Im großen Sonntagsinterview von „Krone“-Journalistin Conny Bischofberger mit Heinz-Christian Strache hat der FPÖ-Chef und Vizekanzler den auch von den Identitären und weiteren rechtsextremen Gruppierungen verwendeten Begriff „Bevölkerungsaustausch“ gebraucht - und ihn zudem als „Begriff der Realität“ bezeichnet. Die Kritik folgte auf dem Fuß - vor allem aus der SPÖ und von den NEOS. Der Sprecher des Vizekanzlers kann die Aufregung hingegen nicht verstehen.
„Wir gehen den Weg für unser Heimatland Österreich, den Kampf gegen den Bevölkerungsaustausch, konsequent weiter, wie es die Menschen von uns auch erwarten“, hatte Strache in dem „Krone“-Interview gesagt. Auf Anmerkung Bischofbergers, dass der Begriff „Bevölkerungsaustausch“ einer der rechtsextremen Szene sei, antwortete der Vizekanzler bestimmt: „Das ist ein Begriff der Realität.“ Man wolle nicht „zur Minderheit in der eigenen Heimat werden“. Das sei „legitim und redlich und zutiefst demokratisch“, solange es nicht mit Gewalt einhergehe.
SPÖ will von Kurz klare Ansage zu Distanzierung
Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur, fragte am Sonntag auf Twitter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der sich gerade in China aufhält, wie viel die Distanzierung der FPÖ von den Identitären wert sei, wenn Strache „im Identitären-Sprech antwortet“. Die FPÖ stand zuletzt immer wieder wegen ihres mutmaßlichen Naheverhältnisses zu der als rechtsextrem eingestuften Gruppierung in der Kritik.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda erinnerte in einer Aussendung an einen schon bekannten Auftritt des steirischen FPÖ-Abgeordenten Wolfgang Zanger bei einer Kundgebungen der Identitären in Judenburg im Februar 2016. Der freiheitliche Mandatar, zuletzt im Nationalrat auffällig, weil er Betriebsräte und Funktionäre als „Beidln“ bezeichnet hatte, hatte bei der Veranstaltung Grußworte entrichtet.
NEOS: „Brandgefährliche Signale“
Mit der Verwendung des Begriffs „Bevölkerungsaustausch“ setze Strache „brandgefährliche Signale“, kritisierte NEOS-Generalsekretär Nikola Donig in einer Aussendung. Dass der Vizekanzler der Republik bewusst Begriffe in den Mund nehme, „die der Massenmörder von Christchurch zur Rechtfertigung seiner Verbrechen verwendet hat, zeugt von der Geisteshaltung Straches und der Partei, der er vorsteht", so der NEOS-Generalsekretär weiter. An die Adresse von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) richtete Donig den Appell, die Liaison mit den Freiheitlichen zu beenden.
Kritik an den Aussagen Straches kam auch von Michel Reimon, Mitglied des Europäischen Parlaments.
„Die Linke ist bereits im Monty-Python-Modus“
Der Pressesprecher des Vizekanzlers, Martin Glier, kann die Aufregung naturgemäß nicht verstehen. Auf Twitter schrieb er unter einen Tweet des ehemaligen Nationalratsabgeordneten Marcus Franz unter Bezugnahme auf die berühmte Szene aus dem Monty-Python-Film „Das Leben des Brian“: „Er hat ,Jehova‘ gesagt, er hat ,Jehova‘ gesagt. Die Linke ist bereits im Monty-Python-Modus - also eh lustig, aber nicht mehr ernst zu nehmen.“
Identitären-Chef freut sich über „gute Neuigkeiten aus der Tagespolitik“
Freuen über die Aussagen Straches konnte sich vor allem einer: Identitären-Chef Martin Sellner. Via Twitter teilte er seine Freude darüber, dass „Strache Wort hält“ und den von den Identitären häufig bemühten Kampfbegriff verwendet, der aber „kein Identitären-Sprech“ sei, wie Schatz geschrieben hatte. Die Ansichten des Vizekanzlers lobte Sellner als „gute Neuigkeiten aus der Tagespolitik“.
„The Great Replacement“ war der Titel des Manifests des Christchurch-Killers
Der Begriff „Bevölkerungsaustausch“ - „The Great Replacement“ - war übrigens auch der Titel des Manifests des mutmaßlichen Massenmörders von Christchurch, Brenton Tarrant, der in der neuseeländischen Stadt in zwei Moscheen 50 Muslime tötete. Der rechtsextreme Australier wartet auf seinen Prozess, bei dem ihm wegen vielfachen Mordes lebenslange Haft droht. Die Verschwörungstheorie stammt aus Frankreich und besagt, dass die Bevölkerung in Europa durch Zuwanderer ersetzt werden soll, deren Geburtenrate deutlich höher sei.
Sellner hatte erst kürzlich nach einer bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung bekannt gemacht, dass er von Tarrant eine Spende über 1500 Euro bekommen und sich dafür auch bedankt habe. Deshalb werde wegen der „Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ gegen ihn ermittelt.
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