Die SPÖ wird Montag ihren - schon von genug Bundesräten unterzeichneten - Drittelantrag zum „Überwachungspaket“ einbringen. Konkret schaltet sie den Verfassungsgerichtshof wegen des „Bundestrojaners“ ein. Dieser wäre der Anfang „exzessiver staatlicher Gedankenkontrolle“, kritisierte Justizsprecher Hannes Jarolim am Freitag. Den NEOS-Drittelantrag des Nationalrates werde man „sicher konstruktiv mittragen“. Die NEOS bringen damit die der Polizei neu eingeräumten Möglichkeiten zur Videoüberwachung und die anlasslose automatisierte Erfassung von Kfz-Kennzeichen vor den VfGH.
Der Bundestrojaner ebne den Weg in eine „unerträgliche Überwachungsgesellschaft, in der die Grundrechte der Bürger schwer missachtet werden“, kritisierte SPÖ-Bundesrätin Elisabeth Grimling in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den NEOS. Die SPÖ lehnte schon in der rot-schwarzen Koalition die jetzt ab 2020 vorgesehene Online-Überwachung vehement ab, weil sie einen tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstelle - und zwar nicht nur Verdächtigter, sondern auch aller, die mit ihnen in Kontakt treten, betonte Jarolim.
„Gedankenkontrolle wird uns alle treffen“
„Das wird uns alle treffen“, warnte Rechtsanwalt Ewald Scheucher vor dem Einstieg in die „Gedankenkontrolle“. Der Zugriff auf verschlüsselte Messenger-Dienste mittels auf Handys und Computer installierter Software erlaube dem Staat die Überwachung aller über Whatsapp oder Skype getätigten privaten Lebensäußerungen. Dafür müsse der Staat Sicherheitslücken ausnützen - und diese bewusst offen halten, erläuterte Rechtsanwaltsanwärter Alexander Czadilek. Und „das trifft alle“. Denn diese Lücken wüssten Kriminelle zu nützen - während sich Terror-Organisationen mit „falschen Spuren“ vor der polizeilichen Bespitzelung leicht schützen könnten.
Die SPÖ plädiert in ihrem Antrag an den VfGH deshalb auch für ein Grundrecht auf die Integrität von IT-Systemen. Eigentlich sei es Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass Computer, Handys oder Tablets sicher sind - seien sie doch „eine Art ausgelagertes Gehirn“, auf dem „permanent personenbezogene Daten produziert“ werden, erläuterte Czadilek. Die NEOS halten am „Bundestrojaner“ nicht nur die weitreichende „Online-Durchsuchung“ und Überwachung von Stamm-, Verkehrs- und Zugangsdaten für grob unverhältnismäßig und grundrechtswidrig. Außerdem verstoße das zur Installation der Überwachungssoftware nötige Eindringen in private Räume samt nötiger „geheimer Hausdurchsuchung“ gegen das Hausrecht.
Sicherheitsenquete im Parlament
Außerdem wird die SPÖ eine Sicherheitsenquete im Parlament abhalten, um festzustellen, welche Überwachungsmöglichkeiten der Staat jetzt schon hat - und was die Polizei wirklich bräuchte: Nicht den Bundestrojaner, merkte Jarolim an, sondern Personal und „die primitivsten Dinge“ wie Kopierer. Wenn in Wien Polizeipersonal abgebaut werde und die Justiz todgespart, „braucht man über Sicherheit nicht zu reden“, kritisierte der SPÖ-Justizsprecher die türkis-blaue „Sicherheitspolitik“.
Die NEOS sind überzeugt, dass im türkis-blauen „Sicherheitspaket“ im April 2018 beschlossene Maßnahmen unverhältnismäßig und missbrauchsanfällig sind und einen Schritt Richtung Überwachungsstaat bedeuten. So bedeute der jetzt erlaubte Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten ohne jeden konkreten Anlass (früher war er nur bei konkreten Fahndungen zulässig) die Wieder-Einführung einer auf zwei Wochen beschränkten Vorratsdatenspeicherung. Eine ähnliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung sei bereits vom EuGH und vom VfGH als verfassungswidrig befunden worden, stellen die NEOS fest.
Kippt VfGH erweiterte Videoüberwachung?
Für sehr wahrscheinlich erachtet der stv. Klubchef Nikolaus Scherak - angesichts einer ähnlichen Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts -, dass die ausgeweitete Videoüberwachung gekippt wird. Die Übermittlung sämtlicher im Rahmen der Section Control gesammelten Daten für nur unkonkrete Fahndungszwecke verstoße gegen das Grundrecht auf Datenschutz. In einem früheren Erkenntnis zur Section Control habe der VfGH eine strenge Zweckbindung und eine unmittelbare Löschung verlangte. Dies werde jetzt wieder gestrichen, also sei die Regelung verfassungswidrig.
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