Brigitte Bierlein (69) wollte eigentlich Kunst studieren, entschied sich dann aber doch für die Juristerei - und legte eine steile Karriere hin. Ihre zwei größten Karrieresprünge machte sie jeweils unter ÖVP-FPÖ-Vorzeichen: 2003 wurde sie unter Schwarz-Blau zur ersten Vizepräsidentin im Verfassungsgerichtshof ernannt. Jetzt soll die Paradejuristin nach dem Platzen der türkis-blauen Koalition die erste Bundeskanzlerin Österreichs werden.
Der Wienerin werden gute Kontakte nicht nur zur ÖVP, sondern auch zur FPÖ nachgesagt. 2003 hatte ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel Bierlein noch kurz vor der Wahl namens der VP-FP-Regierung dem Bundespräsidenten als VfGH-Vizepräsidentin vorgeschlagen - unter scharfer Kritik der SPÖ, deren geschäftsführender Klubobmann Josef Cap damals beklagte, dass „höchst qualifizierte Bewerber“ zugunsten einer Bewerberin übergangen worden seien, die „als stramme Konservative“ gelte und keine Erfahrung im Verfassungsrecht habe.
Schnörkellos-gerade Ansagen
In der Justiz-Szene war die stets modisch-elegant gekleidete Juristin schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihrer fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte - und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt. Auf diese Funktion musste sie mit dem Eintritt in den VfGH verzichten.
Top-Karriere in der Justiz
Nur ganz am Beginn war Bierlein nicht ganz so zielstrebig: 1949 als Tochter eines Beamten geboren, wollte sie eigentlich Kunst oder Architektur studieren. Die Mutter (die selbst eine Kunst-Ausbildung hatte) riet ihr ab, Bierlein entschied sich für Jus - und ab diesem Moment ging es geradeaus nach oben: In nur vier Jahren absolvierte sie das Studium, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen Leiterin.
Für Familie blieb der Wienerin keine Zeit, Bierlein lebt mit einem pensionierten Richter in Partnerschaft. In ihrer Freizeit besucht Bierlein gerne Vernissagen und Ausstellungen, sowie - wenn es die Zeit zulässt - Oper und Theater. Begeistern kann sie sich auch für Skifahren und Segeln, Letztgenanntes am liebsten in der Ägäis.
Zur Person:
Brigitte Bierlein, geboren am 25. Juni 1949 in Wien, Lebenspartnerschaft, keine Kinder. 1971 zur Dr. jur. promoviert, 1975 Richteramtsprüfung, Richterin am Bezirksgericht Innere Stadt und am Strafbezirksgericht Wien, ab 1977 Staatsanwältin, 1986 Wechsel in die Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA), 1987 Strafrechtssektion im Justizministerium, dann wieder OStA. 1990 bis 2002 Generalanwältin in der Generalprokuratur. 1995 Vorstandsmitglied, von 2001 bis 2003 Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte. 2003 Vizepräsidentin, seit 1. Jänner 2018 Präsidentin des VfGH.
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