Steiermark-Unwetter

5000 Helfer im Einsatz ++ Evakuierung vorbereitet

Steiermark
15.09.2024 18:49

In der Nacht auf Sonntag hat das Sturmtief in der Steiermark wie befürchtet seinen Höhepunkt erreicht. Quer durch das Land stehen die Feuerwehren im Dauereinsatz, auch die Monteure der Energie Steiermark haben keine ruhige Minute. Erste Evakuierungen werden vorbereitet. 

Im Landesfeuerwehrverband spricht man von einer „außergewöhnlichen Belastung“. Alleine von Samstagmitternacht bis Sonntagfrüh wurden nicht weniger als 817 Einsätze gezählt, wovon die allermeisten in direktem Zusammenhang mit den Unwettern standen. Insgesamt mussten die steirischen Feuerwehren seit Beginn der Wetterkapriolen bereits rund 1600-mal ausrücken, nicht weniger als 5000 Kräfte standen und stehen im Einsatz.

Premiere für Handy-Warnsystem
Betroffen waren alle Landesteile, zuletzt auch Graz-Umgebung, Voitsberg, Weiz und Hartberg-Fürstenfeld. Für diese vier Bezirke wurde kurz nach 13 Uhr mittels „AT-Alert“ erstmals eine Katastrophenwarnung per Handy an die Bevölkerung verschickt. Da zu erwarten sei, dass der Sturm „bis in die späten Abendstunden mit Spitzen bis 100 km/h anhält“, wurde vor dem Aufenthalt in Wäldern, Parks und Alleen gewarnt.

Aufgrund der kräftigen Niederschläge und der damit verbundenen Überschwemmungen und drohenden Vermurungen wurde später auch im Mürztal entlang der Mürz und in der Stadtgemeinde Mariazell eine AT-Alert-Hochwasserwarnung ausgelöst.

Diese Warnung bekamen am Sonntag am frühen Nachmittag Tausende Steirer auf ihre Handys. (Bild: Steirerkrone)
Diese Warnung bekamen am Sonntag am frühen Nachmittag Tausende Steirer auf ihre Handys.

Bäume auf Hausdächern, Carports und Stromleitungen
Im Gegensatz etwa zum schwer betroffenen Niederösterreich, wo am Sonntag ein Feuerwehrmann bei einem Pumpeinsatz ums Leben kam, sind es in der südlichen Steiermark nicht die Regenmengen, die die größten Probleme bereiten, sondern der Sturm, der mit bis zu 120 km/h wütete. Umgestürzte Bäume blockierten Straßen und Wege, fielen auf Hausdächer, Carports und Stromleitungen und verursachten teils schwere Schäden.

Ein umgestürztes Baustellengerüst forderte die Grazer Berufsfeuerwehr Sonntagmittag in der Münzgrabenstraße. (Bild: Gerald Schwaiger/Steirerkrone)
Ein umgestürztes Baustellengerüst forderte die Grazer Berufsfeuerwehr Sonntagmittag in der Münzgrabenstraße.

Menschen in Fahrzeugen eingeschlossen
Besonders dramatisch: In einigen Fällen wurden Personen in ihren Autos eingeschlossen, nachdem Bäume auf die Fahrbahn bzw. die Fahrzeuge gestürzt waren. Alle Betroffenen konnten in Sicherheit gebracht werden, Meldungen über Verletzte gab es nicht. In Graz-Umgebung musste die Feuerwehr der Rettung den Weg zu einem Einsatz freimachen, auch hier hatten umgestürzte Bäume die Straße blockiert.

Hartberg-Fürstenfeld war einer der am schwersten betroffenen Bezirke. (Bild: BFV Hartberg)
Hartberg-Fürstenfeld war einer der am schwersten betroffenen Bezirke.
Auch in Stiwoll standen die Helfer die ganze Nacht über im Einsatz, um Verkehrswege freizuschneiden. (Bild: FF-Stiwoll)
Auch in Stiwoll standen die Helfer die ganze Nacht über im Einsatz, um Verkehrswege freizuschneiden.
(Bild: FF-Stiwoll)
(Bild: FF-Stiwoll)
(Bild: FF-Stiwoll)

Bis zu 25.000 Haushalte ohne Strom
Trotz permanentem Einsatz der Energie Steiermark häuften sich die Stromausfälle Stunde für Stunde. Zu Spitzenzeiten wurden rund 25.000 Haushalte ohne Strom vermerkt, Sonntagfrüh waren es noch immer etwa 20.000. Auch an die 450 Trafostationen waren außer Gefecht. Sprecher Urs Harnik berichtete von einer wahren „Sisyphus-Arbeit“, jede gekappte Leitung müsse einzeln repariert werden. Bis zu 120 Spezialisten sind gleichzeitig im Einsatz.

Probleme im Grazer Öffi-Verkehr
Auch in der Landeshauptstadt hinterließ das Sturmtief seine Spuren. In Andritz konnten die Straßenbahnlinien 3 und 5 am späten Samstagabend nicht fahren – Grund war auch hier ein umgestürzter Baum. Auch die Buslinie 53 musste im Bereich Andritzer Reichsstraße umgeleitet werden.

Gespenstische Szenen Samstagabend im Grazer Öffi-Netz (Bild: Steirerkrone)
Gespenstische Szenen Samstagabend im Grazer Öffi-Netz
(Bild: Steirerkrone)
(Bild: Steirerkrone)
(Bild: Steirerkrone)
(Bild: Steirerkrone)

Erste Muren durch Dauerregen im „Nordstau“
Neben den Sturmböen wird insbesondere die Obersteiermark weiterhin auch von großen Regenmengen geplagt. Im „Nordstau“ von Liezen über Leoben bis Brück-Mürzzuschlag mussten Pump- und Sicherungsarbeiten durchgeführt werden, aus dem Bezirk Liezen wurden nach dem Dauerregen erste kleinere Muren gemeldet.

Im Bezirk Liezen kam es im Bereich Diemlern-Oberstuttern zu einer Bachverklausung. (Bild: BFV Liezen / Schlüßlmayr)
Im Bezirk Liezen kam es im Bereich Diemlern-Oberstuttern zu einer Bachverklausung.
Die B320 wurde überflutet. (Bild: BFV Liezen / Schlüßlmayr)
Die B320 wurde überflutet.
(Bild: BFV Liezen / Schlüßlmayr)

Zivilschutzalarm in Thörl
Für die heuer schon mehrfach von Extremwetter betroffene Marktgemeinde Thörl im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag musste am Vormittag Zivilschutzalarm ausgelöst werden. Aufgrund der Wassermassen wurde die Bevölkerung aufgerufen, möglichst zu Hause zu bleiben, Keller, Tiefgaragen und Uferbereiche zu meiden und die Anweisungen der Einsatzkräfte zu befolgen. Die Warnung konnte am Sonntagnachmittag wieder aufgehoben werden.

Die Lage in Thörl am Sonntagvormittag – die Anlage des Sportvereins steht unter Wasser:

Mürz in Kapfenberg über die Ufer getreten
Aufgrund der enormen Regenmengen im gesamten Einzugsgebiet ist in der Kapfenberger Altstadt die Mürz über die Ufer getreten. Auch flussaufwärts in Mürzzuschlag kam es bereits zu Schadensfällen. Die Situation dürfte sich in den kommenden Stunden noch verschärfen.

In Kapfenberg steht der Lindenplatz unter Wasser. (Bild: Roland Theny)
In Kapfenberg steht der Lindenplatz unter Wasser.
Die Mürz bei Mürzzuschlag (Bild: BFVMZ)
Die Mürz bei Mürzzuschlag

Bei Wanderung im Wetterchaos verirrt: Deutscher gerettet
Einen größeren Einsatz von Alpinpolizei Liezen und Bergrettung Gröbming löste am Samstagabend ein 59-jähriger Deutscher aus, der sich trotz widriger Bedingungen auf eine Bergtour in Mitterberg-St. Martin am Grimming begeben hatte. Er verirrte sich, kam zu Sturz und verletzte sich. Alpinpolizei und 19 Bergretter mussten auf 1100 Meter aufsteigen, um den unterkühlten und über Rückenschmerzen klagenden Wanderer ins Tal zu bringen.

Sturm- und Hartberg-Partien abgesagt
In die Absagenflut der vergangenen Tage mischten sich am Sonntag auch zwei Bundesliga-Spiele mit steirischer Beteiligung: Das Auswärtsspiel von Sturm bei der Wiener Austria musste wie auch die Heim-Partie von Hartberg gegen WSG Tirol aufgrund der anhaltenden Unwetter abgesagt werden. Das Heimspiel des GAK gegen Altach konnte wie geplant stattfinden.

Sonntagmittag informierten Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP), Katastrophenschutz, Energie Steiermark und die Feuerwehren über den Stand der Dinge. Drexler sprach von einer „dramatischen Lage“, die weiter angespannt bleibe. „Glücklicherweise gab es noch keine Verletzten.“

„Wirkliche Entspannung“ erst am Dienstag
Laut Harald Eitner vom steirischen Katastrophenschutz machte der Sturm bisher die größten Probleme. Dieser flaut zwar ab, „wirkliche Entspannung“ dürfte es aber erst am Dienstag geben. Auch in Sachen Regen ist noch Durchhalten und Vorsicht gefragt: „Die nördlichen Zubringer zur Mürz sind sehr belastet, der Thörlbach ist schon über die Ufer getreten“, erklärt Eitner.

Energie-Schäden in Millionenhöhe
Bei der Energie Steiermark liegen die Schäden bereits in Millionenhöhe. Die gute Nachricht: Die Fälle gehen laut Sprecher Harnik zurück, Einrichtungen der kritischen Infrastruktur seien derzeit nicht betroffen. Dennoch werde die Behebung noch Tage und in Einzelfällen sogar Wochen dauern.

Ernste Mienen am Sonntag in der Landeswarnzentrale: Landeshauptmann Drexler (re.) und Katastrophenschutz-Chef Eitner (Bild: Brand Images)
Ernste Mienen am Sonntag in der Landeswarnzentrale: Landeshauptmann Drexler (re.) und Katastrophenschutz-Chef Eitner

Bis sich die Situation einigermaßen normalisiert hat, bleibt die Warnung an die Bevölkerung aufrecht. Landeshauptmann Drexler: „Vermeiden Sie unnötige Wege, gehen Sie keinesfalls in Wälder, Hochgebirge oder an Ufer.“

Evakuierungen möglich
Mit Sorge beobachtete man die Wettersituation am Sonntagabend auch in St. Barbara im Mürztal: Das Rote Kreuz bereitete aus Sicherheitsgründen die Evakuierung von bis zu 100 Bewohnern der Stadtteile Mitterdorf und Wartberg vor. Sollten die Pegelstände weiter steigen, werden sie vorübergehend in einer Schule untergebracht.

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