Umfragen obsolet

Urnengang am Sonntag nun erster Test für Neuwahl

Österreich
19.05.2019 09:47

Mit dem Zerbrechen von Türkis-Blau wird die EU-Wahl am kommenden Sonntag jetzt unerwartet spannend und wohl eine wirkliche Testwahl für die vermutlich Anfang Herbst anstehende Nationalratswahl. Selbst die Meinungsforscher können kaum abschätzen, wie sich der Crash der Koalition und die Neuwahl-Ankündigung von Kanzler Sebastian Kurz (siehe auch Video oben) auf das Stimmverhalten in einer Woche auswirken werden. Sie sind sich aber einig: „Wir können alle Umfragen wegwerfen.“

Der nächste Wahlsonntag werde „der Ritt über den Bodensee“, sagt Peter Hajek. Die Ausgangslage habe sich massiv verändert, alle Interviews der letzten Wochen und Monate seien Makulatur. Dabei hätten die EU-Wahlen jetzt eine neue Bedeutung - seien sie doch nun „die Testwahl für die Nationalratswahl“. Aber die Zeit reiche nicht mehr wirklich für seriöse Umfragen - und die bisher durchgeführten Tausenden Interviews „können wir wegwerfen“, so der Experte. Wie sich der Regierungs-Crash auf die EU- und in der Folge auf die Nationalratswahl auswirken werden, könne man derzeit nicht sagen: „Das kann in alle Richtungen gehen.“

Meinungsforscher Peter Hajek (Bild: APA/Georg Hochmuth)
Meinungsforscher Peter Hajek

„Eine wirkliche politische Bombe“
Ganz sicher werde die EU-Wahl „ziemlich überschattet“ von den aktuellen Ereignissen - handle es sich hier doch „um eine wirkliche politische Bombe“, meint OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Die Wahlbeteiligung könnte theoretisch sogar steigen, weil es die erste Wahl „nach diesem Skandal“ ist - aber ebenso gut auch sinken, weil die Wähler frustriert sind. „Jedenfalls sind alle vorliegenden Umfragen unbrauchbar“, stimmt er Hajek bei.

OGM-Chef Wolfgang Bachmayer (Bild: APA/Georg Hochmuth)
OGM-Chef Wolfgang Bachmayer

Bachmayer geht aber davon aus, dass die ÖVP jetzt „kurzfristig betrachtet“ deutliche Chancen auf ein besseres Abschneiden - auch schon bei der EU-Wahl - hat. Bei der FPÖ sei die Ausgangslage auch für die EU-Wahl wohl schlechter geworden - seien ihre Wähler doch ohnehin bekannt EU-Wahl-faul. Dass eine „Jetzt erst recht“-Stimmung - wie sie die FPÖ mit Slogans zu schüren versucht - entsteht, sei eher zu bezweifeln.

„Ob die ÖVP profitiert, ist fraglich“
„Vieles ist im Fluss, man kann nicht abschätzen wohin“, stellt auch der Politikberater Thomas Hofer fest. Bei der FPÖ sei nach dem Ibiza-Video damit zu rechnen, dass schon bei der EU-Wahl ein Teil der Wähler abwandert oder zu Hause bleibt. Ob die ÖVP davon profitiert, sei fraglich - vielleicht komme es auch dazu, „dass die FPÖ vielleicht verliert, aber die ÖVP nicht alle diese Wähler abholen kann - und viele von ihnen in den Wartesaal, also ins Nichtwählerlager gehen“.

Politikberater Thomas Hofer (Bild: krone.tv)
Politikberater Thomas Hofer

Umfragen waren seit Herbst 2018 stabil
Seit 2014 bestand die EU-Riege aus je fünf ÖVP- und SPÖ-, vier FPÖ-Mandataren, drei Grünen und einer NEOS-Vertreterin. Diese fünf Parteien sahen die Meinungsforscher bisher auch fix im nächsten EU-Parlament - und die seit September 2018 stabilen Umfragen ließen einen ähnlichen Wahlausgang wie 2014 erwarten: Die ÖVP weiterhin (wie seit 2009) Erste, dahinter die SPÖ, die FPÖ Dritte, Grüne und NEOS im Duell um Platz vier - bei Zugewinnen für ÖVP (2014: 26,98 Prozent), SPÖ (24,09%) und FPÖ (19,72%), vielleicht auch für die NEOS (8,14%) und Einbußen für die Grünen (14,52%). EUROPA Jetzt und KPÖ lagen immer weit unter dem für ein Mandat nötigen Stimmenanteil von mehr als 4,5 Prozent.

Die EU-Spitzenkandidaten: Werner Kogler (Grüne), Claudia Gamon (NEOS), Andreas Schieder (SPÖ), Othmar Karas (ÖVP), Harald Vilimsky (FPÖ) und Johannes Voggenhuber (EUROPA Jetzt) (Bild: APA/Hans Punz, APA/Georg Hochmuth, stock.adobe.com, krone.at-Grafik)
Die EU-Spitzenkandidaten: Werner Kogler (Grüne), Claudia Gamon (NEOS), Andreas Schieder (SPÖ), Othmar Karas (ÖVP), Harald Vilimsky (FPÖ) und Johannes Voggenhuber (EUROPA Jetzt)

Wie sich das durch das Ibiza-Video ausgelöste innenpolitische Erdbeben auf die EU-Wahl auswirkt, können die Meinungsforscher kaum abschätzen. Möglicherweise schreckt es viele Wahlberechtigte - vor allem aus dem Lager der FPÖ, vielleicht auch aus dem der ÖVP - ab. Dann wird die Beteiligung noch geringer. Denn bei EU-Wahlen ist die Mobilisierung ohnehin das größte Problem - speziell jene der EU-skeptischen FPÖ-Wähler. Generell ist die Beteiligung die schwächste aller größeren Urnengänge in Österreich: Seit 1999 nutzt nicht einmal mehr die Hälfte das Wahlrecht, 2014 waren es 45,39 Prozent.

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