Anti-Teuerungs-Paket

Zwischen „Totalversagen“ und „Richtung passt“

Politik
10.05.2023 14:58

Nach vehementer Kritik hat die türkis-grüne Bundesregierung am Mittwoch ein Paket gegen die Teuerung vorgestellt. Die Reaktionen darauf bewegen sich zwischen „Totalversagen“ und „Richtung passt“. In einem Punkt sind sich Opposition und Experten aber einig: Es wird nicht reichen.

Viele Österreicher ächzen unter den anhaltend hohen Lebenskosten. Um dem entgegenzuwirken, nimmt die Regierung nun vor allem den Energiesektor ins Visier genommen.

Geht es nach Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), werden Energiekonzerne künftig „zur Kasse gebeten“, wenn sie sinkende Preise nicht an den Endverbraucher weitergeben. Ein „Stromrabatt per Gesetz“ soll her. Der Lebensmittel- und Mietsektor wurde hingegen verschont.

Das Anti-Teuerungs-Paket

  • Wenn die Energiepreise nicht entsprechend sinken, werden die Übergewinne abgeschöpft und der „Bevölkerung zurückgegeben“.​
  • Recht auf monatliche Abrechnung für alle Kunden mittels Smartmeter.
  • Senkung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe wird um ein weiteres halbes Jahr verlängert.
  • Mehr Transparenz zur Stärkung des Wettbewerbs und gegen Lebensmittelverschwendung.

Jubelstürme lösen die Ankündigungen der Regierung daher nicht aus. Die SPÖ hat bereits am Montag einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung angekündigt - ein Instrument, zu dem auch die FPÖ greifen will.

„Totalversagen der Bundesregierung“
Am Freitag findet unter dem Namen „Totalversagen der Bundesregierung im Kampf gegen die Teuerung“ eine Sondersitzung im Nationalrat statt. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zeigt sich vom Maßnahmenpaket der türkis-grünen Regierung wenig beeindruckt: Es rege ihn „maßlos“ auf, wenn er im Supermarkt mitbekomme, dass sich ein älteres Ehepaar keine Butter mehr leisten könne, aber diesen Menschen habe die Regierungs-Pressekonferenz nicht geholfen.

„Es wird kein einziger Preis durch diese Pressekonferenz gesenkt“, glaubt Leichtfried. Schon der Lebensmittelgipfel Anfang der Woche sei erfolglos gewesen: „Dieser Gipfel war ein Flop, und diese Show-Pressekonferenz war der größere Flop.“

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Die Menschen werden besser zuschauen können, wie sie abgezockt werden.

Jörg Leichtfried (SPÖ) (Bild: APA/FLORIAN WIESER)

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried

Die angekündigte Verschärfung der Übergewinnsteuer für Energiekonzerne sei nichts anderes als ein Eingeständnis, dass die bisherige bloß ein „Übergewinnsteuer“ gewesen sei, und außerdem noch viel zu vage, so der SPÖ-Mann.

Die geplante Preistransparenz im Lebensmittelbereich bringe genau eines, nämlich: „Die Menschen werden besser zuschauen können, wie sie abgezockt werden.“ Bei der Sondersitzung will die SPÖ die Rücknahme der Richtwertmieterhöhung und ein Einfrieren der Mieten bis 2025 sowie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel beantragen.

WIFO: „Richtung passt“
Gabriel Felbermayer, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), findet hingegen: „Die Richtung passt.“ Die Größe des Pakets sei aber „angesichts fast zweistelliger Inflationsraten doch deutlich zu klein.“ Hier müsse die Nehammer-Regierung noch ein paar Mal „nachbessern“. Wie eine höhere Transparenz im Lebensmittelhandel unmittelbar Preise senken soll, sei zudem „unklar“, twitterte Felbermayer.

Zu einem vernichtenden Urteil kommt hingegen die Arbeiterkammer (AK). Mehr Transparenz sei zwar gut, aber „das Paket bleibt auf halbem Wege stehen, nämlich dort, wo es darum geht, wirksame Maßnahmen zu setzen“, heißt es in einer Aussendung. AK-Präsidentin Renate Anderl fragt: „Wo bleibt die Mietpreisbremse, die Wärmekostenbremse und ein Stopp der hohen Lebensmittelpreise?“

Wie schnell wirken die Maßnahmen?
IHS-Direktor Klaus Neusser erwartet durch das Paket „keinen großen, aber einen nachhaltigen Beitrag“ zur Inflationsdämpfung. Positiv hob er hervor, dass keine Nachfrage-erhöhenden Elemente enthalten seien, wie dies etwa auf Direktzahlungen zutreffen würde. Mit der höheren Abschöpfung von Gewinnen bei Energieunternehmen werde jedenfalls Druck auf die Branche erzeugt, die sinkenden Großhandelspreise rasch an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben, sagte Neusser. Durch die steigende Transparenz nehme man zudem den Lebensmittelhandel in die Pflicht.

Bundesregierung setzt auf Transparenz (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Bundesregierung setzt auf Transparenz

Einen Effekt werden auch angedachte Maßnahmen wie der schnellere Wechsel der Energieversorger oder die Spenden für Sozialmärkte erzielen, glaubt Neusser. Nur einen verschwindend geringen Beitrag erwartet er sich allerdings von der Aussetzung der Gebührensteigerung im öffentlichen Bereich. Wie schnell und stark die Maßnahmen wirken werden, sei allgemein schwer abschätzbar, so der Ökonom.

Meinl-Reisinger fordert Druck auf Länder
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sieht ein Ende „der Ausreden“ gekommen. Sie fordert mehr Druck auf die Länder. „Der Staat kann auch bei den Energiepreisen auf die Teuerungsbremse steigen. Denn in den Ländern sind es vor allem Landesenergieversorger, die ihre Kunden weiter zur Kasse bitten - und das, obwohl die Energiepreise sinken“, erklärte sie auf Twitter. Sinkende Preise würden bisher in „Landesbudgets versickern“.

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht nach dem „Bauchfleck beim Lebensmittelgipfel“ auch im Anti-Teuerungs-Paket eine „Blendgranate ohne Wirkung“. Dass die Bundeswettbewerbsbehörde nun weitere Kompetenzen erhalte, um die Preistransparenz bei den Lebensmitteln zu untersuchen, ändere nichts an hohen Preisen. „Es wedelt weiterhin der Schwanz mit dem Hund“, zeigte sich Kickl enttäuscht.

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