Keine einzige Partei hat sich im Wahlkampf für Tiere eingesetzt, es gibt wohl noch größere Baustellen. Aber eigentlich sollten Politiker wissen, dass Tierschutz ein Zünglein an der Waage sein kann. Die „Krone“ hat den Spitzenkandidaten daher einige Fragen gestellt. Die Antworten sind doch überraschend – wenn man weiß, wie die Themen bisher behandelt worden sind.
Sehr seltsam etwa die ÖVP, die sich als Partei für den Bauernstand versteht. Denn anstatt in öffentlichen Kantinen ausschließlich auf Fleisch aus Österreich zu setzen, wurde eine Kennzeichnungspflicht verabschiedet, die das Papier nicht wert ist, auf dem es geschrieben wurde. Die FPÖ unterstützt die Ausbildung von Schutzhunden für Privatpersonen und meint, damit dem Willen der Wähler nachzukommen. Schwere Fehleinschätzung!
Nur rund 6.000 Anhänger gibt es für dieses „Scharfmachen“. Lächerlich – denn wir erhalten täglich Anrufe und Schreiben diese Form der Hundeausbildung endlich zu stoppen. Seltsam mutet auch an, dass just der Tierschutzsprecher der SPÖ hier verbissen mit der FPÖ Hand in Hand geht. Die Grünen haben sich eingesetzt, aber auch vieles am Altar der Koalition geopfert. Schön, dass die NEOS nun endlich auch einen Tierschutzsprecher haben.
Eine Wahl ohne Qual
Die Antworten der Parteien wurden von fünf Experten beurteilt. Ich hoffe, dass wir Ihnen damit bei der Entscheidungsfindung am Wahltag helfen können. Denn es soll ja nicht für die Katz’ sein, und schon gar nicht wollen wir vor die Hunde gehen.
Ihre Maggie Entenfellner
„Krone“ Tierecke
Wenn im Steirischen Backhendlsalat das Hühnerfleisch aus Polen kommt und das Wiener Schnitzel mit holländischem Kalbfleisch serviert wird, ohne dass die Gäste davon wissen – dann ist das heuchlerisch. Dass die verpflichtende Herkunftskennzeichnung nicht auf die Gastronomie ausgeweitet wurde, ist ein klares Versäumnis der Regierung. Es darf nicht sein, dass die Wirtschaft blockiert und Parteien das einfach hinnehmen! Es ist besorgniserregend, dass nicht alle Spitzenkandidaten erkennen, wie wichtig dieses Thema für Konsumenten und die heimische Landwirtschaft ist.
Es ist besorgniserregend, dass nicht alle Spitzenkandidaten erkennen, wie wichtig dieses Thema für Konsumenten und die heimische Landwirtschaft ist.
Hannes Royer, Verein „Land schafft Leben“
Bild: Land schafft Leben
Die Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie sowie eine Kennzeichnung der Haltungsform für tierische Produkte im Supermarkt und der Gastronomie müssen ins nächste Regierungsprogramm aufgenommen werden. Nur so haben die Menschen die Chance, bewusst zu entscheiden – und werden nicht länger gezwungen, für Lebensmittel zu zahlen, die sie selbst niemals wählen würden. Hier muss die Regierung endlich Verantwortung übernehmen.
Der Bio-Anteil bei der Bundesbeschaffung ist ein wichtiger Aspekt bei der Förderung der Bio-Branche. Das soll aber dann auch eingehalten werden. Derzeit gibt es ja bereits Vorgaben, die aber nicht eingehalten werden, weil sie offensichtlich auch nicht sanktioniert werden. Babler hat richtig erkannt, dass öffentliche Beschaffung ein extrem wichtiger Hebel ist, allerdings greift reine Bundesebene zu kurz: Was ist mit Ländern und Gemeinden?
Die FPÖ möchte den Direktvertrieb stärken, doch ob ein Landwirt das will, ist seine alleinige Entscheidung. Manchen liegt das, wieder anderen gar nicht. Das kann man ja nicht vorgeben. Ja, es stimmt: Bio-Produkte bringen den Landwirten mehr Geld. Die Sache ist aber, dass neben den teureren Bio-Produkten die billigen Produkte liegen, zum Teil aus dem Ausland. Im Übrigen ist es ein Irrglaube, dass heimische Produkte automatisch mehr Tierwohl bedeuten: 70 Prozent der Mastschweine und Mastrinder leben in Österreich auf Vollspaltenböden. Und auch auf kleinen Familienbetrieben, die Direktvermarktung betreiben, leiden Tiere häufig unter schlechten Haltungsstandards.
Die Fleischportionen sollten ohnehin kleiner sein – dafür sollten sie aus besserer Haltung stammen. So wird es auch leistbar.
Eva Rosenberg, „Vier Pfoten“
Bild: VIER PFOTEN
Die Grünen bringen hier erwartungsgemäß gute Vorschläge, hat auch die öffentliche Beschaffung als Hebel erkannt. Monitoring und Budget sind auch wichtig, Wandel in der Lebensmittel-Produktion ebenso.
Der Vorschlag der NEOS der Konsumentenbildung stimmt natürlich. Aber oft bestimmt halt doch der Preis. Wichtig wäre für uns auch, dass die Haltungsstandards sich erhöhen und allen landwirtschaftlich genutzten Tieren zur Verfügung stehen. Dann liegt die Verantwortung nicht mehr „nur” beim Konsumenten. Reine „Bildungsarbeit“ der Konsumenten greift leider zu kurz; nur mit einer transparenten Haltungskennzeichnung können Konsumenten informiert sein, was tatsächlich hinter einem Produkt steckt und eigenbestimmt entscheiden. Im Übrigen sehen wir einen kleinen Widerspruch zur Antwort von Meinl-Reisinger bei der Kennzeichnung.
Der von Karl Nehammer genannte „Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung“ wird sehr gerne von Politikern genannt, leider gilt dieser aber nur für die Bundesministerien. Das, was wir brauchen, sind Vorgaben in ganz Österreich! Was ist mit Ländern und Gemeinden? Eine Anmerkung, weil der Preis immer wieder ins Treffen geführt wird: Die Fleischportionen sollten ohnehin kleiner sein – dafür sollten sie aus besserer Haltung stammen. So wird es auch leistbar.
Der VGT begrüßt die Ansätze der Grünen und der NEOS, die sich für eine Kompetenz-Umstrukturierung hin zum Bund aussprechen. Eine Verbesserung der Kommunikation, etwa mit Datenbanken, zwischen den einzelnen Behörden und Kontrollstellen, sehen wir ebenfalls als Fortschritt. Es braucht allerdings auch eine dringende Erhöhung der Kontrolldichte – eine Finanzierung derselben über eine angepasste Fördermittel-Verteilung, wie von der SPÖ vorgeschlagen, finden wir sinnvoll.
Unserer Erfahrung nach sind Missstände häufig keine „Einzelfälle“, sondern liegen an Systemproblemen in der Tiernutzung
Denise Kubala, VGT Kampagnen
Bild: VGT
Unserer Erfahrung nach sind Missstände häufig keine „Einzelfälle“, sondern liegen an Systemproblemen in der Tiernutzung – das zeigen unsere fortwährenden Aufdeckungen schlimmster Tierquälereien in Österreichs Tierfabriken und Schlachthöfen. Deshalb sind wir mit der Antwort der FPÖ nicht zufrieden. Die ÖVP ignoriert in ihrer Antwort die bestehenden Tierleid-Missstände leider vollkommen. Statt mit echten Vorschlägen zur Verbesserung, antwortet sie nur mit leeren Floskeln.
Es ist spannend, dass alle Parteien das Tierversuchsgesetz reformieren wollen, denn bisher gab es dazu leider keine Bestrebungen. In diesem Bereich könnte man nämlich Leid und Tod von unzähligen Tieren reduzieren, ohne überhaupt auf die Frage nach der Abschaffung von Tierversuchen eingehen zu müssen. Ein brandaktuelles Gutachten zeigt die Rechtslücken und Ausmaße („Verwendung“ von über 200.000 Tieren pro Jahr – also umgerechnet täglich ca. 550 Tiere) in Österreich auf.
Nach einer Zeit der leeren Worte sollten hier alle Parteien unbedingt tätig werden!
Eva Persy, Wiener Tierschutzombudsfrau
Bild: TOW/Christian Houdek
Schon im Vorfeld von Tierversuchen herrscht Reformbedarf: Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Tiere, die zwar für Versuche gezüchtet, aber dann als „Überschuss“ getötet werden, die Anzahl der „verwendeten“ Tiere noch übersteigt. Anders als in Deutschland fehlen hier Transparenz und Reduktionsmaßnahmen. Dass die Abwägung, ob ein Tierversuch überhaupt gerechtfertigt ist (sogenannte Kosten-Nutzen-Analyse) in Österreich nur aus einer subjektiven Einschätzung des Projektansuchenden und ohne Differenzierung nach den Zwecken der Versuche besteht, haben wir schon gemeinsam mit anderen Tierschutzorganisationen im Jahr 2017 kritisiert. Ebenfalls alarmierend: Wird einmal ein Verstoß im Tierversuchswesen angezeigt, wie der schreckliche Fall von 100 verhungerten Tieren in einem Uni-Forschungslabor, dann können die Verursacher oftmals nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil im Gesetz wichtige Strafbestimmungen fehlen. Nach einer Zeit der leeren Worte sollten hier alle Parteien unbedingt tätig werden!
Leider sind die Antworten von allen sehr unkonkret. „Fromme Wünsche“ an die unabhängige Richterschaft werden halt nicht helfen, wenn diese mit extrem milden Urteilen, Diversionen oder gar Freisprüchen offenbar Rücksicht auf die überfüllten Gefängnisse nimmt. Unsere jahrelange Forderung nach Erhöhung des gerichtlichen Strafrahmens für vorsätzliche Tierquälerei, Aussetzen oder Tötung auf zumindest fünf Jahre Freiheitsstrafe (samt Mindeststrafe von sechs Monaten) wurde von der Regierung wieder ignoriert.
Das Thema muss auch deshalb sehr ernst genommen werden, weil Kriminalpsychologen seit langem davor warnen, dass Tierquäler „nur üben“ und sich oft als Nächstes an Menschen vergreifen.
Jürgen Stadler, Pfotenhilfe
Bild: Amazing Paws - Lisa Breckner
Aber nur so kann es bei schwerer Tierquälerei endlich zu ernsthaften Gefängnisstrafen von einem Jahr und mehr kommen, die abschreckend auf Täter und vor allem mögliche zukünftige Täter (Generalprävention) wirken. Immerhin hat der Tierschutz bei uns Verfassungsrang! Das Thema muss auch deshalb sehr ernst genommen werden, weil Kriminalpsychologen seit langem davor warnen, dass Tierquäler „nur üben“ und sich oft als Nächstes an Menschen vergreifen.
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