe bekommen sollen, stieß auch bei Hilfsorganisationen auf scharfe Kritik. Der Vorschlag zur Mindestsicherung „ist ein Bekenntnis zu Verschärfung von Kinderarmut“, meinte etwa Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger. Auch die Armutskonferenz warnte davor, dass die Chancen der betroffenen Kinder weiter verschlechtert werden, und betonte zudem, dass nicht nur bei Flüchtlingen gestrichen werde. „Wir haben gerade die aktuellen Zahlen für Niederösterreich bekommen. Nur jede siebente von den Kürzungen betroffene Person ist asylberechtigt. Die Existenzkürzungen betreffen also in erster Linie ,Hiesige‘ und schon längst Dagewesene“, hieß es in einer Aussendung. SOS Mitmensch bezeichnete die geplanten Kürzung als „Angriff auf die soziale Stabilität in Österreich“.
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