Am Montag will JETZT Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Vertrauensfrage stellen, die SPÖ erwägt ein eigenes Misstrauensvotum. Anders als bei den 185 bisherigen Misstrauensanträgen in der Zweiten Republik könnte es diesmal eine Nationalratsmehrheit geben. Die APA hat Verfassungsexperten zu den möglichen Folgen befragt.
Was passiert, wenn der Nationalrat dem Bundeskanzler das Vertrauen entzieht, indem eine Mehrheit für den Misstrauensantrag stimmt?
Der Bundespräsident muss den Kanzler seines Amts entheben. Danach muss der Präsident rasch einen neuen Kanzler oder eine neue Kanzlerin bestimmen. Was „rasch“ konkret bedeutet, ist freilich „interpretationsbedürftig“, so Ex-Verfassungshofpräsident Ludwig Adamovich, der betont, nicht in seiner Eigenschaft als Berater von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu sprechen, sondern eine persönliche Einschätzung abzugeben.
Wen kann der Bundespräsident zum Nachfolger des Kanzlers bestimmen?
Rein formal ist die einzige Vorgabe, dass jene Person in den Nationalrat wählbar ist. Diese muss also österreichischer Staatsbürger und mindestens 18 Jahre alt sein. Sollte sie zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden sein, muss die Entlassung mindestens ein halbes Jahr her sein. In der Praxis muss es laut Adamovich freilich jemand sein, der über politische Erfahrung verfügt.
Wer übernimmt zwischen dem Misstrauensvotum und der Angelobung des neuen Kanzlers die Amtsgeschäfte?
Da es sich um absolutes Neuland handelt, gehen hier die Meinungen auseinander. Nach Adamovich‘ Einschätzung würde der Bundespräsident vermutlich schnell handeln und die Zeit zwischen erfolgreichem Misstrauensvotum und Amtsenthebung nutzen, um einen Nachfolger zu finden. Dabei entstehe freilich das praktische Problem, wer in der Zwischenzeit das Amt ausübt. „Das ist nicht eindeutig“, so Adamovich. Aus Sicht von Verfassungsjurist Theo Öhlinger kann der Bundespräsident den Vizekanzler oder, falls dieser nicht im Amt sein sollte, ein Mitglied der Bundesregierung mit der Fortführung der Geschäfte betrauen.
Hat ein erfolgreiches Misstrauensvotum gegen den Kanzler auch Auswirkungen auf den Rest der Regierung?
Nein, laut Adamovich nicht. Die Lesart, dass die Regierung gewissermaßen am Bundeskanzler „dranhänge“, unterstützt er nicht.
Bereits am Dienstag findet ein EU-Gipfel statt. Wer kann Österreich dort vertreten, falls das Misstrauensvotum gegen Kurz am Montag erfolgreich sein sollte?
Adamovich vermutet, dass wohl Sebastian Kurz trotz des Vertrauensentzugs durch das Parlament Österreich dort repräsentieren würde. Voraussetzung dafür wäre, dass er noch nicht seines Amtes enthoben wurde.
Was geschieht, wenn der Nationalrat der gesamten Regierung das Misstrauen ausspricht?
Scheidet die gesamte Regierung aus dem Amt, muss der Präsident sofort andere Personen vorübergehend mit der Fortführung der Verwaltung betrauen. Laut Artikel 71 der Verfassung können das die Mitglieder der scheidenden Regierung selbst oder ihnen beigegebene Staatssekretäre bzw. leitende Beamte des betreffenden Ministeriums sein. Aus Sicht von Verfassungsexperte Öhlinger kommen im Falle eines Misstrauensvotums gegen die Regierung nur leitende Beamte dafür infrage.
Wie wird über die neuen Minister entschieden?
Die neuen Minister werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Kanzlers ernannt. Das Staatsoberhaupt kann allerdings auch Kandidaten ablehnen.
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