Aufstand gegen Deutsch

In SPÖ rumort es: Jetzt Ruf nach Reformparteitag

Österreich
01.10.2019 07:19

Innerhalb der SPÖ brodelt es nach der Schlappe bei der Nationalratswahl gewaltig: Am Montag zog Thomas Drozda die Konsequenzen und trat als Bundesgeschäftsführer zurück. Ihm folgte Christian Deutsch (siehe Video oben), zuletzt Wahlkampfleiter der mäßig erfolgreichen SPÖ-Kampagne. Prompt setzte es massiven Widerstand gegen ihn. Die Vertreter der SPÖ-Jugend (SJ) etwa verließen aus Protest die Vorstandssitzung. Sogar Ex-Parteichef Christian Kern rückt wieder ins Visier der Kritiker. Nun werden Rufe nach einem Reformparteitag lauter. 

„SPÖ muss sich als Gesamtpartei neu aufstellen: inhaltlich, organisatorisch und personell. Habe nach heutiger Sitzung das Gefühl, dass wir das noch öfter fordern müssen, bis wir das umsetzen. Haben Sitzung vorzeitig verlassen, weil sinnlose Diskussion. Arbeiten weiter dran!“, twitterte SJ-Chefin Julia Herr nach der Sitzung am Montag, in der Deutsch zum neuen Bundesgeschäftsführer bestellt wurde. Die Vertreter der SPÖ-Jugend verließen aus Protest gegen den neuen Manager die Vorstandssitzung, um die Berufung Deutschs nicht mittragen zu müssen.

„Das kann ja wohl nicht wahr sein“
Auch die „Sektion 8“ protestierte offen gegen Deutsch. Ihr knapper Kommentar auf Twitter: „Das kann ja wohl nicht wahr sein.“ Laut „Sektion 8“ habe Deutsch als Wahlkampfmanager die mauen 21,5 Prozent der SPÖ bei der Nationalratswahl zu verantworten. Auch der SPÖ-nahe PR-Berater Rudi Fußi ließ seinem Unmut über diese Entscheidung in einer minutenlangen Schimpftirade auf Facebook freien Lauf.

Rendi-Wagner: „Zeitgemäße Modernisierung“
Parteichefin Pamela Rendi-Wagner nannte die Bestellung von Deutsch hingegen eine „zeitgemäße Modernisierung“. Nach der Präsidiumssitzung machte auch Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser klar, wie wenig er von der Entscheidung hält: „Das ist zur Kenntnis zu nehmen“, sagte er mit versteinerter Miene, die Verantwortung liege bei der Vorsitzenden. Das letzte Wort ist aber wohl noch nicht gesprochen.

Das neue SPÖ-Führungsduo Rendi-Wagner und Deutsch (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Das neue SPÖ-Führungsduo Rendi-Wagner und Deutsch

Lercher: „SPÖ braucht massive Veränderung“
Auch andere hochrangige SPÖ-Politiker probten am Montag den Aufstand gegen die Wiener Löwelstraße, der die schmerzhafte Wahlniederlage angelastet wird. So etwa der ehemalige steirische Bundesgeschäftsführer Max Lercher: „Die SPÖ braucht eine massive Veränderung“, schrieb er auf Facebook. Und weiter: „Wir müssen damit aufhören, uns von Niederlage zu Niederlage zu verwalten.“ Zur Einordnung des Wut-Postings: Lercher war von Rendi-Wagner abgesetzt und durch Drozda ersetzt worden.

Schickhofer grenzt sich von Bundes-SPÖ ab
Ebenfalls aus der Steiermark ließ der dortige SPÖ-Chef Michael Schickhofer ausrichten, dass er bis auf Weiteres keine bundespolitischen Funktionen mehr wahrnehme.

Michael Schickhofer (SPÖ) (Bild: Erwin Scheriau)
Michael Schickhofer (SPÖ)

Für viele stimmt die Richtung nicht
In anderen Bundesländern wird die Revolte weniger offen zur Schau getragen. Ein roter Landeschef, der anonym bleiben möchte, sagt: „Als die Parteichefin meinte, die Richtung stimme, haben wir uns an den Kopf gegriffen.“ Er plauderte aus dem Nähkästchen: Es sei bei Wählern oft zu hören gewesen, dass die SPÖ passe, man aber Rendi-Wagner nicht wähle. Auch ein Parteiinsider sprach gegenüber der „Krone“ Klartext: Die Wahlkampftruppe habe bewiesen, dass sie es nicht könne. Und auch diesen Ratschlag gab es nur ohne Namensnennung: „Wenn man Ibiza nicht nutzen kann, sollte man mit der Politik aufhören.“ 

Dornauer: „FPÖ-Wähler wählt keine Frau mit Doppelnamen“
Und auch Tirols SPÖ-Landeschef Georg Dornauer verschaffte sich Luft: „Zu sagen, dass der Sebastian Kurz ganz ein Schlimmer ist, wird zu wenig sein.“ Seine gewagte Analyse in Sachen möglicher Wechselwähler: „Der klassische FPÖ-Wähler wählt keine Frau mit Doppelnamen.“

Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer

Scharfe Kritik auch an Ex-SPÖ-Kanzler Kern 
Von manchen in der Partei wird auch Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern eine Mitverantwortung für das schlechte Ergebnis in die Schuhe geschoben. Sein Abgang von der Spitze 2018 sei chaotisch gewesen, er habe Wunschnachfolgerin Rendi-Wagner einen Scherbenhaufen hinterlassen, so die Kritik sinngemäß. Das Fass zum Überlaufen brachte offenbar „Falter“-Herausgeber Armin Thurnher, der am Montagabend auf Puls 24 sagte, Kern habe „die persönliche Integrität gefehlt, die man als Parteichef braucht“.

Daraufhin rückte Kerns Familie zur Verteidigung aus. Eveline Steinberger-Kern, die Ehefrau des Ex-Kanzlers, ließ ihrer Wut auf Twitter freien Lauf und schrieb unter anderem, man habe ihren Mann „rausgemobbt“.

„Derzeitige Parteistruktur entspricht dem ausgehenden 19. Jahrhundert“
Der ehemalige SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer aus Oberösterreich forderte nach der Schlappe seiner Partei bei der Nationalratswahl einen Reformparteitag, denn die derzeitige Struktur der Partei „entspricht dem ausgehenden 19. Jahrhundert“. Anstatt immer alles an Personaldiskussionen festzumachen, solle man die Instrumente der Mitbestimmung an das digitale Zeitalter anpassen.

Der ehemalige SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer (Bild: APA/THOMAS SCHMIDT)
Der ehemalige SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer

Personalpolitische Dinge seien „einfach zu vermitteln“, so Weidenholzer, aber „es geht um strukturelle Reformen“. Die Frage sei, wie man Personalentscheidungen treffe, die Parteiführung bestimme oder auch Richtungs- und Koalitionsentscheidungen fälle. „Jedes Unternehmen gibt sich neue Entscheidungsabläufe“, aber jene der SPÖ würden aus einer Zeit stammen, in der es „noch nicht einmal das Telefon gegeben hat“.

„Zeit, mehr Demokratie zu wagen“
Die Stärke der SPÖ sei ihre Breite, ihre Verwurzelung in verschiedenen Milieus. „Politik reduziert sich nicht auf ein paar Personen.“ Er verwies darauf, dass es in der Geschichte der SPÖ erst einmal eine Kampfabstimmung um den Parteivorsitz gegeben habe - damals setzte sich Bruno Kreisky durch - und das der SPÖ „sehr gut getan hat“. Es sei Zeit, „mehr Demokratie zu wagen“.

krone.at/Kronen Zeitung

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