Der Eurofighter-Kauf ist nicht nur der teuerste, sondern auch einer der umstrittensten Beschaffungsvorgänge der Zweiten Republik. Von der Kaufentscheidung unter Schwarz-Blau über die zweimalige Reduktion der Stückzahl bis zur Anzeige der Republik gegen Airbus reichen die Turbulenzen, gespickt mit Korruptionsvorwürfen und zahlreichen Pannen. Ab Donnerstag soll der mittlerweile dritte U-Ausschuss neue Erkenntnisse zum Jet-Kauf bringen. Es geht um vermutete unzulässige Zahlungsflüsse.
Der nunmehr dritte, einstimmig eingesetzte Eurofighter-U-Ausschuss soll dort anknüpfen, wo der zweite Untersuchungsausschuss aufgehört hat. Es geht um vermutete unzulässige Zahlungsflüsse im Zuge des Jet-Kaufs, die Informationslage beim Abschluss des Kaufvertrags, die Gründe für die Typenwahl sowie um die Frage, inwieweit den beiden bisherigen Eurofighter-Untersuchungsausschüssen von der jeweiligen Bundesregierung alle Informationen vorgelegt wurden. Außerdem wollen die Abgeordneten die Entscheidungen aus der Amtszeit des damaligen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil (SPÖ) 2016/17 prüfen.
Hier eine Chronologie der bisherigen Ereignisse bzw. Pannen und Skandale rund um die Causa Eurofighter:
2000: Die schwarz-blaue Regierung beschließt die Anschaffung neuer Abfangjäger.
2002: Im Juli fällt die Entscheidung für die Eurofighter als Draken-Nachfolger. Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) beziffert die Kosten für 24 Jets mit 1,791 Milliarden Euro. August: Die Regierung beschließt wegen des Jahrhundert-Hochwassers eine Reduktion von 24 auf 18 Stück. Die Kosten werden später mit 1,969 Milliarden Euro inklusive Finanzierung und allem Zubehör beziffert. Die Gegengeschäfte sollen einen Wert von vier Milliarden Euro ausmachen.
Juli 2003: Der Eurofighter-Vertrag wird unterzeichnet.
Oktober 2006: Der Nationalrat setzt mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen einen Untersuchungsausschuss ein. Gleichzeitig wird die Regierung aufgefordert, die Ausstiegskosten zu eruieren. Die ÖVP unterbricht die Regierungsverhandlungen mit dem Wahlsieger SPÖ, die im Wahlkampf einen Vertragsausstieg versprochen hatte.
2007: Die Regierungsverhandlungen im Jänner enden mit einer SPÖ-ÖVP-Einigung. Das Thema Eurofighter bleibt im Regierungsprogramm ausgespart. Der neue Verteidigungsminister Norbert Darabos bekommt von Kanzler Alfred Gusenbauer (beide SPÖ) den Auftrag, mit dem Rüstungskonzern EADS über einen Ausstieg oder eine Verbilligung zu verhandeln. Im April wird der für die Eurofighter-Einführung zuständige „Airchief“ Erich Wolf vorläufig vom Dienst suspendiert und angezeigt, nachdem eine 87.600-Euro-Zahlung des EADS-Lobbyisten Erhard Steininger an die Firma seiner Frau bekannt wurde.
Nachblind wegen abbestellter Infrarotsysteme
Im Juni 2007 bestätigt Minister Darabos einen Vergleich mit der Eurofighter GmbH. Die Stückzahl wird von 18 auf 15 reduziert. Die ÖVP will dem neuen Deal nicht zustimmen. Einige Tage später verlässt die SPÖ im U-Ausschuss die rot-grün-blaue Allianz, der geplante Mehrheitsbericht zum Abschluss kommt nicht zustande. Im Juli landet der erste österreichische Eurofighter am Fliegerhorst Hinterstoisser im obersteirischen Zeltweg. Darabos verreist demonstrativ nach Mazedonien. Ende Juli taucht eine neue Panne auf: Angesichts abbestellter Infrarotsysteme kommt man zur Erkenntniss, dass die Jets in der Nacht nur eingeschränkt einsatzfähig und dadurch nachtblind sind. Das löst erneut eine heftige politische Debatte aus.
2008: Ein Rechnungshofbericht relativiert im August von Darabos genannte Einsparungen durch den Vergleich und kritisiert Vorgänge bei der Verhandlungsführung. Im Oktober gibt die Staatsanwaltschaft bekannt, die Vorkommnisse rund um den 2002 erfolgten Ankauf neu aufrollen zu wollen.
September 2009: Der letzte der 15 Eurofighter landet am Fliegerhorst Hinterstoisser.
Dutzende Zwischenfälle, drei Notlandungen
2011: Im März stellt die Staatsanwaltschaft Wien ein Strafverfahren gegen den mittlerweile pensionierten „Airchief“ Wolf, dessen Ehefrau, den Lobbyisten Steininger und das Ehepaar Rumpold ein - nach einer späteren Äußerung des Rechtsschutzbeauftragten im Justizministerium eine „unerträgliche Fehlentscheidung“. Mai: Erneute Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien beginnen. Der damalige Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, berichtet, dass es im Zeitraum 2008 bis 2011 bereits 68 Zwischenfälle, alleine 2010 insgesamt drei Notlandungen, mit den Eurofightern gab. Darunter: Verlust von Hydraulik-Flüssigkeit, Probleme mit der Treibstoffversorgung, Ausfall des Bordcomputers usw.
November 2012: Einsetzung der Taskforce Eurofighter-Vertrag im Verteidigungs- sowie der Taskforce Gegengeschäfte im Wirtschaftsministerium.
März 2013: Der Rechnungshof kritisiert abermals den Darabos-Vergleich, aber auch die mangelnde Einsatztauglichkeit von Flugzeugen und Piloten. Wenig später muss ein komplettes technisches Upgrade durchgeführt werden. „Spiegel Online“ berichtet, dass die Schleudersitze der deutschen Eurofighter Probleme mit den Absprengkapseln hätten.
„Eurofighter, du schönster aller Vögel, warum quälst du mich so?!?!?!“
2014: Die Airbus Group, vormals EADS, schließt im Februar ihre interne Prüfung zu angeblichen Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Eurofighter an Österreich ab. Über den Inhalt des Berichts gibt es keine Informationen. Laut Medienberichten soll eine britische Firma namens City Chambers Limited in den Jahren 2003 bis 2009 rund acht Millionen Euro für Lobbying in Österreich kassiert haben. Im Oktober 2014 muss ein Eurofighter am Flughafen Innsbruck wegen eines defekten Ventils notlanden. Andreas Strobl, Sprecher des damaligen Verteidigungsministers Gerald Klug (SPÖ), klagt auf Twitter: „Eurofighter, du schönster aller Vögel, warum quälst du mich so?!?!?!“
„Bohrloch-Affäre“ und andere Pannen
2015: Das Wirtschaftsministerium folgt einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs und veröffentlicht alle Eurofighter-Gegengeschäfte. Unterdessen bringt die deutsche Bundeswehr die „Bohrloch-Affäre“ ins Rollen. So seien „Fertigungsmängel im Bereich der Verbindung zwischen dem Seitenleitwerk und dem Rumpf“ festgestellt worden, berichtet im Oktober die „Süddeutsche Zeitung“. Aus Österreich heißt es dazu, man habe das Problem bereits 2014 bei Routinekontrollen festgestellt, werde aber den Flugbetrieb fortsetzen. In Deutschland wird im Herbst ein weiterer Zwischenfall gemeldet: Der rechte Außentank des Flugzeugs sei „beim Rollen zur Startposition“ auf dem Rollweg abgefallen, bestätigt das Verteidigungsministerium. Bei der Überprüfung aller Maschinen habe man festgestellt, dass „das notwendige Drehmoment“, also die Anzugstärke der Schrauben an der Haltevorrichtung für den Außentank, „nicht vorhanden war“.
Minister erstattet Anzeige gegen Airbus
2017: Im Februar wird der Bericht der Taskforce Eurofighter veröffentlicht. Das Verteidigungsministerium unter Ressortchef Doskozil erstattet Anzeige gegen Airbus. Es geht um den Verdacht auf arglistige und betrügerische Täuschung unter anderem beim Kaufpreis der Jets. Die Republik Österreich schließt sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte an und verlangt Schadenersatz in Millionenhöhe.
Wie frech die Firma Eurofighter abkassierte
Die „Krone“ deckt zudem auf, wie unverschämt die Jet-Hersteller mit Ersatzteilen, Service und einem „Geister-Lagerhaus“ das Heeresbudget im Laufe der Jahre plünderten. So verrechnete die Eurofighter GmbH etwa 14.554 Euro für eine Gummidichtung (neun Zentimeter Durchmesser). Erst als die interne Revision des Heeres stutzig wird, gibt es einen Preisnachlass: Das Ringerl kostet nur noch 127 Euro. Derartige Rechnungen seien „irrtümlich“ ausgestellt worden, rechtfertigt sich die Eurofighter GmbH.
Im März 2017 setzt der Nationalrat auf Verlangen von Freiheitlichen und Grünen einen neuen U-Ausschuss ein. Die Zeugenbefragungen fördern nur wenig Neues zutage, wegen der Neuwahl im Herbst kann der Ausschuss nicht alle Themen abarbeiten und wird im Juli beendet. Verteidigungsminister Doskozil verkündet im Juli das Aus für die Eurofighter ab 2020. Künftig soll es nur noch eine statt zwei Jet-Flotten geben. Eine Sonderkommission empfiehlt 15 einsitzige und drei doppelsitzige Überschallflugzeuge.
Heer muss Eurofighter Ende 2021 stilllegen
2018: Die Staatsanwaltschaft München stellt im Februar das jahrelange Schmiergeldverfahren gegen Airbus wegen des Eurofighter-Verkaufs an Österreich ein - gegen ein Bußgeld von 81 Millionen Euro. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien wegen Betrugs, Bestechung, Geldwäscherei und Untreue laufen weiter. Der neue Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) setzt abermals eine Kommission ein, um alle Optionen der aktiven Luftraumüberwachung zu prüfen. Anfang August steht fest, dass das Bundesheer seine Eurofighter Ende 2021 stilllegen muss. Die Nachrüstung für einen Betrieb über dieses Datum hinaus würde demnach 200 Millionen Euro kosten. Wie die „Krone“ im August berichtet, gibt es nunmehr vier Varianten für die künftige Luftraumüberwachung.
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