„Nicht muslimisch“

Neue Migranten-Partei will die Politik aufmischen

Wien
22.10.2018 12:53

Neuer Anlauf für eine Migranten-Partei in Wien: Der streitbare Ex-Vizechef der Union Europäisch-türkischer Demokraten (UETD), Hakan Gördü, will in der Bundeshauptstadt eine „breite Migrantenliste“ gründen, die sich „gegen Fremdenfeindlichkeit und Sündenbockpolitik“ einsetzt. Gördü saß auch im Team der Liste Gemeinsam für Wien (GFW), die zwar bei der Wien-Wahl 2015 am Einzug in den Landtag gescheitert war, aber immerhin in drei Bezirken ein Mandat eroberte. Als „muslimische Partei“ will Gördü die neue Liste, die noch keinen Namen hat, nicht verstanden wissen.

Menschen mit Migrationshintergrund sind in Österreichs Politik noch immer stark unterrepräsentiert. Sieben von 183 Abgeordneten im Nationalrat weisen einen Migrationshintergrund auf, im Wiener Landtag sind es sechs Abgeordnete, zu denen David Ellensohn (Grüne) und Peko Baxant (SPÖ) zählen. Die SPÖ stellt mit Saya Ahmed die Bezirksvorsteherin in Alsergrund und mit Mireille Ngosso die Bezirksvorsteher-Stellvertreterin in der Wiener City. Das Magazin „Biber“ widmet sich unter dem Titel „Aufstand der Migranten“ den jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit Migranten und Politik in Wien.

Einer - aber nicht der Erste -, der eine stärkere politische Stimme für die Migranten fordert, ist Hakan Gördü. Aufgefallen war Gördu bislang vor allem als UETD-Vizechef. Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten gilt als verlängerter Arm der türkischen Regierungspartei AKP in Europa - und organisierte in Österreich etwa den umstrittenen Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan 2014 in der Wiener Albert-Schulz-Halle.

Nach dem gescheiterten Putsch 2016 sorgte die UETD in Österreich für Aufregung, als sie ihre Anhänger im Internet aufrief, Putsch-Unterstützer, respektive AKP-Kritiker, den türkischen Behörden zu melden. Gördü hatte als Obmann-Stellvertreter zunächst noch in Medien den niedergeschlagenen Putsch verteidigt, etwa in einem Streitgespräch mit dem damaligen Nationalratsabgeordneten der Grünen, Peter Pilz (siehe Video unten). Aber nur Tage später trat Gördü mit dem Hinweis, dass seine Sicherheit nicht mehr gewährleistet sei, von seiner Funktion bei der UETD zurück.

„Die Türken in Wien haben dazugelernt“
„Die Türken in Wien haben in den letzten Jahren dazugelernt, die Politik aus dem ehemaligen Heimatland nicht hierher zu importieren“, so der politische Aktivist gegenüber dem Magazin „Biber“. Schon 2016 hatte Gördü die mangelnde politische Vertretung österreichischer Muslime beklagt: „800.000 Muslime Leben in diesem Land. Zehn Prozent dieser Bevölkerung sind wir, aber wir werden zu null Prozent vertreten.“

Davon ist er auch heute noch überzeugt, wie er im Gespräch mit „Biber“ klarstellt: „Was wir brauchen, sind Politiker, die mit Minderheiten sympathisieren und hier den Menschen helfen.“ Sein Interesse gelte demnach nicht der Türkei, er wolle das Leben in Wien verändern und das gehe noch immer am besten mit den Mitteln der Politik. „Ja, wenn es nach mir geht, werden wir schon morgen eine breite Migrantenliste gründen, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Sündenbockpolitik einsetzt“, so Gördü.

Erfahrung bei der Parteiengründung konnte er bereits sammeln: 2015 saß Gördü im Team der eigens vom Simmeringer Arzt Turgay Taskiran gegründeten und von vielen Medien als „Türkenpartei“ titulierte Migrantenliste GfW. Die Partei scheiterte zwar am Einzug in den Landtag, eroberte aber in drei Wiener Bezirken (Favoriten, Brigittenau und Simmering) ein Mandat auf Bezirksebene - ein Achtungserfolg.

Der Mediziner Turgay Taskiran gründete "Gemeinsam für Wien" im Jahr 2015. (Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)
Der Mediziner Turgay Taskiran gründete "Gemeinsam für Wien" im Jahr 2015.

Kurz danach kehrte allerdings Gründer Taskiran der Partei den Rücken, der GfW-Bezirksrat in Simmering wechselte zur ÖVP. Auch Gördü verließ nach interner Auseinandersetzung die Liste. Eine Reunion mit Taskiran kann er sich heute nicht vorstellen, „dafür ist dieser zu wenig Politiker“, erklärt Gördü, von dessen jüngsten TV-Auftritten Videos auf der Facebook-Seite der GfW geteilt wurden (siehe unten).

Außerdem, so Gördü weiter, wolle man eine breite Bevölkerungsschicht erreichen. Die damalige GfW-Liste bestand hauptsächlich aus AKP-nahen Türken. Gördüs Liste, die noch keinen Namen trägt, soll hingegen eine breite Bürgerrechtsbewegung sein, heißt es in dem Bericht. Die Frage, ob da auch Österreicher erlaubt sind, bejaht er: „Unser Plenum besteht aus serbischen, tschetschenischen Gruppen, türkischen Bloggern, österreichischen Aktivisten, Pakistanis, Afghanen.“ Was sie eint: Sie seien alle gegen den Rechtsruck, gegen Kopftuchverbote und gegen Islam-Bashing.

Gerichtsstreit mit Flüchtlingshelfer 
Vor Gericht streitet sich Gördü indessen mit Michael Genner, dem Obmann des Vereins Asyl in Not. Gördü hat medienrechtliche Anträge auf Schadenersatz gegen Genner und den Verein Asyl in Not gestellt, nachdem ihm der Flüchtlingshelfer unter anderem einen „antikurdischen Hassprediger“ und einen „Drahtzieher islamistischer Hetz- und Netzwerke“ genannt hatte, wie einer Aussendung zu entnehmen ist. Genner hatte im März als Sprecher der Plattform für eine menschliche Asylpolitik das Handtuch geworfen, weil er Funktionären vorwarf, für Erdogan in Österreich zu spitzeln.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (damals noch Premier) lässt sich 2014 in Wien huldigen. (Bild: APA/HANS PUNZ)
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (damals noch Premier) lässt sich 2014 in Wien huldigen.

Auf Facebook schrieb Genner damals, dass „Hakan Gördü, Ex-UETD-Vizechef, fortwährend auf der Seite ,Osmanische Generation‘ Videos postet“ und eine „Schlüsselrolle“ in der informellen politischen Vernetzung von der „Osmanischen Generation“ über AKP und UETD spiele. Die „Osmanische Generation“ ist eine umstrittene Facebook-Seite der türkischen Community im deutschsprachigen Raum. Die Seite, die Zehntausende Follower zählt, beschwört eine Türkei in ihrer historischen Größe herauf. Laut dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ verbreiten Seiten wie die „Osmanische Generation“ in dem sozialen Netzwerk „Hass, Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien“ und fördern damit eine gefährliche Parallelwelt.

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