Im Interview mit der „Steirerkrone“ sprechen die ehemaligen Landeshauptleute von SPÖ und ÖVP erstmals über Höhen und Tiefen ihrer langjährigen Reformpartnerschaft.
Dass Franz Voves, ehemaliger SPÖ-Landeshauptmann der Steiermark, am Dienstag 70 Jahre alt wird, sieht man ihm nicht an. Blue Jeans, lässiges Sakko, „On“-Sportschuhe. Der Drei-Tage-Bart nur leicht ergraut. Der Polit-Fuchs, ein ehemaliger Eishockey-Profi, wirkt, als könnte er es mit seinen Gegnern noch locker aufnehmen. Nicht nur auf dem glatten Spielfeld, sondern auch auf dem nicht minder rutschigen politischen Parkett.
Ihm gegenüber sitzt der um ein Jahr ältere Hermann Schützenhöfer (ÖVP): rote Krawatte, blaues Sakko und ebenso fit, als wäre er noch in Amt und Würden. Als „Altlandeshauptmann“ würde sich der Unruheständler selbst bezeichnen, „schreibt’s ja nicht ,Landeshauptmann emeritus’, das kann i net hören!“
Zwei- bis dreimal im Jahr sehen die Ex-Politiker einander, diesmal aus Anlass von Voves’ „Rundem“ in den neuen Räumlichkeiten der „Steirerkrone“ in Graz. Servas. Griaß di. Am Besprechungstisch haben zwei Männer Platz genommen, die sich offensichtlich mögen. Die Chemie stimmt, auch wenn sie nicht derselben Partei angehören. Oder vielleicht gerade deshalb?
Dabei ist das Verhältnis der beiden lange Zeit von Feindschaft und Misstrauen geprägt, erst nach Jahren finden der „Rote“ und der „Schwarze“ zusammen. Es sind Szenen einer ungewöhnlichen steirischen „Polit-Ehe“ - authentisch, aus der Sicht der Protagonisten.
Szene 1: Feindschaft
In den Jahren 2005 bis 2010 sind sich „der derzeit amtierende Landeshauptmann“ (© Christopher Drexler) und sein Herausforderer spinnefeind. Hermann Schützenhöfer erinnert sich: „Franz Voves hat das Unmögliche geschafft, der ÖVP nach 60 Jahren den Landeshauptmann abzunehmen, und ich sollte das Unmögliche schaffen, diesen innerhalb einer Periode zurückzugewinnen. Da tut man dann manchmal etwas, was gegen den Instinkt ist. Und so haben wir auf Teufel komm raus gestritten.“
Für ihn retrospektiv ein Fehler: „Einer meiner väterlichen Freunde, der damalige Landtagspräsident Franz Feldgrill, hat mir in dieser Zeit gesagt: ,Schützi, den Voves darfst net zu viel angehen, weil ihn die Leute akzeptieren. Du musst dich anschleichen und sagen, er ist ein guter Landeshauptmann, aber ich wäre auch nicht schlecht. Das habe ich später auch gemacht. Das hat nur in der ersten Regierungsperiode nicht geklappt.“
Auch für Voves ist die Zeit der gegenseitigen Angriffe nichts, woran er gerne zurückdenkt. „Ich wusste, dass der Schmerz der ÖVP unglaublich groß ist, noch dazu, wenn man weiß, warum das passiert ist. Das waren primär Streitereien zwischen zwei schwarzen Landesräten, die Landeshauptfrau Klasnic nicht in den Griff bekommen hat. Mein Team und ich haben versucht, diese Jahrhundertchance strategisch gut zu nutzen. Ich bin ja ohne Rückkehrrecht in die Politik gegangen, mit vollem Risiko. Und man geht halt nicht in die Politik, um Beleidigtheiten auszutragen, sondern um zu gestalten. Das wollte ich schon in den ersten Jahren.“
Man geht halt nicht in die Politik, um Beleidigtheiten auszutragen, sondern um zu gestalten.
Franz Voves
Schützenhöfer nickt zustimmend. Ja, man würde es rückblickend anders machen. Kein Duell der Worte, lieber eines der besseren Argumente. „Der Streit gehört zur Demokratie“, räumt Franz Voves an, „nur nicht unter der Gürtellinie“. Die Volkspartei habe gewusst, dass er leicht zu provozieren sei: „Wenn mich im Sport ein Gegner provoziert hat, ist es meist nicht gut ausgegangen. Für den Gegner.“
Die beiden lachen. Gemeinsam. Heute, als Pensionisten, als Großväter können sie das. Die Gelassenheit ist da, die Altersmilde.
Szene 2: Flirt
Nach Jahren des Hickhacks, des politischen Kleinkriegs erkennen der rote Landeschef und sein schwarzer Stellvertreter, dass sie mehr eint als trennt.
Ein vorsichtiges Annähern, eine Aussprache, ein „Flirt“. „Der Groschen ist erst nach der Wahl 2010 gefallen“ , resümiert Hermann Schützenhöfer. „Jede Niederlage ist auch eine Chance. Wir haben gewusst, was in der Steiermark zu tun ist. Und gesagt, wir sind nicht mehr die Jüngsten, wir müssen jetzt gemeinsam etwas fürs Land machen.“
Szene 3: Ehe
Aus dem zarten Flirt wird mehr - mit der „Reformpartnerschaft“ schließen Voves und Schützenhöfer eine „Polit-Ehe“ für die steirischen Geschichtsbücher. Gemeinden werden zusammengelegt, der Proporz wird abgeschafft, die Anzahl der Landtagsabgeordneten von 56 auf 48 reduziert. Man habe „enkeltaugliche Politik“ machen wollen, sagt Schützenhöfer. „Das war unser gemeinsames Werk.“
Den Gleichen, die sich von 2005 bis 2010 über die Streitereien aufgeregt haben, waren nachher die Umarmungen zu viel.
Hermann Schützenhöfer
„Ein wahrlich Christlichsozialer ist mit einem Sozialliberalen zusammengekommen“, bilanziert Voves. Doch nicht alle Parteifreunde goutieren den Kuschelkurs, wie Schützenhöfer verrät: „Den Gleichen, die sich von 2005 bis 2010 über die Streitereien aufgeregt haben, waren nachher die Umarmungen zu viel. ,Der Voves zieht dich über den Tisch’, hat es geheißen. Der Funktionär einer Partei ist ein schwieriges Wesen.“
Szene 4: Trennung
Die Landtagswahl 2015 bringt schließlich eine Zäsur. SPÖ und ÖVP verlieren stark und liegen nun mit der FPÖ beinahe gleichauf.
„Ich wollte die FPÖ auf keinen Fall in der Landesregierung sehen, und wir waren auf einmal drei gleich starke Parteien. Meine Meinung war, mit den Blauen kann man keine Zukunft gestalten“, denkt Voves an das turbulenteste Jahr der „Reformpartnerschaft“ zurück. Was also tun?
„Nun, ich wusste, dass der Franz unter allen Umständen Schwarz-Blau oder Rot-Blau verhindern wollte“, betont der damalige ÖVP-Chef. „Faktum ist aber auch, dass es sowohl bei uns als auch in der SPÖ Drähte zu den Freiheitlichen gab.“ Den Rücktritt seines roten Regierungskollegen habe er bis zum Schluss verhindern wollen: „Ich hab gesagt: ,Bitte bleib!’ Meine Idee war ja zunächst, dass Franz Voves zweieinhalb Jahre Landeshauptmann bleibt, und meine Bitte war dann, dass ich in der zweiten Hälfte, die politisch natürlich die bessere ist, übernehme.“
Doch der angeschlagene SPÖ-Vorsitzende entscheidet anders, tritt zurück („meine Kraft war am Ende“) - und überlässt der ÖVP den Landeshauptmannsessel. Hat er ihn „verschenkt“, wie heute noch einige rote Parteigranden wettern?
Voves runzelt die Stirn, redet sich in Rage. „Der Voves kann überhaupt nix verschenken!“ Er habe seinen Parteivorstand mit dem „historisch atypischen Vorschlag“ konfrontiert, wohl wissend, „wie weh es dem einen oder anderen tut“: „Für mich war es die sinnvollste Lösung, um eine SPÖ ohne Proporz in der Landesregierung zu wissen. Der Landesparteivorstand hat die Übergabe letztlich mit 95 Prozent Zustimmung beschlossen. “
Ich glaube, Einzelne in der SPÖ Steiermark haben noch nicht begriffen, warum sie überhaupt in der Landesregierung sind!
Franz Voves
Dass Sozialdemokraten dieser Schritt noch immer aufstößt, kränkt den bald 70-Jährigen. „Jene fünf Prozent, die dagegen waren, waren nicht abgeneigt, mit der FPÖ zusammenzugehen - was den sicheren Tod der SPÖ in der Landesregierung bedeutet hätte. Ich glaube, Einzelne in der SPÖ Steiermark haben noch nicht begriffen, warum sie überhaupt in der Landesregierung sind!“
Hätten sich „diese fünf Prozent“ durchgesetzt und die Roten mit den Blauen koaliert, wäre er aus der Partei ausgetreten, bekräftigt Franz Voves. Nachsatz: „Im Übrigen hätte Schützenhöfer auch nicht gewusst, wie es ausgeht, wenn ich geblieben wäre.“ Dieser nickt. Ja, es ist ihre gemeinsame Geschichte.
Szene 5: Enttäuschung
Wie in jeder Beziehung üblich, kennt auch das Polit-Duo die Momente der Enttäuschung. 2019 kommt so ein Moment, als Schützenhöfer als nunmehriger Landeschef die Koalition mit der SPÖ sprengt und die Wahlen vorverlegt. Voves schreibt einen offenen Brief, übt harsche Kritik an seinem Vorgänger: „Das war ich mir schuldig, das hat man auch parteiintern von mir erwartet.“
Der ehemalige ÖVP-Chef blickt zu Boden. Es wirkt, als schmerze ihn diese Episode noch heute. „Dieser Brief ist mir in die Knochen gefahren.“
Szene 6: Aussöhnung
Auf Schützenhöfers Initiative kommt es Monate später zur Aussöhnung. Ein Treffen im Parkhotel, ein gemeinsames Frühstück. Heute können sie sich wieder in die Augen schauen, der Franz und der Hermann. Deren langjährige „Polit-Ehe“ wohl nie mehr geschieden wird...
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