Kein Tag ohne neue Corona-Schlagzeile: Diesmal waren es die Bundesländer Tirol, Vorarlberg und Salzburg, die plötzlich mit einer vorverlegten Sperrstunde - die zumindest für drei Wochen, also bis zur Wien-Wahl, gilt - für Aufsehen sorgten. Das sei „in Abstimmung“ mit dem Kanzleramt geschehen, hieß es aus den Ländern. Offenbar hatte der Kanzler bereits seit Tagen Druck in diese Richtung ausgeübt - vor allem, um ein Signal an die Bundeshauptstadt zu senden. In Wien denkt man freilich nicht daran, sofort zu reagieren, und kritisiert die „Hü-Hott-Politik“ der Regierung. Außerdem fürchtet man einen Anstieg illegaler Partys.
„Ich bin sehr froh, dass sich Salzburg, Tirol und Vorarlberg entschieden haben, die Sperrstunde (von 1 Uhr früh auf 22 Uhr, Anm.) vorzulegen. Das ist ein wichtiger Schritt“, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag in einem Statement gegenüber krone.tv (Video oben). „Es geht darum, auch die Arbeitsplätze zu sichern, es geht um Reisewarnungen.“ Nicht nur Wien macht Kurz sorgen. „Wir haben besonders im Raum Niederösterreich Zahlen, die meiner Meinung nach zu hoch sind.“ Er hoffe, dass andere Bundesländer dem westlichen Beispiel folgen. „Ich hab versucht, die Bundesländer dazu zu bewegen, hier nachzuschärfen“, räumte er ein. „Um sicherzustellen, dass die Corona-Zahlen nicht ins Unermessliche steigen.“
Kurz: „Reisewarnungen vernichten Arbeitsplätze“
Natürlich könne man jetzt noch ein paar Wochen Partys in der Nacht zulassen, „und die Leut‘ werden eine Freude haben“, aber wenn dann im Dezember kein einziger Tourist komme, weil es eine Reisewarnung gebe, vernichte das Arbeitsplätze, meinte Kurz. Sowohl in Wien mit SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig als auch in Niederösterreich mit seiner Parteikollegin Johanna Mikl-Leitner als Landeshauptfrau biss der Kanzler mit dieser Argumentation vorerst auf Granit: Er habe versucht, sie dafür zu gewinnen, aber „die beiden Bundesländer folgen derzeit nicht dem Beispiel der westlichen Bundesländer“. Auch die Steiermark, Oberösterreich, Kärnten und das Burgenland ziehen vorerst nicht mit.
Ludwig: „Es gehen nicht alle schlafen“
Für Wiens Bürgermeister stellt es kein großes Problem dar, wenn Personen nach 22 Uhr an einem Tisch sitzen, wie er am Dienstag rasch nach der Bekanntgabe der neuen Sperrstunden-Regelung im Westen betonte. Es sei ihm lieber, wenn sich Menschen in der Gastronomie treffen als bei illegalen Veranstaltungen. Diese seien in Wien zuletzt ein Problem gewesen. Sollte die Sperrstunde vorverlegt werden, würden wohl „nicht alle schlafen gehen“. Vielmehr sei mit mehr nicht genehmigten Treffen zu rechnen.
Sollte man Schritte setzen, werde Wien dies gemeinsam mit Niederösterreich tun, so Ludwig. Er habe mit Landeshauptfrau Mikl-Leitner schon darüber gesprochen. Ludwig erinnerte auch daran, dass Wien in manchen Bereichen auch strengere Maßnahmen gefordert habe - etwa beim Mund-Nasen-Schutz, der zunächst nur für einige Geschäfte wiedereingeführt worden war. Für die Bevölkerung sei eine „Hü-Hott-Politik“, bei der bestehende Maßnahmen ständig geändert würden, irritierend. „Es braucht eine Situation, an der man sich orientieren kann“, forderte er. Die politischen Entscheidungsträger müssten gemeinsam auftreten.
Wiens ÖVP-Chef, Finanzminister Gernot Blümel, appellierte naturgemäß an die Stadtregierung, sich Vorarlberg, Tirol und Salzburg als Vorbild zu nehmen. Wien könne sich angesichts bestehender Reisewarnungen weitere Gefährdungen nicht leisten. Auch die Landeshauptleute selbst rückten zur Verteidigung ihrer Maßnahme aus.
Einige der größten Verbreitungen sind auf ausufernde Feiern in den Nachtlokalen zurückzuführen.
Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer
Ich bin froh, dass die Westachse im Gleichklang vorgeht und diese Regelung gemeinsam treffen wird.
Tirols Landeshauptmann Günther Platter
Bei der Auswertung von Clustern hat sich gezeigt, dass zu später Stunde die Eigenverantwortung deutlich abnimmt.
Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner
Nepp: „Vernunft und Augenmaß“
Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte den Wiener Stadtchef inzwischen auf, in Sachen Sperrstunde „standhaft“ zu bleiben. Wenn die SPÖ jetzt die „völlig willkürliche Vorverlegung der Sperrstunde nachvollzieht“, würden sich Ludwig & Co. endgültig zu „Handlangern der türkis-grünen Bundesregierung machen und der Wiener Gastronomie den Todesstoß versetzen“, meinte Nepp und sprach von „Vernunft und Augenmaß“. Dramatisch formulierte NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn: „Wenn jetzt jeder Landeshauptmann macht, was er will, ist endgültig völliges Chaos im türkis-grünen Krisenmanagement ausgebrochen.“
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sprach am Dienstag - unabhängig von der Sperrstunde - in einschlägiger Tonalität von „Corona-Rollkommando-Politik“ und kündigte an, der gesamten Bundesregierung das Misstrauen auszusprechen.
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