Alexander Schallenberg (ÖVP) stellte sich am Dienstag in seiner neuen Rolle als Bundeskanzler dem Nationalrat vor. Dabei machte er sogleich klar, dass er sich weiterhin „eng“ mit Sebastian Kurz abstimmen werde. „Alles andere wäre absurd“, erklärte Schallenberg - und sorgte auch bereits für den ersten Eklat: Er „entsorgte“ die von NEOS-Chefin Meinl-Reisinger übergebene Anordnung zur Hausdurchsuchung in der ÖVP-Affäre einfach am Boden. Die Opposition sah in ihren Reden jedenfalls die Kritik der vergangenen Tage bestätigt.
„Schwierige Zeiten erfordern manchmal außergewöhnliche Schritte“, eröffnete Schallenberg seine erste Rede als Kanzler im Nationalrat. Er wolle nun „mit aller Kraft und notwendigem Respekt“ die Funktion des Regierungschefs ausführen. „Unsere Hand ist ausgestreckt“, richtete er auch eine Botschaft an die Grünen als Koalitionspartner, die Regierungsarbeit der vergangenen eineinhalb Jahre fortzusetzen.
Er hoffe auch sehr, dass nun das politische Taktieren zu einem Ende komme. Schallenberg kündigte gleichzeitig an, mit der Opposition zusammenzuarbeiten.
Kanzler kritisiert „mutwillige Aktionen“ der Opposition
Doch dann kippte die Stimmung: Er könne die angekündigten Misstrauensanträge nicht verstehen, attackierte Schallenberg die Oppositionsparteien, es handle sich dabei um „mutwillige Aktionen“, die „beim besten Willen“ nicht zu verstehen seien. Die Menschen würden sich hingegen vielmehr „konstruktive Arbeit“ erwarten.
Selbstverständlich werde er sich auch weiterhin mit dem neuen ÖVP-Klubvorsitzenden eng abstimmen, wollte er auch ein „offensichtliches Thema“ ansprechen. Kurz werde schließlich als Klubobmann der Volkspartei fungieren: „Das ist ein Grundsatz in unserer repräsentativen Demokratie.“ Und weiter: „Alles andere wäre absurd.“ Damit soll nun auch der Kurs seines Vorgängers fortgesetzt werden, stellte Schallenberg unmissverständlich klar.
Kogler: „Dank und Anerkennung“ für die ÖVP
Trotz Tadels in Schallenbergs Antrittsrede am Tag davor umarmte Kogler den Koalitionspartner in seiner Rede und sprach der ÖVP „Dank und Anerkennung“ aus. Denn es sei sicher nicht leicht gewesen, solche Entscheidungen zu treffen, aber sie seien letztlich rasch und im Interesse der Republik getroffen worden, meinte Kogler zum Wechsel im Kanzleramt.
Der Vizekanzler sprach aber auch die Justiz an, die von der ÖVP immer wieder angriffen wird. „Lassen wir die Justiz arbeiten, lassen wir sie unabhängig ermitteln“, appellierte Kogler einmal mehr. Es sei gut, dass sich die Justiz offensichtlich nicht beeinflussen lasse.
Rendi-Wagner: „Wer blind folgt, kann nicht führen“
Es stehe Schallenberg nicht zu, das Parlament zu belehren, sondern mit Respekt zu behandeln, folgte Rendi-Wagners (SPÖ) Replik auf dem Fuße. Er habe zudem schon an seinem ersten Tag sehr viel Vertrauen verspielt, als er sagte, dass er die Vorwürfe gegen Kurz für „falsch“ halte. Der neue Amtsinhaber sei „Kanzler von Kurz‘ Gnaden. Wer blind folgt, kann nicht führen“.
Die SP-Chefin forderte Schallenberg auf, eine Trennlinie zu ziehen: „Die heutige Regierungsumbildung ist eine Farce, weil die Fäden zieht weiter Kurz.“
Kickl sieht Grüne als „Lebensverlängerer“
„Family business as usual“, sei nun „die einzige Agenda, die nun abgearbeitet wird“, von Stabilität und Neubeginn sei „nicht einmal ansatzweise“ etwas zu erkennen, richtete FPÖ-Klubchef Herbert Kickl der ÖVP aus. Die Grünen würden nun nur noch als „Lebensverlängerer“ fungieren.
„Es ist insgesamt ein Jammer“ - da bleibe der FPÖ gar nichts anderes übrig, als der ganzen Regierung das Misstrauen auszusprechen. Sie alle hätten nämlich verabsäumt, die Notaustaste zu drücken. Er erwarte, dass die anderen Parteien mitstimmen, „weil sie ja wissen, dass das nicht gut geht“.
Meinl-Reisinger: „Alles, was gezählt hat, war Macht, Macht, Macht“
Die NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger vermisste in ihrer Rede nicht nur die Anwesenheit des neuen ÖVP-Klubchefs, sondern auch den „Mut für einen Neustart“ in der Regierung. Die NEOS würden nicht zulassen, dass die ÖVP das Land „mitreißt in den Abgrund“.
Und dann kam es zum Eklat: Sie überreicht die 104-Seiten-Anordnung zur Hausdurchsuchung mit allen inkriminierten Chats - Schallenberg legt sie etwas verächtlich auf den Boden hinter sich.
Linhart zeigte sich als überzeugter Europäer
Eher im Schatten stand der erste Auftritt des neuen Außenministers Michael Linhart, der dafür aber deutlich freundlichere Töne anschlug - ohne aber auf die „internationalen Brennpunkte“ zu vergessen, die ihn in seinem Amt beschäftigen werden. Er zeigte sich als überzeugter Europäer und wolle für eine „offene und pluralistische“ Gesellschaft eintreten.
Österreich werde weiterhin seine „Stimme für Menschenrechte und Grundfreiheiten, gegen jegliche Form des Antisemitismus, für starke transatlantische Zusammenarbeit und für unsere offene und pluralistische Gesellschaft erheben.“
Gleich mehrere Misstrauensanträge
Eigentlich war die Sondersitzung angesichts der Regierungskrise auf Wunsch der gesamten Opposition einberufen worden. Dabei sollte dem nunmehrigen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Misstrauen ausgesprochen werden. Nachdem Kurz aber den Schritt zur Seite machte, ist ein solcher bereits wieder vom Tisch. Ein weiterer Misstrauensantrag von der FPÖ gegen die gesamte Regierung fand am Dienstag keine Mehrheit.
Die SPÖ brachte zudem noch einen Abwahlantrag statt gegen Kurz gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) ein. Der Antrag scheiterte zum Abschluss der Sitzung, weil er nur von den Oppositionsparteien unterstützt wurde.
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