Aufschrei in Wien

80.000 Menschen protestierten gegen 12-Stunden-Tag

Österreich
30.06.2018 18:04

Dem Ruf, Widerstand gegen den geplanten 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche zu signalisieren, sind am frühen Samstagnachmittag zahlreiche Menschen gefolgt. Die Demonstranten versammelten sich seit Mittag am Christian-Broda-Platz beim Wiener Westbahnhof. Gegen 14 Uhr, dem Beginn der Demonstration, standen die Teilnehmer bereits bis zur Schottenfeldgasse, um ihren Unmut lautstark kundzutun. Der Marsch in Richtung Heldenplatz verlief bislang vollkommen friedlich. Laut Angaben der Polizei vom späten Samstagnachmittag nahmen rund 80.000 Menschen am Protestmarsch teil, seitens des ÖGB sprach man von mehr als 100.000 Teilnehmern.

Die Großdemonstration auf Initiative des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) ist der vorläufige Höhepunkt im Widerstand gegen die Erhöhung der Maximal-Arbeitszeit. Beschlossen werden sollen die neuen Arbeitszeitregeln kommenden Donnerstag im Nationalrat. Sollte dies eintreten, wurden bereits im Vorfeld Proteste angekündigt. Auch Streiks wollte man nicht ausschließen.

(Bild: Jöchl Martin)
(Bild: Jöchl Martin)

Als Devise hatten sich die Organisatoren: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freizeit klaut“ ausgesucht. Unterstrichen wurde das mit „Nein zum 12-Stunden-Tag“ bzw. „Nein zur 60-Stunden-Woche“-Stickern, T-Shirts und Luftballons.

(Bild: krone.at)
(Bild: krone.at)
(Bild: krone.at)
(Bild: krone.at)

Auch Kern und Ludwig demonstrierten mit
Gekommen war das „Who is Who“ der Gewerkschaft ergänzt um die sozialdemokratische Spitzenpolitik, repräsentiert an der Spitze durch Bundesparteichef Christian Kern (SPÖ) und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Auch zahlreiche Abgeordnete der SPÖ, Mitglieder der Wiener Landesregierung und der niederösterreichische SP-Chef Franz Schnabl scheuten den Marsch Richtung Heldenplatz nicht.

(Bild: APA/Georg Hochmuth, APA, krone.at-Grafik)

„Menschen präsentieren Regierung die Rechnung“
„Nur gemeinsam können wir etwas bewegen“, versicherte zudem der Vorsitzende der Christgewerkschafter, Norbert Schnedl, zu Beginn der Demo, dass man sich nicht auseinanderdividieren lasse. AK-Präsidentin Renate Anderl äußerte in einer kurzen Ansprache auch ihren Ärger darüber, dass die Regierung das Gesetz durchpeitschen wolle. Dies aber würden sich die Menschen nicht gefallen lassen. „Die Menschen präsentieren der Regierung jetzt die Rechnung“, schlug Christian Kern in dieselbe Kerbe. Das zahlreiche Erscheinen der Kundgebungsteilnehmer sei eine Botschaft direkt an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

(Bild: APA/HANS PUNZ)
(Bild: APA/HANS PUNZ)
(Bild: APA/HANS PUNZ)

Friedlicher Marsch, scharfe Wortwahl
Trotz der enormen Vielzahl an Protestteilnehmern lief der Demo-Marsch über die Mariahilfer Straße zum Heldenplatz überaus friedlich ab. Umso schärfer fiel die Wortwahl seitens des ÖGB bei der Kundgebung aus. So rief etwa Helmut Köstinger, Vorsitzender der Postgewerkschaft, dazu auf, die unsoziale und ungerechte Regierung „zu stürzen“. „Die Regierung scheißt auf uns“, bemerkte zudem die Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend Susanne Hofer auf der Festbühne. Der Chef der „younion“ Christian Meidling sprach an, dass mit Anfahrtszeiten Kinder bis zu 14 Stunden auf ihre Eltern warten müssten: „Geht‘s noch liebe Regierung?“

Aufruf zum Sturz „nie dagewesene Grenzüberschreitung“
„Jeder hat das Recht, für seine Anliegen auf die Straße zu gehen. Aufrufe zum Sturz der Regierung sind jedoch eine nie dagewesene Grenzüberschreitung. Hier müssen Kern, Katzian und Muchitsch Verantwortung übernehmen und sich von solchen Aussagen klar distanzieren“, erklärte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer am Samstagnachmittag bezüglich der Aufrufe von Gewerkschaftern, die Regierung zu stürzen. „Wir leben in einer Demokratie. So wie es jedem frei steht für seine Anliegen auf die Straße zu gehen, ist es auch legitimiert, dass eine Parlamentsmehrheit das hält, was sie versprochen hat“, so Nehammer via Aussendung.

Kazian fordert: „Fragt das Volk“
Zum Abschluss der Kundgebung am Heldenplatz forderte Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian die Regierung dazu auf, ein Referendum zu 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche abzuhalten: „Fragt das Volk“, forderte der ÖGB-Präsident die Koalition auf. Er betonte, dass der heutige Tag erst der Anfang der Proteste sei und definitiv nicht das Ende: „Wir werden Widerstand leisten mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.“ Dass sich am Samstag - nach ÖGB-Angaben - mehr als 100.000 Menschen eingefunden hätten, sei ein starkes Zeichen, das auch in der Steiermark gehört werde, sprach Katzian den Regierungsevent in Schladming anlässlich der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft an.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bei der Großdemo (Bild: APA/HANS PUNZ)
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian bei der Großdemo

Köstinger zurückgepfiffen
Ein wenig zurückgepfiffen vom Präsidenten wurde Postgewerkschafter Helmut Köstinger, der den Sturz der Regierung gefordert hatte. Katzian meinte dazu, der ÖGB akzeptiere jede demokratisch gewählte Regierung, aber nicht automatisch jedes von deren Vorhaben. Davor hatte sich schon ÖGB-Vize Nobert Schnedl von Köstinger distanziert. Der Chef der Christgewerkschafter betonte, er sei nicht dafür da, die Regierung zu stürzen, sondern um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern.

(Bild: APA/HANS PUNZ)
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(Bild: APA/Hans Punz)
(Bild: krone.at)

Die Wiener Polizei sprach am späten Samstagnachmittag von 80.000 Demo-Teilnehmer, der ÖGB von mehr als 100.000 Demonstranten. Während erste Teilnehmer bereits wieder vom Heldenplatz abströmten, trafen die letzten des Protestzuges erst vor Ort ein. 

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