ÖVP-Führungszirkel

Regierungskrise: Eine Partie steht vor dem Fall

Politik
09.10.2021 06:00

Mit der Übernahme durch Sebastian Kurz und seine Vertrauten witterte die ÖVP nicht nur Morgenluft, sie konnte gleich zwei Nationalratswahlen für sich entscheiden. Nun droht jedoch das jähe Ende für den türkisen Führungszirkel - am Dienstag entscheidet ein Misstrauensvotum im Nationalrat über die mögliche Absetzung des Bundeskanzlers. 

Es waren wahrlich dramatische Wochen, die die ÖVP im April 2011 erlebte, dazu waren gar keine nach unten manipulierten Meinungsumfragen vonnöten. Kurzzeit-Hoffnungsträger Josef Pröll war weg, man lag bei rund 20 Prozent - und das Bild der ÖVP in der Bevölkerung war, wie selbst Prölls Nachfolger Michael Spindelegger später ob der Affären um Ernst Strasser & Co. sagte, „das einer korrupten Partei“.

Der türkise Führungszirkel
Im Schatten dieser Krise bahnte sich plötzlich eine Gruppe junger Männer den Weg nach oben: Sebastian Kurz, damals 24-jähriger JVP-Chef, wurde Staatssekretär; und in diesem Amt meinte er nur mit einem gewissen Stefan Steiner, damals politischer Direktor der ÖVP, zu bestehen. Hinzu kamen dann etwa JVP-Kumpels wie Axel Melchior sowie der Pressesprecher Gerald Fleischmann - und fertig war er, der türkise Führungszirkel, in den später mit wenigen Ausnahmen wie Kabinettschef Bernhard Bonelli und Sprecher Johannes Frischmann kaum jemand vorzustoßen vermochte.

Einer der wenigen, die erst später im türkisen Führungszirkel Fuß fassen konnten: Kabinettschef Bernhard Bonelli (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Einer der wenigen, die erst später im türkisen Führungszirkel Fuß fassen konnten: Kabinettschef Bernhard Bonelli

Die Beziehung des Kanzlers zu seinen politischen Lebensgefährten geht teilweise so weit, dass er etwa Trauzeuge Bonellis ist, bei einem anderen Intimus fungiert er als Taufpate. Dass es diese unverbrüchlich loyale Truppe sein würde, die ihn nach oben bringt, das ahnte Kurz schon 2011, wie er einmal sagte: „Mir war vollkommen klar: Wenn es funktionieren kann, dann nur mit diesem Team.“

Quereinsteiger haben kaum dreinzureden
Und es hat funktioniert: Die schwarze Partei wurde von der türkisen Partie entmachtet, Reinhold Mitterlehner - in einem Chat zwischen Kurz und Schmid „Arsch“ genannt - abmontiert; so segelte die Gruppe 2017 mit Kurz ins Kanzleramt. Steiner blieb als Berater ohne jedes politische Amt die inhaltlich und strategisch zentrale Figur im Hintergrund, Fleischmann kümmert sich bis heute um Medien.

ÖVP-General Melchior dient als Personalexperte und Schnittstelle zur schwarzen ÖVP, Ex-Unternehmensberater Bonelli als inhaltlicher Generalist. Regierungsentscheidungen fallen im Kurz-Zirkel, Quereinsteiger-Minister ohne Erfahrung und Macht haben dem türkisen Vorstand kaum dreinzureden.

Der politische Aufstieg endet im Korruptionsverdacht
Zehn Jahre nach dem begonnenen Aufstieg der Kurz-Truppe steht die ÖVP nun wieder im großen Korruptionsverdacht - nur sind es diesmal die jungen Männer von damals, die im Visier der Justiz stehen.

Übrigens: Der immer noch verschworene Zirkel stellt weiterhin nahezu im Alleingang die türkisen Weichen, von aufgesetzten Minister-Bekennerbriefen bis hin zu taktischen Zügen im Koalitionspoker. Kurz, Steiner & Co. würden trotz allem „eigentlich wie immer“ im Kanzleramt arbeiten, sagt ein Insider. Vermutlich aber nicht mehr allzu lange.

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