Ausgerechnet ein Schwarzer animierte SPÖ-Chef Mario Leiter, sich politisch zu betätigen und brachte damit sogar die eigenen Reihen in Bedrängnis. Die Bludenzer ÖVP-Bürgermeister Katzenmayer und Tschann zwang Leiter in die Stichwahl. Im kommenden Jahr tritt er erstmals auf Landesebene als Spitzenkandidat an.
Im Garten von SPÖ-Chef Mario Leiter fällt einem sofort das kleine, runde Häuschen auf. Sauna oder Schwitz- oder Hobby-Hütte? Weder noch. Es ist ein Kommunikationshäuschen, verrät der stolze Besitzer, holt den Schlüssel, sperrt auf. Zu sehen ist ein großer Grill in der Mitte, rundherum Sitzgelegenheiten.
Wenn Mario Leiter mit Freunden und Bekannten im gemütlichen Rund sitzt, kann das auch schon mal bis in die frühen Morgenstunden dauern. Gern gesehener Gast im Kommunikationshäuschen war auch der 2016 viel zu früh verstorbene Alt-Landesrat und Wirtschaftskammerpräsident Manfred Rein, dessen Frau Angelika die Cousine von Mario Leiters besserer Hälfte Beate ist. Neben Ehefrau und Sohn war es der ÖVPler Manfred Rein, der nicht ganz unbeteiligt daran ist, dass Leiter beim politischen Mitbewerber andockte und der Bludenzer Volkspartei bei den zwei jüngsten Gemeinderatswahlen ordentlich das Fürchten lehrte.
„Krone“: Was hat Manfred Rein damals zu Ihnen gesagt?
Mario Leiter: Als ich 2012 überlegt habe, mich politisch zu engagieren, haben wir in meinem Kommunikationshäuschen angeregt diskutiert. Er hat er gemeint, dass ich eigentlich der klassische Sozialdemokrat wäre. Ich hätte das Herz eines Roten, würde niemanden im Stich lassen und immer dafür eintreten, dass alle gleichbehandelt werden. Zudem würde mein wirtschaftliches Denken der SPÖ gewiss nicht schaden.
Die Anregung haben Sie dann umgesetzt und sich als Bürgermeisterkandidat in Bludenz beworben?
Nicht sofort. Ich habe davor lange mit meiner Frau und meinem Sohn gesprochen, der als Jurist im Innenministerium in Wien arbeitet. Es ging darum, was sich in Bludenz in den vergangenen zehn Jahren verändert hat und was sich künftig verändern sollte. Mein Sohn war der Meinung, dass ich geeignet wäre, für wirtschaftliches Wachstum in der Alpenstadt zu sorgen und etwas vorwärtszubringen, weil ich mit allen reden und Lösungsvorschläge erarbeiten kann. Also habe ich mit dem damaligen Stadtparteichef Günter Zoller, der dann mein politischer Mentor wurde, geredet und ihm gesagt, dass ich gerne Bürgermeisterkandidat der SPÖ Bludenz wäre.
Sie sind zweimal knapp in der Stichwahl gescheitert. Wie gehen Sie mit solchen Niederlagen um?
Ich weiß, dass wir 2015 gewonnen hätten, wenn alles korrekt abgelaufen wäre. Außerdem haben wir damals von 18 auf 39 Prozent zugelegt. 2020 hat es geheißen, dass die SPÖ dieses Ergebnis nie halten kann - aber wir haben knapp 45 Prozent errungen. Das ist ein Megaerfolg.
Das Ziel, Bürgermeister zu werden, haben Sie dennoch verfehlt.
Ja. Deswegen war ich natürlich enttäuscht. Mein Team und ich hatten alles gegeben. Aber gegen die ÖVP und diesen ganzen Mechanismus zu bestehen, ist nicht einfach. Bei den jüngsten Gemeindewahlen waren vom Bundeskanzler über den Landeshauptmann bis zum Wirtschaftskammerpräsidenten alle in Bludenz, um den ÖVP-Kandidaten zu unterstützen.
Hat die ÖVP dabei andere Städte und Gemeinden aus den Augen verloren?
Wenn die ÖVP den Fokus nicht so sehr auf Bludenz gelegt hätte, wären die Chancen, Bregenz zu halten sicher besser gewesen. Wobei ich finde, dass Michael Ritsch der richtige Bürgermeister für Bregenz ist. Die Sache mit der Begegnungszone hat er richtig gut gemacht.
Wie bringen Sie sich in die politische Arbeit ein, nachdem Sie weder im Nationalrat noch im Landtag sind?
Ich habe ein freundschaftliches Verhältnis zu allen drei Landtagsabgeordneten, zum Nationalrat und zum Klubdirektor. Ich nehme - wenn nicht vor Ort, dann zumindest über Teams - an den Klubsitzungen teil und bringe mich ein. Die Tatsache, dass in Vorarlberg 5 Millionen Euro für Nachhilfe ausgegeben werden, finde ich nicht okay. Nachhilfe muss kostenlos sein. Deswegen haben wir auch gleich einen entsprechenden Antrag im Landtag eingereicht.
Was würden Sie im Ländle denn gerne verändern?
Das Leben in Vorarlberg ist einfach zu teuer. Es ist Zeit für eine Wende, denn die Politik darf sich nicht länger nur mit sich selbst beschäftigen. Der Mittelbau muss gestärkt, die Schwächeren mitgenommen werden. Die Menschen dürfen nicht zu Bittstellern werden.
Was fordern Sie konkret?
Es braucht mehr Ganztagsschulen, und das Kinderbetreuungsangebot muss ausgebaut werden. Zu Ferienbeginn hat sich für viele Alleinerziehende wieder die Frage gestellt, wie sie neun Wochen betreuungsfreie Zeit bewerkstelligen sollen. Jeder hat ein Recht darauf, Bildung in Anspruch zu nehmen und natürlich auch zu wohnen. Da muss das Land neue Wege gehen und auch im Baurecht Liegenschaften günstig an den gemeinnützigen Wohnbau vergeben.
Was ärgert Sie in der Politik am meisten?
Dass die Parteien nicht ihr Produkt bewerben. Es geht immer nur darum, was der andere schlecht macht. In der Wirtschaft versucht jeder, der Beste zu sein. Es werden Produkte verkauft, ohne den Mitbewerber schlecht zu machen. Ein Lebensmittelhändler beispielsweise würde nie sagen, dass Produkte vom Mitbewerber schlecht sind.
Sie sprechen - ähnlich wie die NEOS - immer wieder von Kinderbetreuung und Wirtschaft. Sind Sie sich sicher, dass Sie in der richtigen Partei sind?
Auf jeden Fall. Ich weiß, was es heißt, hart zu arbeiten. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und bin mit zwei Brüdern in der Vogewosi-Siedlung in Bludenz aufgewachsen. Von uns hatte niemand die Möglichkeit, ein Studium zu absolvieren. Wir haben alle eine Lehre gemacht und einen Teil der Lehrlingsentschädigung zum Haushaltseinkommen beigesteuert. Ich habe damals Einzelhandelskaufmann gelernt, war kurz Filialleiter eines Bekleidungsgeschäfts in Braunau. Schon damals fand ich es ungerecht, dass es eine Verkäuferin gab, die trotz hoher Verkaufszahlen viel weniger Geld verdiente als ich, nur weil sie eine Frau war.
Wie sind Sie bei der Polizei gelandet?
Als die Bekleidungsfirma in eine finanzielle Schieflage geraten ist, hat mir mein Vorgesetzter dazu geraten, die Beamtenlaufbahn bei der Stadt Bludenz einzuschlagen. Ich habe mich beworben, die Gendarmerieschule besucht und war ein Jahr bei der Bundespolizeidirektion in Wien. Nebenbei habe ich die Verkehrssicherheitsakademie in Wien absolviert und auch 2004 ein Präventionsunternehmen mit dem Schwerpunkt Verkehrssicherheit gegründet.
Haben Sie ein Ziel für die Landtagswahl?
Ich möchte mit der Sozialdemokratie in die Landesregierung einziehen und die sozialdemokratischen Ideen und Werte einbringen. Ich bin überzeugt davon, dass einige Anliegen von der ÖVP mitgetragen werden würden, weil sie gesellschaftspolitisch unabdingbar sind.
Was reizt Sie an dem Amt?
Es geht mir nicht um eine Funktion, mehr um inhaltliche Positionen. Ich werde demnächst 58 Jahre alt. Man sollte niemanden die Macht geben, der sie unbedingt will, denn es liegt nahe, dass er diese auch missbrauchen könnte. Auf der anderen Seite kann man Macht auch dazu nutzen, die Schwachen nicht im Stich zu lassen. Es kann nicht jeder studieren, einen großartigen Managementjob haben. Daher muss es irgendwo die Möglichkeit einer Gerechtigkeitsverteilung gegen, damit alle ein gutes Leben führen können.
Wenn die ÖVP weniger als 40 Prozent und die SPÖ zehn Prozent erlangt, geht sich eine Koalition aber schon rein rechnerisch nicht aus?
Es ist noch ein Jahr bis zur Wahl. Wir werden sehen, wie sich die Parteien positionieren, welche Themen in den Vordergrund rücken und wem die Wähler vertrauen. Haben sie den Stillstand satt, möchten sie jemanden, der Probleme löst? Das Land kann auf viele Bereiche des Lebens Einfluss nehmen. Wenn man die Möglichkeit hat, etwas zum Positiven zu verändern, hat man auch die Verpflichtung, dies zu tun. Und ich merke, dass die Stimmung gut ist, dass man nicht nur über Wirtschaft und Soziales reden, sondern die Probleme der Menschen lösen sollte.
Wer soll der SPÖ nach all den Peinlichkeiten um den Bundesparteivorsitz vertrauen?
Ich bin zuversichtlich, dass es gelingt, die Menschen mit guter Arbeit zu überzeugen. Pamela Rendi-Wagner hat in den vergangenen Jahren einen guten Job gemacht. Hans-Peter Doskozil ist ein Macher, der im Burgenland viel bewegt hat. Und Andreas Babler hat jetzt einen guten Weg eingeschlagen. Ich bin seit kurzem auch Mitglied des Bundesparteipräsidiums und bin positiv überrascht, wie dort gearbeitet wird und Themen forciert werden.
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