Im Nationalrat dürfte es im September zu einem Abstimmungsfehler gekommen sein, der niemandem auffiel. Laut der „Politometer“-Fotodokumentation wurde ein (unverbindlicher) Entschließungsantrag als abgelehnt gewertet, obwohl eine Mehrheit der Abgeordneten dafür gestimmt hatte, berichtete Addendum.org am Freitag. Die Materie ist durchaus brisant: Es ging um das geplante Verbot der Identitären.
Der Antrag stammte von der Liste JETZT. Darin wurde der Innenminister aufgefordert, die Vereine der Identitären aufzulösen. SPÖ und FPÖ (vor der Wahl Ende September noch mit einer Mehrheit ausgestattet) stimmten gegen den Antrag, ÖVP, NEOS und JETZT dafür. Einige Mandatare waren jedoch nicht im Raum, und die Abstimmung endete letztlich mit fotografisch dokumentierten 70 Stimmen für und 67 Stimmen gegen die Entschließung.
Kitzmüller fälschlich: „Das ist die Minderheit, abgelehnt“
Die damalige Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) bemerkte dies offensichtlich nicht. „Das ist die Minderheit, abgelehnt“, stellte sie fest. Formal blieb es auch dabei: Das festgestellte Abstimmungsergebnis wurde in der Sitzung nicht in Zweifel gezogen und auch nicht beeinsprucht, als das amtliche Protokoll zur Einsicht auflag, wie der APA in der Parlamentsdirektion erklärt wurde. Damit ist es gültig, egal was nun ein Foto belegt.
Wobei es nicht so ist, dass sich die Vorsitzenden bei Abstimmungen einfach auf die Mehrheitsverhältnisse der Fraktionen und Klubzwang beim Abstimmungsverhalten verlassen: Ein- bis zweimal pro Gesetzgebungsperiode kommt es durchaus vor, dass ein Ergebnis in Zweifel gezogen und nachgezählt wird, heißt es im Parlament.
Technik könnte Pannen verhindern - aber Fraktionen blockieren
Ausräumen könnte man solche Unwägbarkeiten, wenn im Nationalrat endlich eine elektronische Abstimmungsanlage eingeführt würde, wie sie in anderen Staaten längst üblich ist. Die Möglichkeit zur Nutzung einer solchen wurde bereits 1998 in die Geschäftsordnung aufgenommen, eine Verpflichtung jedoch nicht. Die Parteien müssten sich darauf einigen und die Geschäftsordnung entsprechend adaptieren.
Ein Hindernis dafür könnte die Sorge der alteingesessenen Fraktionen um den Klubzwang sein: Wird verdeckt elektronisch abgestimmt statt im Plenarsaal aufgestanden, können sie die Klubtreue ihrer Mandatare bei den Abstimmungen nicht mehr kontrollieren. Würde hingegen jede Abstimmung namentlich dokumentiert, müsste jeder Mandatar persönlich dafür geradestehen. Zudem wäre jedes Votum eine „namentliche Abstimmung“, was derzeit nur in Ausnahmefällen und auf Antrag vorkommt.
Neues Parlament bietet Infrastruktur für elektronische Abstimmung
Technisch möglich wird die elektronische Abstimmung jedenfalls bald sein: Im sanierten Parlament, das in zwei Jahren fertig sein soll, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen.
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