Die Präsentation des lang erwarteten Gesetzespakets gegen Hass im Netz hat die Opposition am Donnerstag nicht wirklich zufriedengestellt. SPÖ und FPÖ kritisierten, dass die Verantwortung zur Löschung von beanstandeten Inhalten letztlich wieder bei den großen Online-Konzernen liege. Die NEOS begrüßten das Gesetz grundsätzlich, vermissen aber die Zielgenauigkeit.
Katharina Kucharowits, netzpolitische Sprecherin des SPÖ-Parlamentsklubs, zeigte sich in einer Aussendung skeptisch. Der Gesetzesentwurf übergebe die Verantwortung zur Löschung von Inhalten wieder den großen Plattformen selbst, kritisierte sie. „Die Entscheidung, ob etwas verboten oder erlaubt ist, muss eine staatliche bzw. unabhängige Stelle treffen und nicht ein privater Online-Monopolist“, forderte die Abgeordnete.
Während dem Nationalrat noch nichts schwarz auf weiß vorliegt, liegt der Gesetzesentwurf bereits bei der EU-Kommission zur Notifikation.
Katharina Kucharowits, SPÖ
Außerdem erwartet die SPÖ-Politikerin einen Mehraufwand für die Justiz. „Die Gerichte sind jetzt schon überlastet“, betonte sie und verlangte mehr Geld und mehr Personal für die Justiz. Weiters warf Kucharowits der Regierung vor, keinen großen Wert auf den Parlamentarismus zu legen. „Während dem Nationalrat noch nichts schwarz auf weiß vorliegt, liegt der Gesetzesentwurf bereits bei der EU-Kommission zur Notifikation“, kritisierte sie. Die Begutachtung müsse aber ernst genommen werden, forderte sie.
Statt österreichischer Juristen werden zukünftig Praktikanten von Großkonzernen - auf Zuruf - über Österreicher urteilen.
Susanne Fürst, FPÖ
Harsche Kritik von der FPÖ
FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst sieht das neue Kommunikationsplattformen-Gesetz nicht als Paket gegen Hass im Netz, sondern als Justiz-Entlastungspaket, wie sie in einer Aussendung mitteilte. Statt einem schnelleren Zugang der Österreicher zu ihrem Recht vor einem österreichischen Gericht führe man damit eine neue Beschwerdestruktur ein, in der US-Konzerne darüber entschieden, wer auf Twitter, Facebook oder auch in der WhatsApp-Familiengruppe was schreiben dürfe, befürchtet Fürst. „Statt österreichischer Juristen werden zukünftig Praktikanten von Großkonzernen - auf Zuruf - über Österreicher urteilen“, kritisierte die Freiheitliche.
Fürst sieht in dem Paket der Regierung außerdem einen „weiteren Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte“, wie sie sagte. „Unter dem Vorwand, eine bessere und schnellere Rechtsdurchsetzung zum Beispiel für Mobbingopfer gewährleisten zu können, will die Regierung missliebige Meinungen kriminalisieren lassen“, vermutet Fürst.
Jedes Gesetz, das Opferrechte stärkt und es Betroffenen leichter macht, gegen Hass im Netz vorzugehen, ist zu begrüßen.
Douglas Hoyos, NEOS
NEOS kritisieren zu niedrige Umsatzgrenzen
Die NEOS sehen das neue Gesetz grundsätzlich positiv, vermissen aber die Zielgenauigkeit, teilten sie am Donnerstag mit. „Jedes Gesetz, das Opferrechte stärkt und es Betroffenen leichter macht, gegen Hass im Netz vorzugehen, ist zu begrüßen“, reagierte NEOS-Digitalisierungssprecher Douglas Hoyos auf den Gesetzesvorschlag. Allerdings sind ihm die Pläne nicht treffsicher genug. „Entgegen der Absicht der Ministerinnen, hauptsächlich die großen Plattformen erwischen zu wollen, sind die Grenzen mit 100.000 Userinnen und Usern und 500.000 Euro Umsatz zu niedrig“, kritisierte er.
Eine national betriebene Fragmentierung zeugt von einem schockierenden Mangel an Vertrauen in die Arbeit der EU-Institutionen, läuft somit dem europäischen Gedanken zuwider und schadet der europäischen Wirtschaft.
Maximilian Schubert, Provider-Verband ISPA
Kritik von epicenter.works und ISPA
Neben der Opposition kritisieren auch die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works und der Verband der Internetprovider (ISPA) den Gesetzesentwurf. epicenter.works warnt, das Gesetz könne zum Problem für Start-ups werden und definiere nicht klar genug, welche Plattformen ihm unterliegen und welche nicht. Die ISPA hätte lieber eine gesamteuropäische Lösung, an der in Brüssel gearbeitet wird. ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert: „Eine national betriebene Fragmentierung zeugt von einem schockierenden Mangel an Vertrauen in die Arbeit der EU-Institutionen, läuft somit dem europäischen Gedanken zuwider und schadet der europäischen Wirtschaft.“
Amnesty pocht auf Meinungsfreiheit
Amnesty International bezeichnete die Maßnahmen als „wichtig und überfällig“. „Hass im Netz hat gravierende negative Auswirkungen auf unser Zusammenleben und auf unsere Rechte: Diskriminierende und zu Gewalt aufstachelnde Äußerungen können dazu führen, dass sich Betroffene aus öffentlichen Debatten zurückziehen und aus Angst vor persönlichen Angriffen ihr Recht auf Meinungsfreiheit nicht mehr in Anspruch nehmen“, so Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, in einer Aussendung.
Es muss für alle Menschen möglich sein, eine Meinung in eine Debatte einzubringen.
Annemarie Schlack, Amnesty International Österreich
Die Organisation wies allerdings darauf hin, dass diese Maßnahmen nicht zulasten der Meinungsäußerungsfreiheit gehen dürften. Die Meinungsäußerungsfreiheit müsse geschützt werden, forderte Amnesty in einer ersten Reaktion. „Es muss für alle Menschen möglich sein, eine Meinung in eine Debatte einzubringen“, so Schlack. Die Entscheidung, ob Inhalte rechtswidrig sind oder nicht, dürfe nicht an private Unternehmen ausgelagert werden, hieß es. Außerdem fordert Amnesty weitere Maßnahmen und ausreichende Ressourcen für Beratungsstellen, Schulungen und zur Unterstützung von Betroffenen.
ZARA begrüßt besseren Schutz für Betroffene
Die Beratungsstelle ZARA sieht das Gesetzespaket ebenfalls als „wichtigen Schritt in Richtung Ausweitung und Stärkung des Schutzes von Betroffenen“, wie es in einer Stellungnahme hieß. Positiv bewertet wurde etwa, dass die Verantwortung für die Strafverfolgung nicht mehr im Bereich der betroffenen Personen liege. Es stelle sich aber die Frage, „ob Meinungsfreiheit insofern gegeben ist, dass weder Menschen in ihrer Menschenwürde verletzt und aus dem Netz vertrieben werden, noch dass Plattformen aufgrund mangelhafter Vorgaben zu viele und intransparente Löschungen vornehmen“, so ZARA.
Trotz niedriger Kosten und einfacherer Verfahren kann der Gang zum Gericht eine Hürde darstellen.
Caroline Kerschbaumer, ZARA
Ähnlich wie von Amnesty kam auch von ZARA die Forderung, Betroffene nicht nur durch gesetzliche Rahmenbedingungen, sondern auch in der Praxis zu unterstützen. „Trotz niedriger Kosten und einfacherer Verfahren kann der Gang zum Gericht eine Hürde darstellen“, betonte Geschäftsführerin Caroline Kerschbaumer. „Um effektiv, praxistauglich und nachhaltig Hass im Netz zu bekämpfen, müssen daher ausreichend und nachhaltig Ressourcen für Anlaufstellen für Betroffene, wie die Beratungsstelle #GegenHassimNetz sowie für begleitende Präventionsarbeit zur Verfügung gestellt werden“, forderte sie.
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