Das Nein der SPÖ zum NEOS-Vorschlag, wonach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im österreichischen Parlament sprechen soll, hat für viel innenpolitischen Wirbel gesorgt. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil tadelte prompt seine eigene Partei, er sieht nämlich „keine Frage der Neutralität“. Am Mittwoch schließlich die Kehrtwende der Bundes-SPÖ: „Sollte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka als dafür Zuständiger eine Einladung aussprechen, wird die SPÖ nicht dagegen sein“, betonte der rote Vize-Klubobmann Jörg Leichtfried. Gleichzeitig verwies er aber auf Österreichs Neutralität.
Die Neutralität brachte auch die FPÖ, die in den vergangenen Jahren enge Kontakte nach Russland gepflegt hatte, als Argument vor, warum man die von den NEOS angeregte Einladung an den ukrainischen Staatschef in der Präsidiale nicht unterstützt hatte.
Leichtfried betonte nun in einer Aussendung, die SPÖ habe in dieser Sitzung darauf hingewiesen, dass Österreichs neutraler Status berücksichtigt werden müsse, der ja auch ein großer Vorteil sein könne, wenn es darum geht, als Vermittler aufzutreten. Klar sei jedoch, dass Österreich den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine durch das Putin-Regime aufs Schärfste verurteile. Denn Österreich sei niemals neutral gegenüber der Verletzung von Völkerrecht und Menschenrechten.
Österreichs neutraler Status muss berücksichtigt werden, der ja auch ein großer Vorteil sein kann, wenn es darum geht, als Vermittler aufzutreten.
SPÖ-Vize-Klubobmann Jörg Leichtfried
„Keine Frage der Neutralität, wenn jemand seine Meinung transportiert“
Doskozil hält die Ablehnung einer Rede von Selenskyj jedenfalls für einen Fehler und sieht darin überhaupt „keine Frage der Neutralität, wenn jemand seine Meinung transportiert“. „Das war ein außenpolitischer Fehler, der hätte nicht passieren dürfen“, übte er am Rande einer Pressekonferenz am Mittwoch in Eisenstadt Kritik an seiner Bundespartei und verwies auf die Vergangenheit, in der Österreich in anderen Fällen Partei ergriffen habe. Dem ukrainischen Ministerpräsidenten, der mit dem Rücken zur Wand stehe, nicht das Wort zu erteilen, hält er für „falsch“, zumal auch jeder wisse, wer „die Schuldfrage trägt und wer Kriegsverbrechen betreibt“.
Das war ein außenpolitischer Fehler, der hätte nicht passieren dürfen.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zum ursprünglichen Nein seiner SPÖ in der Causa Selenskyj-Rede
NEOS rügen SPÖ
„Erstaunt, aber auch erfreut“ über „den offensichtlichen Sinneswandel der SPÖ“ zeigte sich unterdessen NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak nach Leichtfrieds Stellungnahme. „Nach 24 Stunden zu behaupten, dass die SPÖ nie gegen eine Rede Selenskyjs war, weil es keine Abstimmung dazu gab, ist einigermaßen verwunderlich und zeigt deutlich die fragwürdige Haltung der SPÖ: Nur nicht konkret Stellung beziehen, im Zweifel lieber nichts tun und mit fadenscheinigen Argumenten dagegen kommen.“
Selenskyj-Rede schon nächste Woche?
Es gehe hier nicht nur um die Frage, ob Selenskyj vor dem Parlament spricht, sondern „wie stark sich Österreich tatsächlich auf die Seite der Ukraine stellt und was wir als neutrales Land alles tun können, um Putin zu stoppen“. Dafür sei eine eindeutige Haltung notwendig. Scherak schlug eine Nationalratssondersitzung nächste Woche vor, in deren Rahmen die Rede stattfinden soll.
Sobotka für Selenskyj-Rede nur bei Einvernehmen
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zeigte sich grundsätzlich bereit, Selenskyj in den Nationalrat einzuladen. Bedingung ist allerdings ein Einvernehmen unter den Fraktionen. Mittlerweile ist nur noch die FPÖ dagegen. Ein etwaige Ansprache Selenskyjs im Nationalrat müsste fraktionsübergreifend gewollt sein und sollte mit praktischen Resultaten für die Ukraine verbunden sein, sagte am Mittwoch auch ein informierter ukrainischer Gesprächspartner. Diesbezügliche Kontakte zwischen dem Nationalrat und dem Präsidentenbüro in Kiew habe es noch keine gegeben.
Kiew möchte symbolische Resolutionen des Parlaments sehen
Konkret würde man in Kiew gerne symbolische Resolutionen des österreichischen Parlaments zur wirtschaftlichen und humanitären Unterstützung der Ukraine sowie zu einem EU-Beitritt des Landes sehen, hieß es. Selenskyj könnte sich in einer etwaigen Ansprache dann auf derartige Entscheidungen des österreichischen Parlaments beziehen.
Nicht wiederholen sollte sich eine Situation wie im deutschen Bundestag, wo die Abgeordneten sofort nach der Rede des ukrainischen Präsidenten zur Tagesordnung übergegangen seien und man sich etwa wechselseitig zum Geburtstag gratuliert habe.
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