„Du bist ein Bobo“

Erste SP-Politiker offen gegen Rendi-Wagner/Drozda

Österreich
27.09.2018 14:35

Lange hat der innerparteiliche Friede nach der Ernennung von Pamela Rendi-Wagner zur neuen SPÖ-Parteichefin nicht gehalten. Vor allem die Bestellung von Thomas Drozda zum neuen Bundesgeschäftsführer und der gleichzeitige Abgang von Max Lercher stoßen einigen roten Funktionären jetzt sauer auf. „Mit Verlaub, Thomas: Du BIST ein BOBO!!!! Aber hey, manche sind große Menschen, manche sind Menschen aus der großen Stadt“, schrieb etwa die steirische Landtagsabgeordnete Michaela Grubesa auf Facebook. Als „Bobos“ werden - wenig schmeichelhaft - Angehörige des städtischen Bürgertums bezeichnet, die sich zwar gerne alternativ geben, von der linken Parteibasis der SPÖ allerdings weit entfernt sind.

In der steirischen SPÖ herrscht vor allem Unmut über die Ablöse des aus der Steiermark stammenden Lercher als Bundesgeschäftsführer durch den SPÖ-Abgeordneten und früheren Minister Drozda, der am Mittwochabend im „ZiB 2“-Interview angekündigt hatte, dass man das „Profil der SPÖ schärfen“ werde.

In der SPÖ kehrt vorerst keine Ruhe ein. Vor allem die Wiener SPÖ und die steirische Landesorganisation wettern gegen die Parteispitze rund um Pamela Rendi-Wagner und Thomas Drozda. (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER, APA/HANS PUNZ, APA/GEORG HOCHMUTH, facebook.com, krone.at-Grafik)
In der SPÖ kehrt vorerst keine Ruhe ein. Vor allem die Wiener SPÖ und die steirische Landesorganisation wettern gegen die Parteispitze rund um Pamela Rendi-Wagner und Thomas Drozda.

Grubesa auch Mitglied im SPÖ-Bundesparteivorstand
Während der steirische Landeschef Michael Schickhofer die Kritik an dieser Entscheidung öffentlich in höfliche Worte verpackte, wurde die steirische Landtagsabgeordnete Michaela Grubesa auf Facebook deutlicher (siehe Posting unten). Grubesa ist auch Mitglied im SPÖ-Bundesparteivorstand und war eine jener steirischen Vertreterinnen, die sich bei Drozdas Nominierung der Stimme enthielten.

Grubesa über Drozda: „Ein Akademiker im Anzug“
Diese Entscheidung habe etliche Genossinnen und Genossen irritiert, schreibt Grubesa reflektierend. „Mit großem Unverständnis blicken wir nun in eine ursprünglich progressive, junge Löwelstraße (den Standort der SPÖ-Zentrale in Wien, Anm.) und sehen dort ... den Inneren Bezirk.“ Es sei bitter, dass Lercher, der auch „einfache Menschen“ außerhalb der Wiener Ringstraße repräsentiert habe, gehen muss. „Stattdessen arbeitet dort ab heute jemand, der sicher jedes große Shakespeare-Zitat in fünf verschiedenen Sprachen auswendig kennt. Ein Akademiker im Anzug. Warum er einen Steirer in Jeans und Hoodie, der den Portier mit ,Meine Verehrung‘ grüßt, ersetzen soll, kann der Großteil der Partei weder verstehen noch akzeptieren“, so die steirische SPÖ-Abgeordnete.

Thomas Drozda (Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)
Thomas Drozda

Drozda hätte im Bundesparteivorstand in der zweistündigen Debatte um die eigene Person laut Grubesa auch anderes sagen können als „Hier sind ein paar kurze Anekdoten, die erklären, dass ich kein Bobo bin“, oder „Ich bin 53, ich brauche das gar nicht“. Man hätte sich ein politisches Statement und Visionen für die Zukunft der Partei sowie ein Danke gewünscht. Drozda selbst wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.

„Bobos“: Links, aber bitte nicht zu links
Der Begriff „Bobo“ wurde Ende der 1990er für die junge US-amerikanische Oberschicht in den Großstädten geprägt und setzt sich aus den Wörtern „bourgeois“ und „bohémien“ zusammen. In Wien kam das Wort erst in den späten 2000ern auf und wurde bezeichnend für die junge Einwohnerschicht in Bezirken wie Neubau, Mariahilf oder Alsergrund. Den „Bobos“ wurde dabei häufig der Vorwurf gemacht, sich Subkulturen diverser Stadtviertel einzuverleiben, bis diese von der Bildfläche verschwunden sind. Sie gelten zudem als Vorgänger der Hipster und pflegen zwar prinzipiell eine alternative Grundeinstellung, können aber in gewissen Punkten sehr konservativ sein.

Ludwig über SPÖ-Rochaden: „Da kommt keine Jubelstimmung auf“
Auch die Wiener SPÖ fremdelt mit dem personellen Umbau an der Parteispitze. „Da kommt keine Jubelstimmung auf, nicht nur bei mir“, meinte Bürgermeister Michael Ludwig in einem „Heute“-Interview. Auf die Frage, wie die designierte Parteichefin Rendi-Wagner an der Basis ankomme, meinte Ludwig: „Jeder muss sich in der Praxis beweisen. Sie ist sehr sympathisch, telegen und kompetent, jetzt muss sie auch auf die Leute zugehen.“ Die Wiener SPÖ sei als „loyale Organisation“ bekannt, „aber wir wollen auch etwas“. Er meine damit „inhaltliche Dinge“, das werde er Rendi-Wagner aber persönlich sagen, so Ludwig.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (Bild: APA/HANS PUNZ)
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig

Ultralinke Sektion Acht weint Lercher nach
Die ultralinke Wiener Sektion Acht bedauerte wiederum die Ablöse Lerchers und lobte dessen neunmonatige Arbeit als SPÖ-Bundesgeschäftsführer. Alles, was die SPÖ-Bundesgeschäftsstelle Jahrzehnte nicht auf die Reihe bekommen habe, sei unter Lercher plötzlich vom Stapel gelaufen, schrieb die Vorsitzende Eva Maltschnig in einem Blog-Eintrag. „Er fühlte sich durch Kritik nicht persönlich beleidigt, sondern nahm sie als Ansporn, besser zu werden“, so Maltschnig weiter.

Lercher: „Konzentrieren wir uns darauf, was zählt: Unsere Sache
Lercher wiederum rief die Funktionäre dazu auf, an einem Strang zu ziehen. „Es geht nicht um mich. Wir haben eine großartige Vorsitzende und eine Chefin sucht sich selbst ihr Team. Konzentrieren wir uns auf das, was zählt: unsere Sache. Die nur dann erfolgreich sein kann, wenn wir gemeinsam für sie einstehen“, schrieb er am Donnerstagnachmittag auf Facebook. Was die SPÖ jetzt brauche, seien Geschlossenheit, Zusammenhalt, brennende Herzen und kühle Köpfe.

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