Sicherheit auf der einen, Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite: Die Sorge, dass ein zu frühes Aufsperren mehr schadet als nutzt, schwappt nun von Wirten auf die Hotellerie über.
„Die sind auf den Geschmack gekommen - Geld kassieren, ohne arbeiten zu müssen“, schreibt ein Leser auf krone.at. Der „Krone“-Bericht, dass viele Wirte lieber länger schließen, als ohne Gäste und mit Einschränkungen aufzusperren, lässt die Wogen hochgehen. Bei einem Großteil der Leser herrscht Verständnis, einige werfen den Wirten aber auch vor, auf Kosten der Steuerzahler das System ausnutzen zu wollen.
Die Betroffenen selbst sind uneins. Wirtesprecher Mario Pulker: „Es gibt viele Betriebe, die gerne so bald als möglich aufsperren wollen. Damit das aber funktioniert, muss ein für die heimische Gastronomie gangbarer Weg gefunden werden. Es muss möglich sein, vernünftig wirtschaften zu können.“
Video: Katia Wagner hat Gastro-Sprecher Mario Pulker interviewt
Unterschiedliche Ausgangslagen
Durch die Corona-bedingten Schließungen gab es im Schnitt heuer ein Minus von 60 Prozent. Das verteilt sich unterschiedlich: Im Osten oder auf dem Land leben viele von den Einheimischen. Sie machen zumindest im Kleinen weiterhin Geschäft mit Lieferung und Abholung, wollen aufsperren und Stammgäste begrüßen.
Im Westen, in Skigebieten und Städten bringen Touristen den Löwenanteil am Umsatz. „Wir haben in unserem Hotel zwölf Prozent heimische Gäste. Selbst wenn doppelt so viele kommen, reicht das nicht. Damit ein Hotel wirtschaftlich arbeitet, braucht es 40 bis 45 Prozent Auslastung“, startet der Vorarlberger Hotelier Gregor Hoch die Diskussion auch für seine Branche.
Was ist noch zu retten?
Das Weihnachtsgeschäft sei ohnehin gelaufen, die Nächtigungen storniert. Dasselbe gilt, so Pulker, für Weihnachtsfeiern in der Gastronomie. Silvester, so Pulker und Hoch, könne man theoretisch retten. Dafür müssten aber etwa die Reisewarnungen aufgehoben werden. Das ist - in Hinblick auf die jüngsten Entscheidungen aus Deutschland - wenig realistisch.
Unter den Wirten ist man geteilter Meinung, was ein Aufsperren vor Weihnachten angeht:
„Wir sperren auf, sobald es geht“
Der Goldene Adler in der Innsbrucker Altstadt hat auch nach dem ersten Lockdown zum ehestmöglichen Zeitpunkt aufgesperrt. „Das Geschäft war zwar mau, doch unsere Stammgäste haben es honoriert“, sagt Küchenchefin Madlen Hackl. Gleiches haben sie auch im Dezember vor. „Wir sperren auf, sobald es die Regierung zulässt. Wir wollen nämlich arbeiten!“ Doch die Rahmenbedingungen müssen natürlich schon passen. Schließlich sind die Hackls ja auch Unternehmer ...
„Besser am Jahresende öffnen“
Im Restaurant Babenbergerhof in Ybbs werden derzeit täglich Menüs gekocht und ausgeliefert. „Diese Aktion läuft sehr gut“, sagt Gastwirt Ernst Gruber (50). Er und seine Frau Karin teilen die Ansicht von Spartenobmann Mario Pulker, dass es besser, ist, geschlossen zu halten: „Es bringt ja nichts, wenn wir jetzt drei Wochen aufsperren und dann wieder schließen müssen. Hoffentlich sind am Jahresende die Zahlen so gut, dass wir dann wieder normal in Betrieb gehen können.“
„Liefern ist ein finanzielles Desaster“
Jörg Leitner, Wirt der Welscher Stub’n in der Grazer Schmiedgasse, blickt besorgt in die Zukunft: „Ich rechne nicht damit, dass wir im Dezember aufsperren werden. Das ist normalerweise unser stärkster Monat, weil wir viele Weihnachtsfeiern haben“, sagt er. Im ersten Lockdown hat er Essen ausgeliefert - „ein finanzielles Desaster“. Selbst wenn man zu Weihnachten aufsperren würde, könnte man das Dezember-Geschäft nicht retten. „Aber wir könnten wenigstens arbeiten.“
„Mitarbeiter würden profitieren“
„Wir kochen jeden Tag ein Gericht, das man bei uns abholen kann“, kämpft sich Haubenkoch Georg Essig vom Linzer Essig’s durch die schwere Corona-Zeit. Für ihn macht es auf jeden Fall Sinn, sein Restaurant auch unter Einschränkungen wieder zu öffnen. „Wir haben zu 95 Prozent Stammkunden, die würden sofort wieder kommen“, so Essig. Außerdem würden auch die Mitarbeiter profitieren - sie würden dann wieder hundertprozentig verdienen und auch Trinkgeld bekommen.
„Wollen sogar Urlaub opfern“
Im Restaurant Auf der Huabn in Ferlach (Kärnten) gehen üblicherweise mehr als 300 Gerichte pro Tag über den Tisch. „Derzeit ist die Situation aber schlecht“, klagt Inhaber Michael Plasch. „Wir verkaufen lediglich 20 Gerichte zum Mitnehmen.“ Sobald es die Umstände erlauben, will der Wirt deshalb aufsperren. „Sonst haben wir über die Weihnachtsfeiertage geschlossen. Heuer wollen die Mitarbeiter den Urlaub opfern. Wir möchten die Chance nutzen und für Gäste da sein.“
„Lieber noch geschlossen halten“
„Es ist für uns besser, wenn wir noch geschlossen halten. Das Weihnachtsgeschäft holen wir sowieso nicht mehr auf. Die staatliche Hilfe ist voll in Ordnung. Davon profitieren auch unsere Mitarbeiter. Wenn wir jetzt aufsperren, droht uns der nächste Lockdown, denn in den Lokalen wird sich einiges abspielen. Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, um den 10. Jänner wieder zu öffnen, dann muss aber endgültig Schluss sein mit den Lockdowns. Ich setze meine Hoffnung auf die Impfung.“
„Man lebt von Woche zu Woche“
Im Weiserhof in der Stadt Salzburg versucht man, situationselastisch zu bleiben. „Wir denken von Woche zu Woche - denn mit sich immer ändernden Regelungen kann man nichts planen“, sagt Chef Julian Grössinger. Er glaubt nicht, dass die Gastronomie bald wieder aufsperren darf. „Das wäre ja auch Wahnsinn. Zuerst ein harter Lockdown und dann gemeinsam im Wirtshaus feiern passt ja auch nicht zusammen“, sagt er. Sobald er darf, wird er aber auf jeden Fall aufmachen.
„Uns fällt sonst die Decke auf den Kopf“
Im Restaurant Trattoria da Montefusco in Rudersdorf hat man derzeit mehr zu kämpfen als beim ersten Lockdown. Die Essensabholung ist zurückgegangen. „Es ist nur mehr ein Viertel von dem im Frühjahr“, berichtet Chefin Elisabeth Montefusco. „Wir möchten auf jeden Fall wieder aufsperren. Uns fällt sonst die Decke auf den Kopf. Weihnachtsfeiern wird es im heurigen Jahr allerdings keine geben, die wurden abgesagt. Hoffentlich kehrt bald wieder Normalität ein.“
„Das ist Schadensminimierung“
Im Schlosskaffee in Hohenems gibt es derzeit Abholservice. „Das ist kein Geschäft, sondern lediglich Schadensminimierung für uns“, erzählt Betreiber Gunther Fenkart, der einen Teil der Mitarbeiter betriebsintern umlagern konnte. Aber sobald die Schokoladesaison zu Weihnachten beendet ist, werden auch diese in Kurzarbeit geschickt werden. „Ich verstehe nicht, dass die Gastronomie so heruntergefahren wird, da in dieser Berufsgruppe keine Infektionsherde/-treiber waren.“
Teresa Spari, Kronen Zeitung
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