Minister zu Covid-Lage

„Wäre überrascht, wenn Trend massiv steigt“

Politik
09.09.2020 06:00

Orange Ampel in Wien, Ski-Urlaub, Schul-Chaos und Impfpflicht: Gesundheitsminister Rudolf Anschober im „Krone“-Interview.

„Krone“: Von Montag auf Dienstag gab es 520 Neuinfektionen - so viele wie zuletzt im April. Sind Sie besorgt?
Rudolf Anschober: Eine so hohe Zahl ist Anlass zur Sorge. Aber wir wissen schon mehr. Es gab in Wien gehäufte Zahlen, weil am Wochenende die Bearbeitung in den Laboren nicht so schnell gegangen ist. Das ist eine mögliche, nachvollziehbare Erklärung. Es würde mich überraschen, wenn es plötzlich einen massiv steigenden Trend gäbe, weil die Situation zuletzt sehr stabil war. Theoretisch kann das aber immer passieren.

Wird in Wien die Corona-Ampel jetzt auf Orange springen?
Der starke Anstieg in Wien wird in die Arbeit der Ampel-Kommission am Donnerstag einfließen. Derzeit ist die Stadt von Orange deutlich weg und ich sehe keinen Hinweis auf ein Umspringen. Allerdings bewundere ich Menschen, die in die Zukunft sehen können. Ich kann es nicht.

Gehen Sie bei den 340 neuen Fällen in Wien von einem Cluster aus?
Ob es einen großen Cluster gibt, weiß man am Mittwoch. Klar ist aber, dass Wien bei den Testungen sehr fleißig ist, und bei vielen Tests steigen natürlich Zahlen. Das ist aber auch ein Schritt in Richtung Sicherheit, weil man schneller eingreifen kann. 

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Derzeit ist Wien von Orange deutlich weg, und ich sehe keinen Hinweis auf ein Umspringen der Corona-Ampel.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober

Aktuell steht die Ampel in Wien auf Gelb, dasselbe gilt für Linz. Der dortige Bürgermeister (SPÖ) sowie Landeshauptmann Stelzer (ÖVP) hatten für diesen Schritt wenig Verständnis …
Ich verstehe, dass bei den Betroffenen keine Begeisterung ausbrechen. Allerdings sitzt aus jedem Bundesland ein Vertreter in der Ampel-Kommission und ich habe am Abend vor der ersten Ampelschaltung mit allen Landeshauptleuten telefoniert. Manche sahen es lockerer, ich hatte sehr gute Telefonate mit Ludwig (Wien, SPÖ), Platter (Tirol, ÖVP) und Schützenhöfer (Steiermark, ÖVP). 

Wie kam es dann zur Verstimmung mit Ihrem Heimatbundesland Oberösterreich?
Die Oberösterreicher sind wohl davon ausgegangen, dass nach ihrer sehr guten und intensiven Arbeit in den Sommermonaten rund um die dortigen Cluster jetzt alles gut ist. Das ist immer eine Frage der Erwartungshaltung: Wien zum Beispiel ist von Haus aus von Gelb ausgegangen. Man sieht aber weltweit: Städtische Ballungszentren haben es zurzeit deutlich schwerer. Vorsichtig muss man aber überall sein.

Verstimmung gibt es auch bei vielen Eltern - sie fürchten durch die Ampel wochenweise Änderungen bei den Vorgaben für den Schulunterricht. Warum gibt es für Bildungseinrichtungen keinen Langfristplan?
Hätten wir das gemacht, hätten wir nur das Worst-Case-Szenario annehmen können. Das wollten wir nicht. Wir wollten möglichst normalen Zugang zu Schulen ermöglichen. Ich gehe aber davon aus, dass es kein sprunghaftes Verändern des Unterrichts geben wird, sondern weitgehende Kontinuität.

Ihr Regierungspartner, Kanzler Sebastian Kurz, hat sich dagegen ausgesprochen, Skigebiete zu schließen. Steht der Tourismus über der Sicherheit?
Wir arbeiten gerade an Standards für gut geschützten Wintertourismus, im Lauf der nächsten Woche sollen sie fertig sein. Ich gehe davon aus, dass ein sicherer Skiurlaub auch in Zeiten von Corona in Österreich möglich sein wird. 

(Bild: stock.adobe.com)

Verordnungen aus Ihrem Ministerium standen schon öfter in der Kritik. Nun hat das neue Covid-Gesetz über 10.000 Stellungnahmen. So viele wie kein anderes. Wie gehen Sie damit um?
Ich bin dankbar und froh darüber, wir werden verantwortungsvoll damit umgehen und die großen Grundthemen detailliert analysieren. Wir können nicht alle berücksichtigen, aber ich verspreche einen seriösen Umgang. Der Gesetzgebungsvorgang wird sich dadurch nicht verschieben. 

Außer, die Opposition nutzt ihre Möglichkeit, das Gesetz im Bundesrat zu verzögern …
Ich habe großes Vertrauen, dass die Opposition nicht justament verzögert. 

Warum verhandelt Österreich nicht selbst mit Anbietern eines Corona-Impfstoffes?
Ich halte nationale Alleingänge für ganz schlecht. Deshalb hat die EU vor zwei Monaten schon mit den Verhandlungen begonnen. Das ist gut für uns, weil wir es als kleines Österreich im Wettbewerb viel schwerer haben als die große EU. Sie tritt mit mehr Marktmacht auf und übernimmt auch die Risikoabsicherung. Das erspart uns viel Geld. Man darf nicht vergessen: Wir machen jetzt Verträge mit Firmen, die zwar weit sind in der Vorbereitung, aber noch keine Marktzulassung haben. Da bleibt immer ein Fragezeichen. 

400 Millionen Impfdosen - sechs Millionen davon für Österreich - hat sich die EU bereits vom Anbieter Astra Zeneca gesichert. Mit wie vielen wird noch verhandelt?
Es wird mit sechs weiteren intensiv verhandelt. Ich bin optimistisch, dass es noch im Oktober eine Mehrzahl an Abschlüssen gibt. Fraglich ist, wann es eine Marktzulassung gibt. Da steht Sicherheit zuerst, dann erst Tempo. Eine weise Entscheidung der EU war es, Sicherheitsauflagen nicht mehr nur nacheinander zu überprüfen, sondern parallel. Das macht mehr Personal notwendig, aber es ist schaffbar und wir behalten Sicherheitsstandards.

Man werde niemanden zwingen, verspricht Minister Anschober. Er werde aber mit positivem Beispiel vorangehen und sich impfen lassen. (Bild: AFP)
Man werde niemanden zwingen, verspricht Minister Anschober. Er werde aber mit positivem Beispiel vorangehen und sich impfen lassen.

Sie wollen einen „niederschwelligen“ Zugang zur Impfung für alle Österreicher. Was bedeutet das?
Das erste Ziel ist es, ausreichend Dosen für alle Menschen zu haben, die in Österreich leben. Zweitens darf es nicht am Preis scheitern. Wir entscheiden in den nächsten zwei bis drei Wochen, wie viel Budget dafür notwendig ist. Ob die Impfung vollkommen gratis ist, werden wir erst noch in der Regierung besprechen. 

Impfstoff für alle klingt gut - aber die Hälfte der Österreicher hat aktuell kein Interesse an einer Impfung. Wird es eine Impfpflicht geben?
Wir werden niemanden zwingen. Ich selbst werde als Beispiel vorangehen und mich impfen lassen. Die Impfung ist nicht die Lösung für alles, aber wir können damit das Risiko schrittweise deutlich verringern. 

Schließen Sie auch eine Impfpflicht für bestimmte Gruppen - etwa im Gesundheitsbereich - aus?
Ich gehe davon aus, dass es gerade in sensiblen Bereichen genug Eigenverantwortung gibt. Es wird keine Impfpflicht geben, auch nicht für Kinder.

Teresa Spari, Kronen Zeitung

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