Der angekündigte Ausstieg Österreichs aus dem UNO-Migrationspakt hat am Mittwoch bei der heimischen Opposition scharfe Kritik hervorgerufen. Man spricht von einem Tiefpunkt in der österreichischen Außenpolitik. SPÖ-Außenpolitiksprecher Andreas Schieder stellte fest, dass die Regierung die Augen vor Problemen verschließe, anstatt diese zu lösen. Für das Rote Kreuz ist die Entscheidung „unverständlich und ein falsches Signal“.
Flüchtlingsströme besser organisieren und die Rechte der Migranten stärken - das ist der Grundgedanke, der hinter dem UNO-Migrationspakt steht. 2016 hatten sich die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen darauf geeinigt, diesen Pakt zu schließen. Nach den USA, Ungarn und Australien kündigten nun Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) an, dass auch Österreich dem Pakt nicht beitreten wird. Strache sprach in diesem Zusammenhang von einer „Zeitenwende“.
Verlust der Souveränität befürchtet
Österreich werde das völkerrechtlich nicht verbindliche Abkommen wegen erheblicher inhaltlicher Bedenken nicht unterzeichnen. Man erachte den Migrationspakt nicht für geeignet, um Migrationsfragen zu regeln, befürchte den Verlust der Souveränität in der Migrationspolitik und eine Verwässerung zwischen legaler und illegaler Migration. Der entsprechende Beschluss wurde am Mittwoch in der Regierungssitzung gefasst.
ÖVP-Generalsekretär und -Migrationssprecher Karl Nehammer erklärte, dass eine „Vermischung von Asyl und Zuwanderung nicht zu dulden“ sei. „Ich begrüße den Nicht-Beitritt zum UNO-Migrationspakt. Wir müssen klar und deutlich zwischen legaler und illegaler Migration unterscheiden. Eine Verwässerung dieser Unterscheidung, wie im Pakt vorgesehen, ist strikt abzulehnen.“
Schieder: „Regierung verschließt Augen vor Problemen“
Schieder hält die Entscheidung der Regierung für „schlecht überlegt“. „Damit löst man keine Probleme, sondern verschließt nur die Augen davor“, meinte er in einer Aussendung. Er befürchtet zudem, dass Kurz und Strache „den Ruf Österreichs als verlässlicher Partner der westlichen Wertegemeinschaft beschädigen“.
Österreichs Ausscheren für Juncker „ein Unding“
Auch EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker ist erwartungsgemäß wenig erfreut. „Ich bedauere das sehr“, erklärte er gegenüber Ö1. Es sei „ein Unding“, dass die Europäische Union in dieser substanziellen Zukunftsfrage nicht mit einer Stimme sprechen könne. „Aber wir werden uns mit den österreichischen Freunden in den nächsten Wochen noch unterhalten.“
Auf die Frage, ob in diesem Fall ein „Drüberfahren“ über manche Länder wie Österreich oder Ungarn - die beide den Migrationspakt ablehnen - denn ein gutes Bild machen würde, antwortete Juncker: „Es macht kein gutes Bild, ist aber effizienter als die jetzige Lage.“
Liste Pilz kündigt Protest an
Die Liste Pilz kündigte eine „Protestaktion“ gegen die Entscheidung an, gab aber zunächst weder Ort noch Zeit bekannt. „Ich lade schon jetzt alle DemokratInnen herzlich dazu ein, sich an dieser Aktion zu beteiligen. Wir werden ehestmöglich die Details bekannt geben“, schrieb Parteiobfrau Maria Stern in einer Aussendung.
Alma Zadic, außenpolitische Sprecherin der Partei, beklagte: „Die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung zeigt, dass es ihr wichtiger ist, vordergründig innenpolitisch zu punkten, als die globalen Herausforderungen anzugehen und diese gemeinsam mit anderen Staaten zu bewältigen.“
Die NEOS kommentierten den Entscheid auf Twitter ironisch mit den Worten: „Funfact: Der österreichische Verhandler für den #Migrationspakt war Außenminister @sebastiankurz.“
„Unwahr“, konterte Nehammer. Die Verhandlungen zu einem „konkreten Text“ hätten im Februar 2018 auf Beamtenebene begonnen.
Anschober: „Teile der Regierung wollen keine Lösungen“
Oberösterreichs Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne) kommentierte die Entscheidung mit den Worten: „Es ist ein Armutszeugnis, dass sich mit der Ablehnung des UN-Migrationspaktes die österreichische Bundesregierung in dasselbe Eck stellt wie (US-Präsident Donald) Trump und (Ungarns Regierungschef Viktor) Orban. Es zeigt aber auch neuerlich deutlich auf, dass ganz offensichtlich Teile der österreichischen Bundesregierung keine Lösungen der Herausforderungen durch Migration wollen“, so Anschober.
Rotes Kreuz: „Aus humanitärer Sicht unverständlich und falsches Signal“
Auch das Rote Kreuz beklagte die Entscheidung: „Aus humanitärer Sicht ist es unverständlich und ein falsches Signal, dass es die Bundesregierung nicht geschafft hat, sich zu einem Minimalkonsens der Menschlichkeit durchzuringen, der ausdrücklich unverbindlich ist und auch dazu beitragen soll, Migration in geordnete Bahnen zu lenken“, so Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer.
Bei der Einigung auf einen Entwurf im Juli war Österreich noch mit an Bord gewesen. In den vergangenen Wochen hatte vor allem die FPÖ gegen das Abkommen mobilgemacht. Ungarn hatte sich bereits im Sommer aus dem Pakt zurückgezogen, die USA nahmen auf Geheiß von Trump an den Verhandlungen zum UNO-Migrationspakt erst gar nicht teil.
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