Die FPÖ wird den Misstrauensantrag der SPÖ gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz und die gesamte Bundesregierung unterstützen. Dies sei bei einer Klubsitzung am Montag einstimmig beschlossen worden. Schon zuvor bestätigte der designierte FPÖ-Parteichef Norbert Hofer, dass die Partei dem Antrag zustimmen werde. In diesem Fall wäre die Kanzlerschaft des 32-jährigen Chefs der ÖVP nach knapp eineinhalb Jahren im Amt vorläufig beendet.
Der SPÖ-Klub hat sich Montagfrüh laut Partei- und Klubchefin Pamela Rendi-Wagner in seiner Vollversammlung einstimmig für einen Misstrauensantrag gegen das Kabinett Kurz ausgesprochen. Gehe dieser durch, sei Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Zug. Ex-VfGH-Präsident Gerhart Holzinger hätte für sie „gute Voraussetzungen“ als Übergangsbundeskanzler. Rendi-Wagner sprach sich erneut für eine „unabhängige, parteiübergreifende Expertenregierung“ aus.
Rendi-Wagner: „Keine Vorleistung für weitere Zusammenarbeit von Rot und Blau“
Dass der voraussichtlich von der FPÖ mitgetragene Antrag eine Vorleistung für eine weitere Zusammenarbeit von Rot und Blau sein könnte, wies Rendi-Wagner zurück. Ein Dialog über Parteigrenzen hinaus sei gerade in so einer schwierigen Situation wie jetzt zu führen, „das ist gelebter Parlamentarismus“. Man sei den Menschen im Lande verpflichtet, „nicht einer einzelnen Person“, so ihr Seitenhieb Richtung Kanzler Kurz.
Dieser muss sich nach dem Ende seiner Koalition mit der FPÖ am Montagnachmittag einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Zuerst hatte die Oppositionspartei JETZT einen Misstrauensantrag eingereicht. Am Sonntagabend hatte dann die SPÖ angekündigt, einen eigenen Misstrauensantrag gegen Kurz und die gesamte Regierung zur Abstimmung vorzulegen.
Auslöser der politischen Krise in Österreich war ein Enthüllungsvideo aus Ibiza, das zeigt, wie der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Nationalratswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt.
Nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos trat Strache von seinen Ämtern als Vizekanzler und FPÖ-Chef zurück, die Koalition zwischen FPÖ und ÖVP zerbrach. Kurz führt nun eine Minderheitsregierung an, die FPÖ-Minister wurden durch parteilose Experten ersetzt. Für September sind vorgezogene Neuwahlen geplant.
Video: krone.at erklärt Misstrauensantrag
Kickl und Hofer zurück im Nationalrat
Die FPÖ hat unterdessen den Nationalrat am Montag neu beschickt. So kehren Ex-Innenminister Herbert Kickl, der frühere Infrastrukturminister Hofer und der ehemalige Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs ins Hohe Haus zurück. Als weiterer Neuzugang wurde zu Beginn der Sondersitzung der Oberösterreicher Thomas Dim angelobt. Zudem wurden Hofer und Kickl in der FPÖ-Klubsatzung zu den neuen blauen Klubchefs gewählt.
SPÖ-„Dringliche“ gegen den Kanzler
Kurz vor dem Misstrauensantrag gegen den Kanzler erhebt die SPÖ noch schnell eine politische Anklage gegen Kurz in Form einer „Dringlichen Anfrage“ im Nationalrat. In der Begründung hält Klubchefin Pamela Rendi-Wagner ein Scherbengericht über den Kanzler. Das „Experiment“ von Kurz, mit der FPÖ eine Regierung zu bilden, habe nachhaltigen Schaden für die Demokratie, die Pressefreiheit, den Rechtsstaat, das internationale Ansehen Österreichs und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft angerichtet, heißt es in der Begründung der „Dringlichen“, die um 10 Uhr eingebracht wurde und ab 13 Uhr debattiert wird.
In der Amtszeit dieser Bundesregierung sei die Sozialversicherung zerschlagen, die 60 Stundenwoche eingeführt, der Verfassungsschutz international handlungsunfähig gemacht und die soziale Absicherung für kinderreiche Familien herabgesetzt worden. Für alle diese Dinge trage Kurz als Bundeskanzler die Verantwortung.
„Egozentrischer Grundzugang des Kanzlers“
Kurz wird auch vorgehalten, dass er eigentlich nach dem Ibiza-Skandal mit den Freiheitlichen weitermachen hätte wollen: „Reiner Machterhalt und ein egozentrischer Grundzugang des Bundeskanzlers bestimmen seine Entscheidungen, die alle auf eine Frage hinauslaufen: Was nützt Sebastian Kurz am meisten?“
Der drohende Sturz der Regierung oder nur des Kanzlers durch das Parlament wird aber keinesfalls zu einem Vakuum führen. Unmittelbar nach der Abberufung der Minister und/oder des Kanzlers werden die Ämter wieder besetzt. Bundespräsident Alexander van der Bellen hat dabei zwei Möglichkeiten: Er kann die abberufenen Amtsträger, Staatssekretäre oder höheren Beamten vorübergehend für ein paar Tage mit der Weiterführung der Geschäfte betrauen oder gleich eine neue Regierung ernennen.
Ämter müssen im Fall von Regierungssturz immer besetzt sein
Nach der Bundesverfassung darf kein Regierungsamt unbesetzt bleiben. Daher folgt auf die Abberufung immer eine Neubestellung. Sollte heute im Parlament der gesamten Regierung das Misstrauen ausgesprochen werden, wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen entweder diese vorübergehend für wenige Tage mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betrauen bis eine neue Übergangsregierung gefunden ist oder gleich eine neue Regierung ernennen.
Die letzte Variante scheint allerdings wenig wahrscheinlich, denn die Ernennung neuer Minister ist nur auf Vorschlag des neuen Bundeskanzlers möglich. Demnach müsste Van der Bellen zunächst einen neuen Kanzler finden und in Absprache mit diesem neue Minister aussuchen. Fix ist jedenfalls, dass alle Ministerien, wie sie im Ministeriengesetz festgeschrieben sind, besetzt werden müssen, wobei ausnahmsweise ein Minister auch zwei Ressorts leiten könnte.
Van der Bellen muss neuen Kanzler bestellen
Wenn nur der Kanzler abgewählt wird, wird Van der Bellen einen neuen Kanzler bestellen. Das könnte auch jemand aus der amtierenden Regierung sein. Rein formal ist die einzige Vorgabe, dass jene Person in den Nationalrat wählbar ist. Diese muss also österreichischer Staatsbürger und mindestens 18 Jahre alt sein. Sollte sie zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden sein, muss die Entlassung mindestens ein halbes Jahr her sein.
Die Behauptung eines Verfassungsrechtlers, wonach bei einem Misstrauensvotum gegen die ganze Regierung nur leitende Beamte der betreffenden Ministerien die Ressorts übernehmen können, ist nicht richtig. Es könnten, wie erwähnt, leitende Beamte vorübergehend mit der Amtsführung betraut werden, das ist aber keine Muss-Bestimmung.
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