Mehr als fünf Jahre lang wurde das im 19. Jahrhundert erbaute Parlamentsgebäude in Wien saniert und modernisiert. Fast eine halbe Milliarde Euro floss in das Projekt. Am Mittwoch ist die Wiedereröffnung gebührend gefeiert worden. Eine Festrede durfte auch der frühere Präsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble (CDU), halten. Er verwendete dabei auch ein Zitat des berühmten Wiener Komponisten Gustav Mahler: „Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn da passiert alles 50 Jahre später!“
Schäuble ist seit 1972 ununterbrochen Mitglied des Bundestages und damit der dienstälteste Abgeordnete Deutschlands. Er würdigte in seiner Rede die „Mammutaufgabe“ der Sanierung - und sieht die feierliche Wiedereröffnung des Kelsenbaus als „starkes Zeichen der Wertschätzung für die Demokratie“.
Sobotka wirbt für Respekt im Hohen Haus
„Lassen wir uns leiten von der Würde dieses Hauses“, bat Hausherr Wolfgang Sobotka (ÖVP) zu Beginn seiner Festrede. Die Kernbotschaft des Nationalratspräsidenten war, Respekt voreinander zu haben: „Wenn wir genau hinhören, teilt uns dieses Haus vielleicht seinen Wunsch an uns alle mit. Nämlich, dass unser Denken, Reden und Handeln von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt sein soll.“ Es brauche Kooperationsbereitschaft, Toleranz und Wertschätzung.
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In dieselbe Kerbe schlugen auch die beiden anderen Mitglieder des Präsidiums. Die Zweite Präsidentin Doris Bures (SPÖ) meinte: „Machen wir uns die Mühe Widerspruch auszuhalten.“ Weniger Rechthaberei, mehr Neugier, gehörte zu ihren Anregungen. Bures erinnerte an den Vertrauensverlust, der sich in den vergangenen fünf Jahren ergeben habe. Daher brauche es jetzt nach der Sanierung des Parlamentsgebäudes eine gründliche Sanierung des Vertrauens in die Demokratie und ihre Institutionen.
Machen wir uns die Mühe Widerspruch auszuhalten.
Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ)
Hofer: „Am Ende hat das Gesamtwohl im Vordergrund zu stehen“
Der Dritte Präsident Norbert Hofer (FPÖ) gab zu bedenken, dass in einer Zeit der Ausgrenzung anderer und einer Zeit der Algorithmen Diskussionen schwierig geworden seien. Im Hohen Haus gehe es aber um das zuhören, Dinge auch aus dem Auge des anderen zu sehen. Das Parlament sei von Natur aus ein Ort der unterschiedlichen Meinungen: „Aber am Ende hat das Gesamtwohl im Vordergrund zu stehen und das Gesamtwohl der Demokratie entspringt der lebhaften Diskussion.“
„Geist des Miteinanders“
Günter Kovacs (SPÖ), aktuell Präsident des Bundesrats, beschwor ebenfalls den „Geist des Miteinanders“. Das Vertrauen in die Instanzen, in die Demokratie müsse gestärkt werden. Es brauche Maßnahmen, die für die Menschen verständlich seien. Die Sorgen müssten ernst genommen werden, es brauche eine Politik auf Augenhöhe. Der historische Sitzungssaal präsentierte sich am Donnerstag prächtig wie eh und je. Die musikalische Begleitung stammte von den Wiener Philharmonikern und den Sängerknaben.
Viele Ehrengäste
Anwesend waren auch zahlreiche Ehrengäste. Nebeneinander lauschten die Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ) und Wolfgang Schüssel (ÖVP) den Reden. Hinter ihnen hatte der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) Platz gefunden. Dessen Nachnachfolger als FPÖ-Chef Herbert Kickl musste am Donnerstag krankheitsbedingt passen.
740 Fenster, 600 historische Türen
Saniert wurden rund 55.000 Quadratmeter Netto-Geschoßfläche, 740 Fenster und 600 historische Türen sowie 500 Luster und Leuchten. Die Nutzfläche wurde um rund 10.000 Quadratmeter erweitert. Die wesentlichste architektonische Neuerung ist die neue Glaskuppel über dem Nationalratssaal mit einem Durchmesser von 28 Metern und einer Fläche von 550 Quadratmetern.
Plenarsaal wird am 31. Jänner eingeweiht
Der Plenarsaal wird vom Nationalrat erst am 31. Jänner eingeweiht. Der Festakt findet nämlich im Bundesversammlungssaal statt, wo in zwei Wochen auch die Wiederangelobung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Szene gehen wird. Die Länderkammer trifft sich dann am 16. Februar im neuen Bundesratssaal.
„Tage der offenen Tür“ am Wochenende
Für Interessierte wird es schon davor die Gelegenheit geben, sich im neuen Parlament umzusehen. Am kommenden Wochenende sind zwei „Tage der offenen Tür“ angesetzt. Die Wiedereröffnung des Theophil-Hansen-Baus bringt gleichzeitig das Aus für die über fünf Jahre genutzten Ersatzquartiere. Die drei Container, in denen unter anderem Klubs und Ausschusslokale untergebracht waren, werden ab 20. Februar abgebaut und die in der Hofburg genutzten Bereiche werden wieder an die Burghauptmannschaft übergeben.
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