Erfolg für Max Schrems: Der Europäische Gerichtshof hat am Donnerstag die Regeln für Datentransfers aus der EU in die USA gekippt und für ungültig erklärt. Konkret ging es um die Frage, ob europäische Unternehmen weiterhin auf Grundlage der geltenden EU-Regeln personenbezogene Daten an andere Unternehmen übermitteln dürfen. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die globale Wirtschaft haben.
Die Übermittlung von personenbezogenen Daten, etwa über Facebook, entspreche nicht den Anforderungen des Unionsrechts, erklärte der EuGH in seinem Urteil und kippte damit das 2016 beschlossene Datenaustauschabkommen „Privacy Shield“ zwischen der EU und den USA. Auf Basis sogenannter Standardvertragsklauseln könnten Nutzerdaten von EU-Bürgern aber weiterhin in die USA und andere Staaten übertragen werden, urteilten die Luxemburger Richter.
Der EuGH begründete seine Entscheidung insbesondere damit, dass EU-Bürger in den USA keinerlei Möglichkeit hätten, gerichtlich gegen US-Behörden vorgehen zu können. Die Einschränkungen des Datenschutzes durch „Privacy Shield“ würden sich unter anderem daraus ergeben, dass US-Behörden auf die personenbezogenen Daten nach US-Recht zugreifen und diese verwenden dürften. Die Verwendung der Daten sei nicht auf das „zwingend erforderliche Maß beschränkt“, betonten die Richter.
Hintergrund war eine Beschwerde des Datenschutzaktivisten Max Schrems. Der österreichische Jurist hatte bei der irischen Datenschutzbehörde beanstandet, dass Facebook Irland seine Daten an den Mutterkonzern in den USA weiterleitet. Er begründete seine Beschwerde damit, dass Facebook in den USA dazu verpflichtet sei, US-Behörden wie der NSA und dem FBI die Daten zugänglich zu machen - ohne dass Betroffene dagegen vorgehen können.
„Totaler Schlag“
Schrems zeigte sich in einer ersten Reaktion „sehr erfreut“ über das Urteil. Es sei ein „totaler Schlag“ gegen die irische Datenschutzbehörde DPC und Facebook. Er forderte eine „ernsthafte Änderung“ der Überwachungsgesetze in den USA. Diese sei notwendig, „wenn US-Unternehmen weiterhin eine Rolle auf dem EU-Markt spielen wollen“, hieß es auf der Website seiner in Wien ansässigen Organisation noyb.
Der Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Öe hatte bereits Mitte Dezember des Vorjahres Bedenken bezüglich „Privacy Shield“ angemeldet. Das Abkommen wurde zwischen der EU und den USA ausverhandelt, nachdem sein Vorgängerabkommen „Safe Harbor“ 2015 - ebenfalls nach einer erfolgreichen Klage von Schrems - gekippt worden war. Auch damals bestätigte der EuGH die Ansicht von Schrems und entschied, dass die Massenüberwachung die europäischen Grundrechte verletzt. Das „Safe Harbor“-System, das den Datentransfer zwischen der EU und den USA ermöglichte, wurde für ungültig erklärt.
SPÖ, Grüne und NEOS erfreut über EuGH-Urteil
SPÖ, Grüne und NEOS begrüßten das Urteil. Dass der Europäische Gerichtshof das Datenschutzabkommen „Privacy Shield“ kippt, sei ein „Sieg für Datenschutz, digitale Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit“, freute sich etwa der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak in einer Aussendung. Das Urteil weise die USA und deren „überbordenden Überwachungsstaat“ klar in die Schranken.
Die Gefahr, dass US-Behörden wie NSA und FBI leicht auf Daten von EU-Bürgern zugreifen können, sei nun „gestoppt“, erklärten der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried und der SPÖ-Datenschutzsprecher Christian Drobits. Als „guten Tag für die europäischen Grundrechte“ bezeichnete die SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath Schrems‘ Erfolg gegen Facebook und andere Konzerne, die von dem Urteil betroffen sind. „Wenn sich die US-amerikanischen Internetriesen nicht an EU-Datenschutzstandards halten, ist der Datenaustausch nicht zulässig“, so Vollath. Die Kommission müsse nun einen verbindlichen Weg finden, damit Daten von EU-Bürgern weltweit „endlich nach europäischen Standards gesichert werden“.
Süleyman Zorba, Sprecher für Netzpolitik und Digitalisierung der Grünen, forderte eine Änderung der Überwachungsgesetze in den USA. Ziel müsse sein, dass „alle sensiblen persönlichen Daten in Europa und damit geschützt bleiben“. Michel Reimon, Europasprecher der Grünen, wünscht sich eine „härtere grundsätzliche Gangart gegenüber Irland“, wo Facebook seinen Europa-Sitz hat. „Irland bietet sich US-Konzernen wie Facebook und Apple als Stützpunkt in Europa an, indem es ihnen de facto Steuerflucht aus allen anderen EU-Ländern ermöglicht“, gleichzeitig schaue das Land weg, wenn sensible Daten in die USA geschickt werden. „Dieses Geschäftsmodell muss jetzt von den anderen Mitgliedsstaaten unterbunden werden“, appellierte Reimon an die EU-Kommission.
US-Regierung „zutiefst enttäuscht“
Erwartungsgemäß enttäuscht reagierte die US-Regierung auf das EuGH-Urteil. Er sei „zutiefst enttäuscht“ über das Luxemburger Urteil gegen die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, erklärte US-Handelsminister Wilbur Ross am Donnerstag in Washington und schloss wirtschaftliche Nachteile für die EU wegen des Urteils nicht aus. Die USA hofften, „in der Lage zu sein, die negativen Konsequenzen auf die 7,1 Billionen Dollar schweren transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen zu begrenzen, die so wichtig für unsere jeweiligen Bürger, Unternehmen und Regierungen sind“, erklärte Ross.
Jetzt, da die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks ihre „Post-Covid-19-Erholung“ fortsetze, sei es für die mehr als 5300 im Rahmen des Abkommens kooperierenden Unternehmen entscheidend, „Daten ohne Unterbrechung zu transferieren“, fügte der US-Minister hinzu.
Auch die Computerbranche kritisierte das Urteil, da die Unternehmen nun keine Rechtssicherheit mehr hätten. Internationale Datenströme und digitale Geschäftsprozesse seien „das Fundament einer globalisierten Wirtschaft“, erklärte etwa Susanne Dehmel von der Geschäftsleitung des deutschen Digitalverbandes Bitkom.
Die EU-Kommission reagierte zurückhaltend. Man müsse das Urteil in Ruhe analysieren. Eine Priorität der Brüsseler Behörde sei, den Schutz personenbezogener Daten beim transatlantischen Datenverkehr zu garantieren, sagte die zuständige Kommissarin Vera Jourova. Bereits für Freitag sind Gespräche mit dem US-Handelsminister Wilbur Ross geplant.
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