SPÖ und FPÖ haben sich auf einen Untersuchungsausschuss geeinigt. Im Fokus: die COVID-19-Finanzierungsagentur (COFAG) und der ÖVP nahestehende Milliardäre. Die ÖVP kontert mit einem eigenen U-Ausschuss, obwohl die Volkspartei beim Thema noch von einem „Arbeitstitel“ spricht. Den Vorsitz der Untersuchungen übernimmt ein alter Bekannter.
Die Milliardäre Siegfried Wolf und René Benko sollen bei der Vergabe von Covid-Hilfen bevorzugt behandelt worden sein, finden die beiden Oppositionsparteien. Die NEOS enthalten sich der parlamentarischen Untersuchung. Beate Meinl-Reisinger bezeichnete auf der Plattform X die Ankündigungen der Parteien als „Wir bewerfen uns gegenseitig mit Dreck“-Untersuchungsausschüsse.
Eingesetzt werden könnte der rot-blaue U-Ausschuss noch im Dezember vor Weihnachten. Das Verlangen wird am Freitag im Nationalrat eingebracht. Spätestens aber zu Beginn des kommenden Jahres, sollte die ÖVP dies „unter Einsetzung aller juristischer Tricks verzögern“, so SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer. Im März oder April könnten dann die Befragungen der Auskunftspersonen stattfinden. „Es wird ein sehr kurzer, kompakter Ausschuss sein“, so Krainer. Per Gesetz muss dieser nämlich etwa drei Monate vor der Nationalratswahl zu Ende sein.
Covid-Hilfen und Milliardäre im Mittelpunkt
Der Untersuchungszeitraum soll laut Verlangen von 18. Dezember 2017 bis 23. November 2023, also dem Tag des Einbringens des Verlangens sein. „COFAG-Ausschuss“ ist nur die Kurzbezeichnung, denn auch weitere Bereiche könnten dabei beleuchtet werden. Konkret verlangen SPÖ und FPÖ einen „Untersuchungsausschuss betreffend Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“.
„Es war von Anfang klar, dass man gerade in das Thema COFAG noch genauer rein schauen muss“, begründete FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker das Anliegen. Allerdings sei es im letzten U-Ausschuss schwer gewesen, Akten zu beschaffen - was ein Spruch des Verfassungsgerichtshofs geändert habe.
ÖVP kontert mit eigenem U-Ausschuss
Ein U-Ausschuss ist der politischen Landschaft offenbar nicht genug. Die ÖVP will ebenfalls eine parlamentarische Untersuchung anstreben. Der Abgeordnete Andreas Hanger (ÖVP) gab am Freitag ein entsprechendes Pressestatement ab. Das Thema: „Rot-blauer-Sumpf-Untersuchungsausschuss.“ Die Volkspartei kann einen U-Ausschuss im Alleingang beschließen, Abgeordnete hat sie genug.
„Im Kern“ gehe es laut Hanger um das „Beschaffungswesen“ in blauen und roten Ministerien. Der Untersuchungszeitraum soll bis in die Ära Gusenbauer zurückgehen. Zudem sollen „Kickls Pferde“ ein Thema werden. Die ÖVP wolle „rot-blaue Sümpfe trocken legen“, es gehe um Steuerverschwendung. Warum die Politik der vergangenen 16 Jahre genau jetzt parlamentarisch untersucht werden soll, konnte Hanger nicht abschließend aufklären. Die ÖVP war in all diesen Jahren immerhin der Koalitionspartner dieser Parteien.
Sobotka leitet U-Ausschüsse
Grundsätzlich handele es sich beim Thema noch um einen „Arbeitstitel“. Dem ÖVP-Mann zufolge wolle man sich „zur Wehr“ setzen. Es könne nicht sein, dass nur gegen von der Volkspartei geführte Ministerien Unterlagen vorgelegt werden. Die Ressorts des grünen Koalitionspartners sollen dezidiert von den Untersuchungen ausgenommen werden.
Den Vorsitz der parlamentarischen Untersuchungen übernimmt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Das teilte ein Sprecher auf APA-Anfrage mit. Dem ÖVP-Mann wird aktuell vorgeworfen, den ehemaligen Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek zum Amtsmissbrauch angestiftet zu haben. Die Geschäftsordnung sieht jedoch eine Leitung durch den Chef des Parlaments vor. Aufgrund persönlicher Befangenheit will sich Sobotka - wie bei vergangenen U-Ausschüssen - nicht zurückziehen.
„Wie in der Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse vorgesehen, wird der Nationalratspräsident beiden Untersuchungsausschüssen vorsitzen“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des Präsidentenbüros. „Er wird sich dabei, wie auch bisher schon, im Bedarfsfall vertreten lassen.“
Causa Sobotka könnte Thema werden
FPÖ-Generalsekretär Hafenecker bedauere die „trotzige Reaktion“ der ÖVP. Er schloss nicht aus, dass etwa die heimlich aufgenommenen Aussagen des verstorbenen Pilnacek zu den angeblichen Interventionen durch Sobotka Thema werden könnten.
Zudem wünscht sich der Freiheitliche „endlich Liveübertragungen“ der Befragungen. Dies würde die Qualität steigern und verhindern, dass sich Auskunftspersonen, etwa Regierungsmitglieder, ständig entschlagen.
Große Themen, wenig Zeit
Politische Beobachter erhoffen sich wenig Erkenntnisse durch die neuen U-Ausschüsse. Es gilt als unwahrscheinlich, dass innerhalb weniger Monate politische Aufklärung stattfinden kann. Eine Instrumentalisierung der parlamentarischen Untersuchung wird nicht ausgeschlossen.
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