Nachdem der Verfassungsgerichtshof im Dezember wesentliche Elemente der Mindestsicherungsreform der ÖVP-FPÖ-Regierung für verfassungswidrig erklärt hatte, liebäugelte der neue grüne Sozialminister Rudolf Anschober im APA-Interview mit einer Verländerung der Mindestsicherung. Schon jetzt gebe es in etlichen Bundesländern wie Tirol, Vorarlberg und Wien „sehr spannende Lösungen“. Aus Tirol und Vorarlberg begrüßte man Anschobers Vorstoß, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sprach sich für eine bundeseinheitliche Lösung aus.
Platter will am Tiroler Modell festhalten
Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hält einen neuerlichen Anlauf für eine bundesgesetzliche Regelung der Mindestsicherung für ausgeschlossen. Im türkis-grünen Regierungsprogramm sei man „klar übereingekommen, dass die Länder die Ausführungsgesetze gestalten“, so Platter. Selbst wolle man am „Tiroler Modell“ festhalten.
Dieses stimme schon jetzt mit den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs überein und könne deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiterhin Bestand haben. „Juristen werden jetzt schauen, wo Anpassungen notwendig sind“, fügte Platter hinzu. Mögliche Anpassungen wolle man dann nach dieser Prüfung vornehmen und beschließen.
Vorarlberg: „Zunächst präzisieren, was gemeint ist“
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) äußerte sich ebenfalls dahin gehend, dass man die aktuelle Form beibehalten wolle, wonach der Bund die Grundsatzgesetzgebung liefere und die Länder diese dann umsetzten. Bei einer allfälligen Verländerung „wäre zunächst zu präzisieren, was damit gemeint ist“, sagte Wallner.
Auch nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs könne das Vorarlberger Modell im Wesentlichen bestehen bleiben. „Unsere Lösung ist verfassungskonform“, betonte Wallner.
Ludwig für bundeseinheitliche Lösung
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig reagierte gelassen auf die Ankündigung Anschobers: „Als Wiener Bürgermeister und Landeschef habe ich mich immer für eine bundeseinheitliche Lösung mit Spielraum für die Länder bei den Wohnkosten ausgesprochen“, betonte Ludwig am Dienstag am Rande eines Mediengesprächs. Er wolle hier auf einen konkreten Vorschlag der Bundesregierung warten.
Die Bundes-SPÖ lehnte es unterdessen ab, die Mindestsicherung in die Hände der Länder zu geben, „denn das macht Kinder unterschiedlich viel wert“, sagte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am Dienstag.
Grüner Gegenwind aus Salzburg
Salzburgs grüner Landeshauptmannstellvertreter Heinrich Schellhorn hielt eine Übertragung der Zuständigkeit für die Mindestsicherung an die Länder für „nicht unbedingt zweckmäßig“. Im APA-Gespräch sagte Schellhorn außerdem: „Grundsätzlich wäre eine einheitliche Ausgangslage schon sinnvoll, wobei man natürlich auf die länderspezifischen Gegebenheiten Rücksicht nehmen muss.“
Waldhäusl: Unterschiedliche Gesetze unterstützen Sozialtourismus
Auch der zuständige niederösterreichische FP-Landesrat Gottfried Waldhäusl sprach sich für eine einheitliche Regelung aus: „Unterschiedliche Mindestsicherungsgesetze in den Bundesländern haben zur Folge, dass der Sozialtourismus weiter besteht und etwa Länder wie Wien Migranten viel stärker unterstützen“, sagte Waldhäusl. So werde viel Steuergeld verschleudert.
Einheitliche Lösung hätte den meisten Charme
Für eine einheitliche Lösung plädierte auch Kärntens Sozialreferentin Beate Prettner (SPÖ). „Das hätte nicht nur den meisten Charme, sondern macht auch den meisten Sinn“, sagte sie. Der Bund dürfe sich nun aber nicht aus der Verantwortung stehlen.
Gerald Loacker von den NEOS konnte dem Vorstoß Anschobers nichts abgewinnen. „Den Gedankenspielen des grünen Sozialministers fehlt jede Weitsicht. Neun voneinander unabhängige Systeme der Mindestsicherung bringen nur Chaos. Schließlich ist die Mindestsicherung in vielen Fällen eine Aufstockung auf eine bundesweit einheitliche Leistung wie zum Beispiel die Notstandshilfe“, sagte er.
Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte bereits Anfang Jänner gesagt, dass die Länder künftig wieder selbst für die Ausgestaltung der Mindestsicherung verantwortlich sein könnten. Dass es eine von ihm in der ÖVP-FPÖ-Regierung angestrebte Vereinheitlichung nicht geben werde, finde er zwar schlecht, aber es sei zu respektieren.
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