Nüchterne Bilanz

Rückenwind für neue Parteien nach Hofburg-Wahl?

Politik
11.10.2022 10:15

Trotz Rekord-Teilnehmerfeld bei der vergangenen Wahl zum Bundespräsidenten schickte mit Ausnahme der FPÖ keine Parlamentspartei offiziell einen Kandidaten ins Rennen. Davon konnten auch bisher eher unbekannte Bewerber profitieren - und damit vielleicht den Schwung in den nächsten Nationalratswahlkampf mitnehmen. Eine Analyse derartiger Versuche kommt jedoch zu einem eher ernüchternden Ergebnis.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Ein Achtungserfolg bei der Hofburg-Wahl bedeutet noch lange nicht, dass man auch bei einer Nationalratswahl Erfolg hat. So erreichte etwa der als Societylöwe bekannte Kandidat Richard Lugner 1998 immerhin 9,91 Prozent und damit ein respektables Ergebnis für einen Kandidaten, der keinen Parteiapparat hinter sich hatte.

Lugner glatt gescheitert
Die Umstände waren jedoch damals recht günstig: Bei der Wiederkandidatur Thomas Klestils verzichteten SPÖ, FPÖ und Grüne auf eigene Bewerber. Davon beflügelt, versuchte es Lugner 1999 bei der Nationalratswahl. Seine Partei „Die Unabhängigen“ scheiterte aber mit nur 1,02 Prozent; statt der 413.066 Stimmen bei der Präsidentschaftswahl gab es nur 46.943 NR-Wähler. Auch ein zweiter Hofburg-Versuch ging daneben: 2016 fand Lugner nur noch 96.783 Wähler, das waren 2,26 Prozent.

Für Richard Lugners „Unabhängige" war die Vier-Prozent-Hürde deutlich zu hoch. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Für Richard Lugners „Unabhängige" war die Vier-Prozent-Hürde deutlich zu hoch.

Auch Liberales Forum konnte Wahlerfolg nicht nutzen
Dass Persönlichkeitswahl und Parlamentswahl zwei Paar Schuhe sind, zeigte sich 1998 auch am Beispiel von Heide Schmidt und ihres Liberalen Forums: Schmidt überzeugte als Präsidentschaftskandidatin 464.625 Wähler und kam auf 11,14 Prozent. So viel hatte es für das Liberale Forum nie gegeben. Nur ein Jahr nach der Bundespräsidentenwahl, 1999, flog das LIF mit nur noch 168.612 Stimmen (3,65 Prozent) aus dem Nationalrat.

Christen scheiterten gar an Unterschriften
Rudolf Gehring hatte schon vor seiner Hofburg-Kandidatur erfolglos versucht, mit seiner „Christen“-Partei (CPÖ) in den Nationalrat oder in Landtage einzuziehen. Dafür fand er nie auch nur ein Prozent Zustimmung. Aber bei der Bundespräsidentenwahl 2010 fand er persönlich 171.668 Wähler (5,43 Prozent). Die Hoffnung Gehrings, dass es nun auch für seine Partei besser laufen würde, wurde enttäuscht: Bei den drei Nationalratswahlen danach schaffte die CPÖ nicht einmal mehr die Unterschriften für die bundesweite Kandidatur.

Liebäugeln Kandidaten jetzt mit Parlament?
Die Schlussfolgerung des Ex-FPÖ/BZÖ-Politikers Gerald Grosz, dass er mit den 5,57 Prozent, die er am Sonntag holte, auf Anhieb den Einzug in den Nationalrat geschafft hätte, stimmt also nur theoretisch. Auch die Annahme Tassilo Wallentins, dass sein jetziges Abschneiden (327.214 Stimmen bzw. 8,07 Prozent) umgelegt auf eine Nationalratswahl ein „Erdrutschsieg“ wäre, könnte beim Versuch der Umsetzung enttäuscht werden. Denn bei Parlamentswahlen stecken die etablierten Parteien viel Geld und Mühe in den Wahlkampf.

Wlazny mit dem Schwung der jungen Wähler
Dominik Wlazny - mit 337.010 und 8,31 Prozent Dritter der Bundespräsidentenwahl - hat erste Versuche bei Parlamentswahlen bereits hinter sich. Und sie brachten wesentlich bescheidenere Ergebnisse als die jetzige Persönlichkeitswahl - damit bleibt fraglich, wie er den Schwung der vielen jungen Wählerinnen und Wähler (hier war er besonders erfolgreich) in einen möglichen Nationalratswahlkampf mitnehmen könnte.

Dort trat er mit seiner Bierpartei bereits 2019 an, schaffte allerdings nur die Kandidatur in Wien und musste sich mit 4946 Stimmen bzw. 0,10 Prozent begnügen. Auch bei der Wien-Wahl 2020 waren die rund 13.100 Stimmen nicht genug für den Landtagseinzug, aber immerhin schaffte es die Bierpartei in einige Bezirksvertretungen - unter anderem jene in Simmering, wo Wlazny Bezirksrat ist.

Fehlende Strukturen als Bremse
Den nächsten Versuch, den Nationalrat zu erobern, können Wlazny oder andere Hofburg-Kandidaten im Jahr 2024 unternehmen - falls der reguläre Wahltermin eingehalten wird. Die Bierpartei versucht jedenfalls schon jetzt, Mitglieder zu gewinnen, um für einen solchen Fall auch die nötigen Parteistrukturen aufbieten zu können. Ein Fehlen dieser macht laut dem Parteichef jedenfalls aber einen Antritt bei den Landtagswahlen in Niederösterreich unwahrscheinlich.

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