In einem halben Jahr wird der Nationalrat neu gewählt. Die 183 Sitze sind hart umkämpft. Die Erstellung der Kandidatenlisten folgt bestimmten Logiken, jede Partei hat dabei ihre eigene. Es muss auf Bünde, Bezirke, Gewerkschaften, Vorfeldorganisationen, Geschlechter und einiges mehr Rücksicht genommen werden. Die „Krone“ gibt einen Einblick.
Besonders heftig wird das Gerangel bei der ÖVP, weil diese ziemlich sicher die meisten Sitze verlieren wird. Bei der Nationalratswahl 2019 haben die Türkisen 37,5 Prozent und 71 Mandate errungen. Je nach Szenario droht der Volkspartei ein Verlust von bis zu 30 Mandaten, rechnet IFDD-Chef Christoph Haselmayer vor.
Das wird kein Akt der Nächstenliebe
„Die Listenerstellung bei der ÖVP wird kein Akt der Nächstenliebe“, wurde kürzlich ein Insider in einer Zeitung zitiert. Tatsächlich gibt es etwa in Niederösterreich erste Animositäten, so mancher fühlt sich schlecht behandelt. Angeführt wird die ÖVP-Landesliste von Innenminister Gerhard Karner vor Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Auf dem dritten Platz kandidiert überraschend Wirtschaftsbunddirektor Harald Servus vor den derzeitigen Mandataren Andreas Hanger, Fritz Ofenauer, Lukas Brandweiner, Johannes Schmuckenschlager oder Irene Neumann-Hartberger. Die ÖVP-Logik dahinter: ÖAABler vor Bauernbündlerin vor Wirtschaftsbündler.
Babler nicht auf der Landesliste
Verwunderung löste auch die rote Liste aus Niederösterreich aus, weil SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler dort nicht aufscheint und nur auf der Bundesliste kandidiert. Obwohl es bei früheren Wahlen üblich war, dass der Spitzenkandidat auch die Liste seines Bundeslandes anführt, verteidigt die SPÖ dieses Vorgehen damit, dass Babler so keinem Niederösterreicher den Platz wegnehme. Die Sitze im Nationalrat werden nämlich von unten nach oben vergeben: Zuerst kommen die Regionallisten, dann die Landeslisten und dann die Bundeslisten dran.
Parteien müssen auf regionale Ausgewogenheit schauen
Insgesamt gibt es 39 Regionalwahlkreise, auf die Parteien ebenfalls Rücksicht nehmen müssen. Ein Beispiel dafür ist die SPÖ-Liste im Burgenland. Dort finden 2025 Landtagswahlen statt. Landeshauptmann und Parteichef Hans Peter Doskozil muss einen Ausgleich finden zwischen den Bezirken. Im Nationalrat haben die roten Burgenländer derzeit zwei Mandate, mehr werden es voraussichtlich nicht werden. Der bisherige Abgeordnete Christian Drobits kandidiert nicht mehr für den Nationalrat, sondern für den Landtag. In den Nationalrat sollen der bisherige Abgeordnete Illmitzer Bürgermeister Max Köllner für den Norden und der Inzenhofer Bürgermeister Jürgen Schabhüttl für den Bezirk Güssing.
Gewerkschaft hat bei der SPÖ besondere Bedeutung
Eine besondere Stellung haben bei der SPÖ die Gewerkschaftsvertreter. So haben der FSG-Chef und der Metaller-Boss in der Regel immer ein Mandat. Mit Josef Muchitsch sitzt aktuell auch der Bauholz-Chef im Nationalrat. Rainer Wimmer war bis vor einem Jahr Vorsitzender der Gewerkschaft PRO-GE.
Bei Grünen und Pinken herrscht Basisdemokratie
Bei Grünen und NEOS geht es weniger um Vorfeldorganisationen und Regionen, sondern hier herrscht die Basisdemokratie. Es zählen vor allem die Landeslisten und die Bundesliste. Die „Krone“ erreicht den grünen Energiesprecher Lukas Hammer just in dem Moment, wo er seine Bewerbung für die Wiener Landesliste verfasst. Die Kandidaten werden von den jeweiligen Landesversammlungen gewählt, die Bundesliste von der Bundesversammlung. Es gibt kein darüberstehendes Gremium, welches die Reihung ändert oder mitbestimmt, erklärt Hammer. Bei den Ökos müssen mindestens die Hälfte der Kandidaten Frauen sein.
Dreistufiges Auswahlverfahren bei den NEOS
Bei den NEOS gibt es ein dreistufiges Auswahlverfahren. Die erste ist das Bürgervotum, bei dem sich jeder Bürger anmelden und Punkte an die Kandidaten vergeben kann. Die zweite Stufe sind die Gremien in den Ländern und die dritte Stufe die Bundesversammlung. In allen diesen Stufen werden Punkte vergeben. Wie bei den Grünen stehen auch bei den Pinken mehr die Themen als die Herkunft der Kandidaten im Vorfeld. So sind für die Liberalen zum Beispiel Bildung und Wirtschaft besonders wichtig.
FPÖ kann mit 60-prozentigen Abgeordnetenzuwachs rechnen
Die FPÖ kann der Wahl entspannt entgegensehen, sie wird laut Haselmayer bis zu 22 Sitze dazugewinnen, derzeit hat sie 31. Bei der FPÖ gibt es keine klassischen Vorfeldorganisationen, die unbedingt berücksichtigt werden müssen. Aber man schaut drauf, dass man Leute aus allen Bereichen, etwa Landwirte, Juristen oder Ärzte hat, sagt der Abgeordnete und Notar Harld Stefan im Gespräch mit der „Krone“. Die Landeslisten werden von den Gremien in den Ländern in Abstimmung mit dem Bundesvorstand erstellt. Geschlechterparität gibt es freilich keine.
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