Am Montag dürfte das nächste Polit-Beben in Österreich bevorstehen: Alles deutet darauf hin, dass die SPÖ dem Misstrauensantrag von JETZT gegen Sebastian Kurz (ÖVP) zustimmt und so den Bundeskanzler stürzt. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) machte am Freitag klar: „Das hat ein Stadium erreicht, wo wir parteiintern nicht mehr zurück können.“ Brisant: Den gefeuerten FPÖ-Innenminister Herbert Kickl nimmt Doskozil sogar in Schutz! Die ÖVP zeigte sich über die Aussagen Doskozils „fassungslos“.
Dass die ÖVP die Fortsetzung der Koalition mit der FPÖ an die Absetzung Kickls geknüpft hat, sieht Doskozil als „Witz“ und politisches Kalkül. „Ob Kickl jetzt noch drei Monate Innenminister geblieben wäre oder nicht, wäre ja eigentlich egal gewesen. Die ÖVP hat jetzt eineinhalb Jahre alles mitgetragen, was Kickl gemacht hat“, sagte Doskozil der „Presse“ und den Bundesländerzeitungen. Außerdem habe Kurz selbst das „australische Modell“ in der Flüchtlingspolitik gefordert - und davon sei sogar Kickl weit entfernt.
„Verhältnis der SPÖ zu Kurz hat sich verschlechtert“
Das Verhältnis der SPÖ zu Kurz habe sich in den vergangenen Monaten verschlechtert. Die entscheidende Frage sei nun, was das für den Zusammenhalt in der Partei bedeute: „Und das Stimmungsbild bei uns - von den kleinsten Funktionären bis zu den Parteispitzen - ist, den Misstrauensantrag mitzutragen.“ Außerdem habe Kurz die Mittel der Ministerien für Parteipolitik gebraucht - und das zu kappen sei in Zeiten wie diesen nicht schlecht.
Ludwig: „Kurz könnte selbst Initiative ergreifen“
Nach dem Treffen der Landeshauptleute mit dem Bundeskanzler Freitagvormittag sagte Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig im Gespräch mit der „Krone“: „Der Bundeskanzler könnte ja selbst die Initiative ergreifen und im Nationalrat die Vertrauensfrage stellen.“
Auch dem Kanzler dürfte mittlerweile klar sein, was am Montag passiert. Trotz aller Appelle von Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird die SPÖ wohl dem Misstrauensantrag, der am frühen Nachmittag in der Sondersitzung des Parlaments eingebracht wird, zustimmen. Nun bleibt abzuwarten, ob nicht womöglich die FPÖ in letzter Sekunde ihre Meinung ändert und die SPÖ allein im Regen stehen lässt.
Köstinger: „Doskozil stellt innerparteiliche Überlegungen über Staatswohl“
Die ÖVP reagierte empört auf die Aussagen von Doskozil zum Misstrauensantrag gegen Kurz. „Ich bin fassungslos angesichts dieser staatspolitischen Verantwortungslosigkeit der SPÖ. Doskozil gibt ganz offen zu, innerparteiliche Überlegungen über das Staatswohl zu stellen“, kritisierte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger in einer Aussendung.
Dass Doskozil den entlassenen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl verteidigt, zeigt für ÖVP-Klubobmann August Wöginger wiederum „die völlige Zerrissenheit und Unglaubwürdigkeit der SPÖ im Umgang mit der FPÖ“.
Kanzlerbonus als großer Vorteil bei der Wahl
Dass die SPÖ dem Misstrauensantrag zustimmen wird, hat viele Gründe. Erstens gibt es bei den Roten niemand, der mehr verhasst ist als Kurz. Er hat 2017 die Koalition mit den Roten gesprengt und die Opposition seither von oben herab behandelt oder überhaupt ignoriert. Und natürlich gibt es auch zahlreiche politische Entscheidungen, die die SPÖ der ÖVP nicht verzeihen kann.
Und dann wollen die Roten Kurz nicht vergönnen, mit dem Kanzlerbonus in die Wahl zu gehen. Er könnte bis dahin eifrig in der Welt herumreisen, für schöne Fotos posieren, sich als Staatsmann inszenieren, so die Befürchtungen. Und schließlich gibt es noch eine ganz einfache Erklärung: Die SPÖ hat nun die wahrlich einzigartige Chance, ihren Feind Nummer eins loszuwerden. Diese Gelegenheit kann sie sich einfach nicht entgehen lassen. Dazu ist auch der Druck der Parteibasis, der Funktionäre sowie der Gewerkschaft viel zu groß.
Alle Risken werden in Kauf genommen
Dass die Demontage des Kanzlers bei der Mehrheit der Bevölkerung wohl nicht so gut ankommt und die SPÖ Gefahr läuft, bei der Nationalratswahl im September die Rechnung dafür präsentiert zu bekommen, nimmt sie in Kauf. Ebenso, dass sie Kurz, den dann gestürzten Kanzler, möglicherweise zum Märtyrer macht. Es wird nicht überraschen, wenn sich der ÖVP-Chef als derjenige präsentiert, der für Stabilität sorgen wollte und der Opposition die Hand gereicht hat.
Dass sie beim Misstrauensantrag gemeinsame Sache mit der FPÖ machen und dies von ihren Wählern vermutlich nicht goutiert wird, wollen die Roten so nicht sehen. Man müsse auch einmal mutig sein und das durchziehen, ist zu hören. Und immer wieder: „Wir können einfach nicht anders.“
Doris Vettermann, Kronen Zeitung/krone.at
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