Der überraschende Rückzug von Höchstrichter Wolfgang Brandstetter aus dem Verfassungsgerichtshof hat innenpolitisch gehörig Staub aufgewirbelt. Wie Brandstetter zuallererst in der „Krone“ erklärte, wird er sich freiwillig aus dem Amt des Verfassungsrichters zurückziehen. Im Vorfeld war bekannt geworden, dass sich Brandstetter nach dem Auftauchen von Chats zwischen ihm und dem suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek vor VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter erklären sollte. Dieser Aussprache kam Brandstetter aber zuvor und legte sein Amt zurück. Von der Opposition wurde der Rückzug als „notwendig“ und „überfällig“ kommentiert.
„Tatsache ist, dass faktisch eine Situation eingetreten ist, in der ich dem VfGH am besten dienen kann, indem ich mich von meiner Funktion zurückziehe“, ließ Brandstetter wissen. Er werde daher den Gerichtshof nach Fertigstellung laufender Akten mit Wirkung vom 1. Juli verlassen und habe das dem Präsidenten bereits mitgeteilt. Grabenwarter nahm den Rückzug in einer schriftlichen Stellungnahme „zur Kenntnis“. Der plangemäße Ablauf der nächsten Beratungen des Gerichtshofs, die am 7. Juni beginnen, sei dadurch nicht beeinträchtigt.
Brandstetter kritisiert Bekanntwerden der Chats
Dass die Chats zwischen ihm und Pilnacek an die Öffentlichkeit gelangten, kritisierte Brandstetter in einer weiteren Stellungnahme vom Donnerstagnachmittag: „Es tut dem Land nicht gut, wenn öffentlich mit Gift und Galle Menschen in öffentlichen Funktionen angegriffen und angepatzt werden. Ein privates Gespräch unter Freunden und öffentliche Äußerungen sind gänzlich verschiedene Dinge.“
Wie aus den Protokollen hervorgeht, die dem Ibiza-U-Ausschuss übermittelt wurden und prompt den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben, hat sich Brandstetter mit Pilnacek auch über Entscheide des Höchstgerichts ausgetauscht, konkret zum Thema Sterbehilfe. Zudem waren von Pilnacek abwertende Aussagen über Verfassungsrichterinnen gefallen und er hatte davon gesprochen, dass man den VfGH nach Kuba exportieren könnte.
Klar ist aber auch, dass alle nunmehr öffentlich gemachten privaten Unterhaltungen keinerlei belastende Indizien in dem gegen mich angestrengten Ermittlungsverfahren enthalten - im Gegenteil, es wird klar, dass der formulierte Tatverdacht sich entkräftet hat.
Brandstetter zu den Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses
Es laufen weiterhin Ermittlungen gegen Brandstetter und Pilnacek wegen mutmaßlicher Weitergabe vertraulicher Infos zu Hausdurchsuchungen. Das Verfahren wurde mittlerweile an die Staatsanwaltschaft Innsbruck ausgelagert. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Rückzug „notwendig“ und „überfällig“
Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried zeigte sich in einer Stellungnahme zufrieden, dass Brandstetter das Höchstgericht verlässt. Dieser sei wohl seinem Ausschluss aus dem VfGH zuvorgekommen und habe die notwendigen Konsequenzen gezogen. Die SPÖ habe Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schon damals massiv kritisiert, als er den Ex-Justizminister und Kurzzeit-Vizekanzler zum Richter machte. Brandstetter sei der Erste aus der „türkisen Familie“, der zurücktreten müsse, weitere wie ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) müssten folgen.
Ganz ähnlich die Reaktion des freiheitlichen Fraktionschefs im U-Ausschuss, Christian Hafenecker: „Höchst überfällig“ sei Brandstetters Rücktritt. Die „Wehleidigkeit“, die er in seiner Begründung dafür an den Tag lege, sei „höchst bezeichnend für den Umgang der ÖVP mit Demokratie und Rechtsstaat“.
Die Volkspartei wiederum richtete Brandstetter über ihren Generalsekretär Axel Melchior Dank für seine Leistungen in unterschiedlichsten Funktionen aus. Seinen Rückzug nannte Melchior eine persönliche Entscheidung. Er wünschte Brandstetter für seine Zukunft alles Gute.
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