Am Donnerstag bachten SPÖ und die NEOS im Nationalrat Anträge ein, wonach die jüngst nach Georgien und Armenien abgeschobenen Mädchen wieder nach Österreich zurückgeholt werden sollen. Lange war nicht klar, ob tatsächlich alle Grünen gemeinsam mit dem Regierungspartner dagegen stimmen würden. Schließlich agierte die Öko-Partei strikt nach Koalitionsräson, dafür wird nun im Justizministerium eine Kindeswohlkommission eingerichtet.
So mancher Grüne hätte die Abstimmung im Nationalrat am Donnerstag wohl gern demonstrativ verlassen. Doch die Parteispitze einigte sich auf einen anderen Weg. Wohl auch, weil eine Unterstützung der Oppositionsanträge zu keiner Mehrheit im Parlament geführt hätte. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer bezeichnete den rot-pinken Vorstoß als „durchsichtiges Manöver“, zumal die SPÖ in ihrer Regierungszeit selbst zahlreiche Verschärfungen der Asylgesetze mitbeschlossen habe.
Kogler richtet Kindeswohlkommission ein
Stattdessen kündigte Vizekanzler Werner Kogler, während sich im Parlament gerade Herbert Kickl und Karl Nehammer befetzten, an, im Justizministerium eine Kindeswohlkommission einzurichten. Den Vorsitz wird die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Irmgard Griss, übernehmen. Dabei soll die aktuelle Praxis in Asyl- und Bleiberechtsverfahren geprüft und europäisch vergleichen werden. Gemeinsam mit Experten wird Griss Empfehlungen erarbeiten, wie Kindeswohl und Kinderrechte stärker berücksichtigt werden können. Ein erster Bericht soll Mitte des Jahres vorliegen.
Vergangene Woche sind gut integrierte Kinder in ein Land abgeschoben worden, das sie nicht kennen. Das hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt.
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)
„Spielräume sind weit größer als behauptet“
„Es gibt einen Konflikt, das ist offenkundig“, sagt Vizekanzler Kogler zum Streit mit der ÖVP. Dass die Koalition daran scheitere, schließt er aber aus. Die Türkisen nehmen die Ankündigung der Kommission betont gelassen, die Ergebnisse sind schließlich nicht bindend. Kogler macht aber klar, was er sich erwartet: „Ich gehe natürlich davon aus, dass die ÖVP und der Herr Innenminister zur Kenntnis nehmen, was im bestehenden Rechtsrahmen möglich ist.“ Denn die Spielräume bei Abschiebungen seien weit größer, als behauptet werde, so der grüne Vizekanzler.
Kommentar: Gesichtswahrung
Eines gleich vorweg: Die türkis-grüne Koalition stand in den vergangenen Tagen nicht auf der Kippe, auch nicht Zentimeter vor dem Abgrund, und Neuwahlen waren und sind kein Thema. Denn das würde weder für die ÖVP noch für die Grünen einen Sinn, geschweige denn einen Vorteil ergeben.
Das Thema Asyl mit den jüngsten Abschiebungen von Schülerinnen, die in Österreich geboren und aufgewachsen sind, bringt aber die Grünen in ein gewaltiges Dilemma. Am Donnerstag versuchte Vizekanzler Kogler, der seine Truppe immer noch erstaunlich und ungewöhnlich gut im Griff hat, einen Ausweg zu finden. Im Vorfeld lagen die Nerven blank, so manche Abgeordnete machten ihrem Unmut über den Koalitionspartner Luft, die eine oder andere Drohgebärde wurde gesetzt. Lange genug haben die Grünen zum Vorgehen der ÖVP geschwiegen, sie haben vieles eingesteckt und noch mehr geschluckt.
Und jetzt? Gibt es eine Kindeswohlkommission. Unweigerlich fällt einem dazu ein: „Wenn ich mal nicht weiterweiß, dann gründ’ ich einen Arbeitskreis.“ Aber das ist wohl auch ungerecht, denn allzu viel Spielraum haben die Grünen ja nicht. Bei den ersten ernsten Problemen alles hinwerfen und beleidigt abziehen ist schließlich auch keine Lösung. In irgendeiner Form musste die Öko-Partei ihr Gesicht wahren und ein Signal an ihre Anhänger senden.
Richtig schwierig wird es wieder, wenn die Ergebnisse der Kommission vorliegen - und diese der ÖVP nicht gefallen.
Doris Vettermann, Kronen Zeitung
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