Der Alt- und Wohl-bald-wieder-Bundeskanzler Sebastian Kurz hat die von ihm erzwungene Neuwahl triumphal gewonnen, doch der ÖVP gehen die potenziellen Koalitionspartner aus. Die FPÖ will nach ihrem Debakel nicht mehr, die SPÖ leckt nach einer historischen Schlappe Wunden und die Grünen, neben Kurz die großen Sieger des Abends, schalteten - zumindest im ersten Überschwang - sogar auf Angriffsmodus. Einzig die NEOS wollen, bloß: Mit ihnen gibt es keine Mehrheit.
Zum Ergebnis, das angesichts einer Million noch nicht ausgezählter Briefwahlstimmen und Wahlkarten noch mit ein wenig Vorsicht zu genießen ist: Die ÖVP kam laut Hochrechnungen (inklusive Briefwahlschätzung) auf gut 37 Prozent und holte in nicht weniger als acht Bundesländern, allen außer Wien, Platz eins. Die SPÖ stürzte um rund fünf Punkte auf knapp 22 Prozent ab, die FPÖ gab gleich zehn Punkte ab und liegt bei 16, die Grünen erreichten mehr als 13 Prozent, nachdem sie vor zwei Jahren noch aus dem Nationalrat geflogen waren, und die NEOS erzielten mit knapp acht Prozent ihr bisher bestes Ergebnis. Die Liste JETZT flog hochkant aus dem Nationalrat.
Kurz für möglichst respektvolle Zusammenarbeit mit allen Parteien
Kurz gab sich nach dem Votum, das seiner Partei ein Plus von rund sechs Punkten brachte, demütig, er sei „überwältigt und fast sprachlos“. Er wolle eine möglichst respektvolle Zusammenarbeit mit allen Parteien und werde auch mit allen im Nationalrat vertretenen Fraktionen Gespräche führen. Präferenzen äußerte er ebenso wenig wie sonst jemand aus der ÖVP-Spitze.
Video: Die erste Reaktion des Wohl-bald-wieder-Kanzlers
Vertrauliche Gespräche mit allen Parteichefs
Der Auftrag zur Regierungsbildung dürfte Ende der Woche erfolgen, bereits davor dürfte Kurz die anderen Parteichefs zu vertraulichen Gesprächen laden. Insidern zufolge ist ein türkis-grüner Pakt derzeit am wahrscheinlichsten, wie „Krone“-Innenpolitik-Journalist Klaus Knittelfelder schreibt - denn mit Rot tun sich Kurz-Intimi extrem schwer, eine türkis-blaue Neuauflage ist indes nicht nur aufgrund der blauen Ansagen pro Opposition schwer möglich.
Hofer: „Wir bereiten uns auf Opposition vor“
Den Freiheitlichen, die sich der Volkspartei bis zuletzt angedient hatten, ist die Lust auf eine Neuauflage von Türkis-Blau abhanden gekommen. „Wir bereiten uns auf Opposition vor“, verkündete Parteichef Norbert Hofer. Auch sämtliche Landesspitzen sprachen sich für eine entsprechende Reaktion auf den Wahlgang aus. Oberösterreichs Landesobmann Manfred Haimbuchner will nicht einmal Verhandlungen aufnehmen. Ex-Innenminister Herbert Kickl ist ebenso skeptisch. In einer Koalition mit der ÖVP müsse man etwas dagegenhalten können, sagte er am Sonntag. Mit annähernd 16 Prozent sei dies schwer möglich.
Video: „Nicht begeisterter“ Hofer will FPÖ modernisieren
Einig war man sich in der Partei auch, dass es nach Ibiza-Affäre und Spesen-Skandal um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache einen Neuanfang brauche. Kärntens Landesobmann Gernot Darmann sah gar einen „Tsunami“, der über die FPÖ gerauscht sei.
Spindelegger sieht FPÖ nicht aus dem Rennen
Der frühere VP-Vizekanzler und -Obmann Michael Spindelegger sah die FPÖ trotz deren Festlegung auf die Oppositionsrolle nicht völlig aus dem Rennen als möglichen Koalitionspartner der Volkspartei. Aus seiner Sicht gelte es einmal, den „internen Diskussionsprozess“ der Freiheitlichen abzuwarten. Schließlich hätten die Blauen jetzt wochenlang plakatiert, die Koalition mit der ÖVP fortsetzen zu wollen. Vor diesem Hintergrund sei die Festlegung auf die Opposition doch „verwunderlich“, so Spindelegger, der als Förderer von ÖVP-Chef Sebastian Kurz galt und diesen in Regierungsverantwortung nahm, indem er ihm das Integrationsstaatssekretariat überantwortete.
Kogler höhnt über „Sektenmitglieder des Kanzlerdarstellers“
Grünen-Chef Werner Kogler war - vorerst - nicht nur in Feier- sondern auch in Angriffslaune. Vor seinen Parteifreunden bei der Party im Metropol höhnte über die „Sektenmitglieder des Kanzlerdarstellers“. In Interviews war er dann aber schon ein wenig gemäßigter. Jetzt gehe es einmal um Gespräche über die Sinnhaftigkeit, überhaupt an Verhandlungen zu denken. Dann müsste sich jedenfalls etwas radikal ändern gegenüber dem türkis-blauen Kurs. Ähnlich Wiens Chefin Birgit Hebein, die für Gespräche ist, aber daran erinnerte, dass Kurz noch vor Kurzem eine Mitte-rechts-Regierung wollte. Dies werde sich nicht mit den Grünen ausgehen.
Video: Jubel bei Grünen über „größtes politisches Comeback“
SPÖ-Chefin Rendi-Wagner: „Die Richtung stimmt“
SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner hielt sich in ersten Statements zur Koalitionsfrage zurück, will aber weiterarbeiten und überraschte mit der Aussage: „Die Richtung stimmt.“ Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda betonte, zu Regierungsverhandlungen bereit zu sein, auch Tirols Landeschef Georg Dornauer ist hier offen. Zum Beispiel aus Oberösterreich kamen hingegen kritische Stimmen.
Video: Rendi-Wagner will „Weg der Menschlichkeit weitergehen“
NEOS: Können nur vorhandene Mehrheit abstützen
Bei den NEOS wäre man zu konstruktiven Gesprächen über eine Regierungsbildung bereit, man könnte aber höchstens eine ohnehin vorhandene Mehrheit abstützen. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger war dennoch zufrieden, habe doch noch nie eine liberale Partei in Österreich solch ein Ergebnis erzielt. Dies freute sich umso mehr, als auch die direkte Konkurrenz mit ÖVP und Grünen so stark abgeschnitten habe.
Video: NEOS jubeln über „bestes Ergebnis einer liberalen Partei“
Peter Pilz wird jetzt Journalist
Definitiv keine Koalition gibt es mit Peter Pilz, einen Plan B für sich selbst hat der Steirer nach dem Aus für die Liste JETZT aber bereits. „Ich wechsle jetzt mal kurz die Seiten und werde ein Kollege von Ihnen, ob Ihnen das passt oder nicht“, meinte er zu den anwesenden Medienvertretern. Künftig werde er sich um sein Online-Medium zack.zack kümmern.
Video: Pilz enttäuscht über Rauswahl aus Parlament
„Ich bin natürlich enttäuscht“, sagte Pilz bei seiner Ankunft im Medienzentrum zum sich abzeichnenden Wahlergebnis. Man habe zuletzt zwar eine Aufholjagd gestartet, aber: „Wir haben letztlich etwas zu wenig Zeit gehabt.“ Nun sei klar, dass kein Weg mehr ins Parlament führt.
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