„Mütter gestrichen“

Gender-Schlagabtausch zu neuem Eltern-Kind-Pass

Politik
06.07.2023 13:23

Im Juni scheiterte der neue digitale Eltern-Kind-Pass mit einem Ausbau der Leistungen im Parlament noch an einem Formalfehler. Jetzt wurde das entsprechende Gesetz mit den Stimmen von ÖVP und Grünen im Nationalrat angenommen. Eine Mehrheit gab es auch für die erleichterte Errichtung von Primärversorgungseinheiten (siehe auch Video oben). Zuvor kam es noch zu hitzigen Wortgefechten, die sich am aufgeladenen Thema Gendern entzündeten.

Der FPÖ-Abgeordnete Peter Wurm stieß sich am Namen des neuen Dokuments. Der Mutter-Kind-Pass sei eine Erfolgsgeschichte, es gehe um den Schutz der Mutter, die nun herausgestrichen werde, kritisierte Wurm. Die ÖVP „streicht die Mutter aus dem Weltbild“, meinte er, und mach damit bei einem ideologischen Projekt der Grünen mit.

Zankapfel Datenspeicherung
Zudem tadelte der FPÖ-Politiker die Aufbewahrung der Daten für 30 Jahre als „vollkommene elektronische Kontrolle von Müttern“. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hatte die lange Behaltefrist mit der Ausweitung bis zum 18. Lebensjahr des Kindes sowie zur Vorsorge bei weit auseinander liegenden Geburten begründet.

Der FPÖ-Abgeordnete Peter Wurm kritisierte, dass der Name des Mutter-Kind-Passes und auch die Papierform wegkommt. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Der FPÖ-Abgeordnete Peter Wurm kritisierte, dass der Name des Mutter-Kind-Passes und auch die Papierform wegkommt.

Meri Disoski, Frauensprecherin der Grünen, konterte Wurm. „Wen wollt ihr veräppeln? Ihr macht Frauen unsichtbar!“, warf sie der FPÖ vor. Sie verwies auf deren geringe Anzahl an weiblichen Abgeordneten und auf das geplante Genderverbot in Niederösterreich. Der dortige FPÖ-Chef Udo Landbauer vertrete eine Frau, mache diese aber in seinem Titel unsichtbar.

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Ihr macht Frauen unsichtbar!

Grünen-Abgeordnete Meri Disoski warf der FPÖ ihre eigene Kritik an den Kopf.

Hohn für Kickl
Auch die ÖVP-Abgeordnete Elisabeth Pfurtscheller kritisierte den freiheitlichen Konsumentenschutzsprecher Wurm: Der neue Eltern-Kind-Pass heiße so, weil jedes Kind Eltern habe. „Sowohl Mutter als auch Vater übernehmen Verantwortung“, betonte Pfurtscheller. Aus Sicht der Freiheitlichen hätten Väter aber keine Zeit, zu Beratungen zugehen, „weil sie an der Festung Österreich bauen“, höhnte sie in Richtung FPÖ. „Die brauchen wir, damit der Herr Kickl wieder auf einem Pferdal sitzen kann.“

FPÖ-Gesundheitssprecherin Belakowitsch teilte gegen ÖVP und Grüne aus. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
FPÖ-Gesundheitssprecherin Belakowitsch teilte gegen ÖVP und Grüne aus.

Das ließen die Freiheitlichen nicht auf sich sitzen. „Danke für die Aufklärung, dass die ÖVP Sicherheitspolitik völlig abgeschrieben hat“, bemerkte die Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. Auch sie kritisierte den Namen des neuen Eltern-Kind-Passes, mit dem die Regierung „die Menschen in Geiselhaft ihrer Ideologie“ nehme.

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Selbstverständlich bleibt eine Schwangere eine Frau, eine Mutter eine Mutter und ein Vater ein Vater.

Auch Familienministerin Susanne Raab schaltete sich in die Debatte ein.


Am Nachmittag reagierte auch Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) auf die Debatte. Sie betonte, dass die Sorge für ein Kind gemeinsame Aufgabe der Eltern sei. „Das bilden wir mit dem neuen Namen ab. Untersuchungen und Leistungen des Eltern-Kind-Passes liegen zum Teil viele Jahre nach der Geburt. Wer selbst Kinder hat, weiß das. Und dabei können und sollen sich die Väter auch beteiligen“, bekräftigte Raab in einer Aussendung.

Was ist neben dem Namen neu?
Konkret soll das Vorsorgeprogramm mit Jänner 2024 in Kraft treten, 
bis 2026 soll der Leistungsumfang um zusätzliche Angebote während der Schwangerschaft bzw. für Neugeborene erweitert werden. Zu den neuen Leistungen gehören ein Gesundheitsgespräch zu Beginn der Schwangerschaft, eine zweite freiwillige Hebammenberatung vor der Geburt sowie eine Elternberatung. Ermöglicht werden außerdem ein zusätzliches Hörscreening für Neugeborene, ein weiterer Ultraschall sowie eine Ernährungs- und Gesundheitsberatung für Schwangere, stillende Mütter oder junge Eltern.

Gesundheitsminister Rauch zeigt sich zufrieden über die Neuerungen im Gesundheitssystem. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Gesundheitsminister Rauch zeigt sich zufrieden über die Neuerungen im Gesundheitssystem.

Angenommen wurden auch die Neuerungen in der Primärversorgung, diesmal mit breiter Zustimmung von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS. Die Errichtung von Primärversorgungseinheiten (PVE) wird erleichtert und entbürokratisiert, den Ärztekammern ihre Vetomöglichkeit genommen. Aus den aktuell 44 bestehenden PVE sollen bis Ende 2025 in ganz Österreich 120 werden. Aktuell sind 30 in Planung, davon fünf für Kinder - solche reinen Kindermedizin-Einrichtungen werden nun rechtlich ermöglicht. Statt bisher 340.000 Patienten sollen so mehr als 700.000 Menschen pro Jahr versorgt werden. Auch andere Gesundheitsberufe als Ärzte können Gesellschafter werden.

Finanzausgleich: Verhandlungen auch im Sommer
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zeigte sich zufrieden. Der Beschluss sei „ein erster, aber ein ganz wesentlicher Baustein einer umfassenden Gesundheitsreform, die wir jetzt versuchen, im Zuge des Finanzausgleichs auf den Boden zu bringen.“ Mit dem forcierten Ermöglichen von Primärversorgungszentren könne man dem Trend zu unbesetzten Kassenarztstellen, dem Boom bei Wahlärzten und dem Ausweichen der Patienten in Spitalsambulanzen entgegentreten, zeigte er sich überzeugt. Für den Finanzausgleich werde man den Sommer durcharbeiten, um ihn dann im Herbst beschließen zu können.

Die Abgeordneten Ralph Schallmeiner und Josef Smolle, die die Novelle für Grüne bzw. ÖVP verhandelt hatten, hoben in ihren Beiträgen auch hervor, dass künftig auch schon zwei Personen eine PVE gründen können und 100 Mio. Euro an Fördermitteln aus dem Aufbau- und Resilienzplan der EU bereitstünden. Mehr als 30 PVE stünden bereits in den Startlöchern.

„Geld alleine wird nicht reichen“
Bei der SPÖ bemühte man sich zu betonen, dass das Primärversorgungsgesetz ursprünglich in der Ära von Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner beschlossen worden war. Rudolf Silvan bemängelte aber, dass Maßnahmen gegen den Ärztemangel fehlten. Gerhard Kaniak (FPÖ) sprach in diesem Zusammenhang gar von einem Desaster. „Geld alleine und das, was sie hier vorgelegt haben, wird nicht reichen, um die Probleme zu beseitigen“, unterstrich er. Lob kam hingegen von den NEOS. Dass Rauch den Mut zeige, „sich gegen diverse Stakeholder aufzubäumen“, begrüßte deren Abgeordnete Fiona Fiedler.

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