„Stich ins Herz“

Impfpflicht im Parlament: Heftiger Schlagabtausch

Politik
20.01.2022 18:16

Teils heftige Wortmeldungen haben am Donnerstag die Debatte zur generellen Impfpflicht im Nationalrat geprägt. FPÖ-Chef Herbert Kickl zeigte sich vom Gesetz „entsetzt und schockiert“ und erinnerte die Regierungsmitglieder an ihre Versprechen, dass keine generelle Impfpflicht komme. Diese seien nun „Stiche ins Herz ihrer Glaubwürdigkeit“, so Kickl. Der SPÖ-Abgeordnete Mario Lindner rief indessen dazu auf, mitzuhelfen, „diese Sch ... Pandemie endlich hinter uns zu lassen“ - er kassierte dafür einen Ordnungsruf. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) trat noch einmal falschen Behauptungen zur Impfung selbst entgegen.

Mit der Maßnahme werde dem Totalitarismus der Weg bereitet, warf Kickl der Regierung vor und griff dabei auch tief in die Polemik-Kiste: Man wolle das „chinesische Virus mit dem chinesischen Gesellschaftsmodell bekämpfen“. Der FPÖ-Obmann zeigte sich auch sicher, dass die Gegner der Impfpflicht im Nationalrat zwar in der Minderheit sei, nicht aber außerhalb des Hohen Hauses, wo man das Gesetz durch Behördenwege und Wahlen kippen werde: Die Regierung werde ihrer „gerechten Strafe“ nicht entkommen, glaubt Kickl.

Verfolgen Sie die Debatte hier im Livestream:

Mückstein: „Impfmythen hinterfragen“
Der Gesundheitsminister versuchte in seiner ersten Meldung zum Thema, Zweifel an der Impfung selbst auszuräumen. „Alle Evidenz spricht dafür, dass alle in Österreich erhältliche Präparate sicher sind“, betonte er nach von der freiheitlichen Fraktion gestreuten Zweifel. Die Covid-19-Schutzimpfung sei sicher, man brauche eine hohe Durchimpfungsrate, um das Virus einzudämmen. Gegenteilige Behauptungen dienten auch dazu, die Gesellschaft zu spalten, das Verbreiten von Fake News gefährlich. „Ich appelliere an jede Bürgerin und Bürger, Impfmythen zu hinterfragen“, so Mückstein.

FPÖ-Chef Kickl schoss scharf und wortreich gegen die Regierung. (Bild: APA/Roland Schlager)
FPÖ-Chef Kickl schoss scharf und wortreich gegen die Regierung.

Maurer: „Schämen Sie sich“
Ebenso intensiv wurde der Ton fortgesetzt. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer meinte in Richtung Kickl: „Schämen Sie sich!“ Das Verhalten des Freiheitlichen sei „absolut zynisch“, dessen Politik Schuld an der niedrigen Impfquote. „Die Impfung ist auch ein Siegeszug der Wissenschaft gegen die Leugnung von Fakten und Empirie“, entgegnete Maurer zudem. Man sei heute im Hohen Haus versammelt, um den Ausweg aus der Pandemie zu beschreiten, befand die grüne Klubobfrau.

Grüne Abgeordnete blieb fern
Die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic ist der Sitzung ferngeblieben, weil sie der Vorlage nicht zustimmen will. Sonst unterstützen alle Abgeordnete des Klubs die Impfpflicht ausdrücklich, ebenso alle Grünen Regierungsmitglieder, der Bundesvorstand sowie alle Landesorganisationen der Grünen, hieß es in einer Stellungnahme des Parlamentsklubs: „Wir wissen, dass die Impfung sicher ist und wirkt. Sie schützt unsere Gesundheit und die unserer Mitmenschen.“ Die aktuelle Durchimpfungsrate in Österreich sei noch zu gering, um mögliche weitere Wellen ohne weitere Lockdowns zu überstehen.

„Impfen ist ein solidarischer Akt“, bekräftigte die SPÖ-Chefin. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
„Impfen ist ein solidarischer Akt“, bekräftigte die SPÖ-Chefin.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hielt ein Plädoyer für die Impfpflicht, bei der man sich die Entscheidung, zuzustimmen, nicht leicht gemacht habe. Es gebe aber nur einen effektiven Weg „aus dem permanenten Teufelskreis des auf und zu“ - der sei die Impfung, betonte Rendi-Wagner. Diese Schutzimpfung nun verpflichtend zu machen sei nun ein „Notausgang aus den ständigen Einschränkungen“.

Ordnungsruf für „Sch ... Pandemie“
Einen Ordnungsruf für seine Wortmeldung kassierte der SPÖ-Abgeordnete Mario Lindner. Offensichtlich fehlt ihm mittlerweile die Geduld im Umgang mit der Corona-Krise - es brauche die Impfpflicht, um endlich „diese Sch ...“ Pandemie hinter uns lassen zu können. Dass sich ein solcher Ausdruck aber trotz heftiger Debatten im Nationalrat nicht geziemt, ließ ihn sogleich die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) wissen. Ohne die Wortwahl zu wiederholen, stimmten aber auch die zwei nachfolgenden Abgeordneten dem Appell Lindners zu.

Ähnliche argumentierte auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: Einschränkungen seien notwendig gewesen, damit nicht zu viele Menschen gleichzeitig in Kontakt mit dem Virus kommen. „Das verstehen wirklich alle in Österreich, vielleicht bis auf die FPÖ“, stichelte sie. Auch die Impfpflicht sei damit begründbar, dass die Freiheit des einen da aufhört, wo die Freiheit des anderen beginnt. Kritik übte die Politikerin an der Regierung, die es monatelang verabsäumt habe, positive Impfanreize zu setzen. „Am Tag der Einführung der Impfpflicht eine Milliarde über eine Lotterie auszugeben halte ich für eine Verhöhnung“, tadelte sie das Donnerstagfrüh angekündigte Anreizpaket.

Nie wieder dürfe es zu Freiheitsbeschränkungen kommen, wie sie es durch die vergangenen Lockdowns gegeben habe, bekräftigte Meinl-Reisinger. (Bild: APA/MICHAEL GRUBER)
Nie wieder dürfe es zu Freiheitsbeschränkungen kommen, wie sie es durch die vergangenen Lockdowns gegeben habe, bekräftigte Meinl-Reisinger.

Der ÖVP-Abgeordnete Werner Saxinger betonte, dass die Impfung die einzige Möglichkeit sei, um die Belastung der Krankenhäuser zu minimieren. „Die Impfung schützt und nützt“, reimte er. Er freute sich, dass vier von fünf Parteien mit wenigen Ausnahmen für die Impfpflicht stimmen. Bei den Freiheitlichen bleibt es bei geschlossener Ablehnung des Gesetzes. Auch für die FPÖ hatte Saxinger einen Reim parat: „Impfen statt schimpfen und verunglimpfen.“

Mehr als zehn Abgeordnete waren bei der heutigen Sitzung entschuldigt, einige sind in Corona-Quarantäne, bei manch anderem wird das Fernbleiben mit der Impfpflicht in Verbindung gebracht. Einschlägig geäußert hat sich bisher aber nur Ernst-Dziedzic.

Namentliche Abstimmung
Die FPÖ hatte eine namentliche Abstimmung zum Gesetz durchgesetzt. Mit den Stimmen der Koalitionsparteien sowie zahlreicher Abgeordneter von SPÖ und NEOS wurde das Gesetz schließlich auf den Weg geschickt.

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