Eigentlich war geplant, dass die Politik am Dienstag grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme des 2020 stillgelegte Kohlekraftwerks in Mellach (Steiermark) gibt. Doch die Opposition verweigert derzeit geschlossen die Zustimmung. Nicht die einzige Hürde: Vor allem die Suche nach Kohle gestaltet sich schwierig. In diesem Winter wird die Anlage so oder so kalt bleiben.
An einem Sonntagabend im Juni sorgte die Bundesregierung für einen Paukenschlag: Sie verkündete, dass das vor zwei Jahren stillgelegte Kohlekraftwerk in Mellach südlich von Graz, damals das letzte in Österreich, wieder reaktiviert werden soll. Ukraine-Krieg und Gas-Krise machten das bis dato Undenkbare möglich.
Nun, zwei Monate später, wackelt der Plan wieder: Der Hauptausschuss des Nationalrats sollte am Dienstag eigentlich grünes Licht für die Notverordnung (bzw. korrekt: Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung) geben, in der unter anderem die Reaktivierung Mellachs geregelt wird. Dazu braucht die türkis-grüne Bundesregierung aber eine Zweidrittelmehrheit.
Opposition stimmte dagegen
Diese bekam sie aber nicht, die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS stimmten im Ausschuss gegen die Verordnung. Die SPÖ hatte vergangene Woche ihre Zustimmung an mehrere Bedingungen geknüpft, etwa dass zusätzliche Kosten, die durch die Umrüstung von Gas auf Kohle und Öl entstehen, nicht auf die Energiekunden überwälzt werden dürfen. „Wir sind jederzeit bereit zu diskutieren“, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried am Dienstag.
Für die FPÖ war die Sitzung des Hauptausschusses ein „Reality Check“ für die Energie- und Sanktionspolitik der Regierung. „Diesen Test hat sie nicht bestanden“, so Energiesprecher Axel Kassegger. „Darüber hinaus sind viele Fragen überhaupt nicht geklärt.“ Auch die NEOS sehen die Verordnung kritisch. „Energieversorger wie EVN oder Verbund machen gerade so hohe Gewinne wie nie, sie brauchen aktuell sicher kein Steuergeld“, so Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Die Verordnung sei „komplett auf die Bedürfnisse der Energieversorger zugeschnitten“.
Gewessler: „SPÖ komplett unverantwortlich“
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) attackiert vor allem die SPÖ scharf. Deren Verhalten sei „komplett unverantwortlich“. Ein reaktiviertes Kohlekraftwerk Mellach könne im Notfall 260.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. „Ich mache die SPÖ verantwortlich, wenn Wohnungen von Familien und Kindern kalt bleiben.“ Gewessler wird nun mit den beiden großen Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ weiter verhandeln. Ein Beschluss ist bei einer Einigung binnen weniger Tage möglich.
Doch wäre die Wiederinbetriebnahme von Mellach überhaupt so einfach möglich? In Sachen Technik zeigte sich der Betreiber des Kraftwerks, der Energiekonzern Verbund, von Anfang an zuversichtlich: Die Anlage sei nicht veraltet, sie brauche nur ein paar Umbauarbeiten.
Angebote am Weltmarkt eingeholt
Die Herausforderungen liegen anderswo, insbesondere bei der Beschaffung von Kohle. „Es ist schwierig, Angebote am Weltmarkt einzuholen. Sie sind aber im Haus“, sagt Verbund-Sprecherin Ingun Metelko. Denn nicht nur in Österreich, auch in vielen anderen Ländern erlebt die klimaschädliche Kohle gerade einen unerwarteten Aufschwung.
Noch schwieriger ist laut Metelko übrigens die Sicherung von Transportkapazitäten. Im Vollbetrieb wäre fast eine halbe Million Tonnen Steinkohle notwendig, doch Mellach soll ja nur in Notfällen, etwa bei Gas-Lieferstopps, die Versorgung sichern. Hier das richtige Timing zu finden, wird knifflig werden.
Noch keine Hilfe in diesem Winter
Auf der Suche ist man beim Konzern zudem nach fachkundigem Personal. Bis zu 50 Personen sind notwendig, einige könnten aus der Pension zurückkehren. Der Neustart des Kraftwerks wird - falls die Politik doch noch grünes Licht gibt - für das Frühjahr 2023 erwartet. Für den kommenden Winter, in dem Gas-Lieferstopps drohen, kann die „Reserve“ also ohnehin noch nicht zur Verfügung stehen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.